Musik_The Cardigans - Super Extra Gravity

Gegen die Schwerkraft

Diese Schweden verstecken sich nicht hinter falscher Scham. Sie machen Musik, um Anklang zu finden und liefern dabei leichtfüßige Songs, die über reinen Pop hinausblicken.    07.12.2005

Eine lange Karriere macht selbstbewußt und zielgerichtet. Die Cardigans sind sich durch Veränderung treu geblieben. Der Geschliffenheit des Vorgängers "Long Gone Before Daylight" wird auf dem aktuellen Album eine Instant-Rebellion entgegengesetzt, die zwar aufwühlt, aber nur, um die Erwartung zu kitzeln und die Aufmerksamkeit durchzulüften. An den bekannten, mehrmals bewiesenen Stärken hat sich nichts geändert. "Super Extra Gravity" kann sich weiterhin auf das Gefühl der Schweden für das Gute im Song verlassen. Den Schreibprozeß richteten sie nach der Vorgabe aus, jedes Stück solle für sich etwas Spektakuläres beinhalten und auch Unerwartetes aufbieten. Das gewollt Überraschende wird allerdings erst im Gesamten sichtbar. Den Cardigans ist durch den Verzicht auf ein Hochpolieren der Oberfläche ein sehr frisches Album gelungen, das in sich stimmig bleibt. Beeindruckend, wenn schon nicht spektakulär, ist die Ungezwungenheit, die den Songs anhaftet. Widersprüchlicherweise wurde sie gerade durch einen für die Cardigans unüblich straffen Zeitplan für die Erarbeitung und Aufnahme der Stücke erzielt.

"Super Extra Gravity" leistet sich weder nach oben noch nach unten grobe Ausreißer und hält sich doch von Wiederholungen fern. Nichtsdestotrotz spiegelt sich jeder Song in den anderen wider und bettet sich dadurch in die perfekte Umgebung. Die Schweden mögen es weitgehend bequem und zeigen sich von ihrer charmanten Seite, die Nina Persson zu Beginn von "I Need Some Fine Wine And You, You Need To Be Nicer" eintrübt. Ihre Kommandos ("Sit! Good Dog!") wirken dominant grob und heben für einen Bruchteil die kindliche Verträumtheit in Ninas Timbre auf. Tatsächlich schwenkt sie hier zwischen intim und abweisend. Das war so nicht zu erwarten, und auch nicht, daß sich die Stücke im Grunde genommen für eine mehrseitige Verwendbarkeit aufdrängen. Legt man den Kern frei und läßt Ninas Stimme sich nur um die von einem Begleitinstrument ihrer Wahl gespielten Töne schlingen, wird ein Singer/Songwriterabend ("Overload") geboren, der dazu aufruft, in sich zu gehen. Ein orchestrales Nachpolstern der Melodie schneidet sie auf Konzertsaalformat zu, die Nina in große Abendroben drängt. Herzergreifende Posen hält sie sicherlich schon für die auf dem Tonträger festgehaltene Version von "Losing A Friend" bereit. Würde die Durchführung nur ansatzweise den immer wieder mal aufblitzenden Mut zur rauen Schale (z.B. das Drum-Geklopfe in "Losing My Friend", das verhältnismäßig harsche Intro von "Godspell") beibehalten könnte man die Band für ihre Auftritte in Kellerlokale tiefer legen, ohne sich der Fehlbesetzung schuldig zu machen.

Bernadette Karner

The Cardigans - Super Extra Gravity

ØØØØ


Universal Music (Schweden 2005)

 

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