Video_Borg/McEnroe - Duell zweier Gladiatoren

Schlag auf Schlag

"Borg/McEnroe" durchleuchtet einen der introvertiertesten Stars der modernen Sportgeschichte. Um einen Björn Borg zu entschlüsseln, muß das Feld eines chronisch unterrepräsentierten Sport-Subgenres bespielt werden - eine Herkulesaufgabe mit Sverrir Gudnason und Shia LaBeouf in den Hauptrollen.    01.03.2018

Anfang der 80er Jahre dominiert der Schwede Björn Borg (Sverrir Gudnason) die Tenniswelt. Der Mann ist ein Publikumsmagnet, eine Art stiller Rockstar der global bedeutendsten Einzelsportart. Wo Borg auftaucht, entfacht er Jubelstürme, und der weibliche Teil seiner breiten Anhängerschaft verfällt in Ekstase. Dabei ist der Weltranglistenerste wortkarg und unnahbar, ein unterkühlter Perfektionist, der asketisch seine sportlichen Ziele verfolgt. 1980 richtet sich sein Fokus - und jener der Weltöffentlichkeit - auf die historische Verwirklichung eines fünften Wimbledon-Siegs in Folge. In den Weg stellt sich ihm dabei der ebenso geniale wie rüpelhafte Amerikaner John McEnroe (Shia LaBeouf), der auf seinen ersten Triumph auf dem "Heiligen Rasen" in London brennt. Der blutjunge Heißsporn bildet in mehrfacher Hinsicht eine Antithese zum emotionslosen "Eisborg". Als der Druck auf den Titelverteidiger immer größer wird, drohen den Schweden fundamentale Selbstzweifel aus der Bahn zu werfen.

Björn Borg gegen John McEnroe war ein Kampf der Spielsysteme und gegensätzlichen Temperamente. Monoton-präzises Grundlinientennis traf auf brillantes Angriffsspiel, totale Selbstkontrolle auf unbändige Wut. In der Aufarbeitung eines solchen Duells der Gegensätze steckt unzweifelhaft cineastisches Potential. Mit "Rush" (2013) gelang zuletzt Ron Howard die spektakuläre filmische Aufarbeitung eines ähnlich gelagerten Zweikampfs. Doch Borg ist nicht Lauda, und die adrenalinfördernde Brisanz eines potentiell tödlichen Hochgeschwindigkeitsduells ist naturgemäß nicht auf den altehrwürdigen Centre Court von Wimbledon übertragbar.

Überhaupt scheint Borg in seiner Funktion als Held respektive Antiheld nicht wirklich vermittelbar. Regisseur Janus Metz Pedersen greift auf Flashbacks zurück, die uns zu Björns Anfängen führen und den Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem schwedischen Davis-Cup-Kapitän Lennart Bergelin (Stellan Skarsgard) nachzeichnen. So werden wir Zeuge, wie dem unberechenbaren Teenager der Jähzorn ausgetrieben und die Energie seiner Wutgefühle kanalisiert wird. Später hat sich der erwachsene Rekordmann aller überschüssigen Emotionalität nur scheinbar entledigt. Als das Gewicht des Erfolgsdrucks ihn zu ersticken droht, steht der menschliche Kelomat Borg vor dem Ausbruch.

 

Pedersen forscht nach einem Zugang zu dem von inneren Dämonen geplagten Sportidol. Und obgleich seine Anstrengungen ein recht träges Werk zutage fördern, verdienen sie doch Respekt. Der Regisseur arbeitet sich nämlich nicht nur an der maulfaulen Legende ab, sondern wagt sich auch an ein Mini-Subgenre heran, das bislang noch keine Matchwinner hervorgebracht hat.

Den skandalträchtigem John McEnroe etwas mehr Raum zuzugestehen, hätte "Borg/McEnroe" womöglich gutgetan. Das Enfant terrible der Tennisszene verschränkte in einer vor und nach ihm nie dagewesenen Weise sportliche Meisterschaft mit hitzigem Rebellentum. Der im wahren Leben selbst als Querschläger, wenn auch nicht wirklich großer Mime bekannte Shia LaBeouf leistet hier durchaus nicht wenig, um den jungen "Big Mac" angemessen kontrovers zu porträtieren. Sverrir Gudnasson hingegen begegnet seinem chronisch angespannten Maschinenmenschen Borg wenig überraschend mit stoischem Underacting.

Die skandinavische Koproduktion hat weder das Zeug zum modernen Sportfilmklassiker, noch werden sich Unkundige dafür erwärmen können. Immerhin reicht es aber zu einem verdienstvollen Arbeitssieg.

 

Dietmar Wohlfart

Borg/McEnroe - Duell zweier Gladiatoren

ØØØ

(Borg/McEnroe)

Leserbewertung: (bewerten)

Universum Film GmbH (SWE/DK/FIN 2017)

DVD Region 2
104 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder engl. OF

Features: Interview Zürich Film Festival 2017, Trailershow, Trailer

Regie: Janus Metz Pedersen

Darsteller: Sverrir Gudnason, Shia LaBeouf, Stellan Skarsgard u. a.

Links:

Kommentare_

Video
The Secret Man

Überzeugungstäter

Vom mächtigen FBI-Mann zum sagenumwobenen Whistleblower: Liam Neeson begibt sich als historisch bedeutsames Informationsleck "Deep Throat" in einen unlösbaren Konflikt. Regisseur Peter Landesman porträtiert einen kühlen Loyalisten, der bewußt zwischen die Fronten gerät.  

Video
Borg/McEnroe - Duell zweier Gladiatoren

Schlag auf Schlag

"Borg/McEnroe" durchleuchtet einen der introvertiertesten Stars der modernen Sportgeschichte. Um einen Björn Borg zu entschlüsseln, muß das Feld eines chronisch unterrepräsentierten Sport-Subgenres bespielt werden - eine Herkulesaufgabe mit Sverrir Gudnason und Shia LaBeouf in den Hauptrollen.  

Stories
50 Jahre Columbo

Der Unverwüstliche

Vor 50 Jahren schrieb ein derangierter kleiner Mann mit Glasauge und Trenchcoat TV-Geschichte: Ab 1968 zermürbte der von Peter Falk verkörperte listige Frank Columbo 35 Jahre lang ganze Mörderscharen mit provokanter Hartnäckigkeit. Dietmar Wohlfart erinnert an die beliebte Krimiserie.  

Video
Aftermath

Schicksalsgefährten ohne Zukunft

Ein Flugzeugunglück gebiert zwei tragische Figuren und verbindet sie auf unheilvolle Weise. In Elliot Lesters "Aftermath" - einer schlicht formulierten, überraschungsarmen Meditation über Trauer und Wut - übt sich Arnold Schwarzenegger in vehementer Zurückhaltung.  

Video
I Am A Hero

Held des Tages

Ein gescheiterter Comic-Zeichner behauptet sich unbeholfen, aber tapfer in den Wirren einer Zombie-Epidemie. Shinsuke Satos Adaption des gleichnamigen Manga-Erfolgs "I Am A Hero" bietet Kurzweil und satte Splatter-Action auf japanischem Boden.  

Video
The Eyes Of My Mother

Augenauswischerei

Nicolas Pesces karges Horror-Kleinod "The Eyes Of My Mother" widmet sich voll und ganz den verstörenden Anwandlungen seiner traumatisierten Hauptfigur, hat dabei aber außer stilvoller Schwarzweißoptik wenig zu bieten.