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INHALTSVERZEICHNIS...










RSiS 
Infinitiv

D 2001

Label/Vertrieb:
Doxodrama/Virgin

Wertung:
øøø1/2

 

 
 
 
 

Musik macht Schule. Schon wieder stellt Benny Denes im Rahmen unserer EVOLVER-Musikerporträts eine Band mit didaktischer Mission vor. Diesmal geht es um eine der unangenehmsten Hürden, die beim Erlernen einer Fremdsprache im Weg stehen können: die Konjugation.
 
 
 
 

RSiS
Mit Groove Verben beherrschen
 

Da soll noch einer sagen, die populäre Musik von heute hätte keine Aussage mehr. Seit Jahren gab es kein Album mehr, das einen so hohen Bildungswert hatte wie dieses: "Infinitiv" bietet Texte, in denen etwas steckt, hat ein klares Konzept und arbeitet trotzdem nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Da die Europäische Union immer gegenwärtiger wird, war es auch höchste Zeit für eine musikalische Umsetzung dieser Entwicklung.

Zur Sache, Leser: Hannover ist im Juli auch keine wesentlich schönere Stadt als in den anderen Monaten des Jahres. Aber immerhin kann man im Sommer dort vor einem Café sitzen und sich mit den Mitgliedern einer innovativen Band aus der niedersächsischen Landeshauptstadt unterhalten. Die Gruppe gibt es seit vier Jahren, sie heißt RSiS (sprich: "Er, Sie, Es"), und ihr erstes Album erscheint im Oktober - "in ganz Europa, das war für uns ausschlaggebend", sagt Richard, der Bassist, und spielt damit auf die langwierige Suche nach einem Label an. Virgin hat das Konzept der sieben jungen Burschen gefallen; vielleicht auch deshalb, weil der europäische Zweig des großen Medienkonzerns noch keine NuMetal-Combo unter Vertrag hatte. Allerdings ist dieser Musikstil momentan verbreitet wie bunte Hunde, und so erstaunt es auch nicht, daß die Musiker keinen gesteigerten Wert auf ein Gespräch über die Details ihrer Interpretation dieser harten Gitarrengangart legen.

Tatsächlich erwähnenswert ist bei RSiS ohnehin nur die Message. "Wir spielen Konjugationsrock der brutalstmöglichen Sorte", sagte Gitarrist Helmo mit den Worten des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Konjugation, also die Flexion von Verben, wird in jedem der 16 Songs auf ihrem Debüt "Infinitiv" vorgeführt. In insgesamt sieben Sprachen (englisch, deutsch, italienisch, spanisch, französisch, portugiesisch, griechisch und schwedisch) demonstrieren die beiden Frontmänner Hans und Lunte auf Nummern wie "ich lebe, du lebst, er lebt" oder "faccio una passegiata-fai-fa-faciamo-fate-fanno una passegiata", wie man´s richtig macht.

Die polyglotten Vocals integrieren sich nahtlos in den groovenden Bastard-Rock, den die Instrumentalsektion derweilen am Laufen hält. Besonders freuen sich RSiS auf die bevorstehenden Touren durch ganz Europa, wenn das Album erst einmal erschienen ist. Lunte hat ganz spezielle Pläne: "Wir werden jede Menge Kids anlocken, und wenn die sich dann einmal versingen, gibt es eine Sechs - SETZEN!"

Die Musiker selbst waren nach eigenen Angaben keine besonders begabten Fremdsprachenschüler - "das Interesse kam erst bei unsren gemeinsamen Interrail-Touren". Man darf gespannt sein, wie die Schulkinder dieses Kontinents auf "Infinitiv" reagieren werden.

ALBUM-REVIEW

"Musikunterricht auf CD, eigentlich keine schlechte Idee." So begann das Review zum kürzlich in dieser Rubrik vorgestellten Mutterfunk-Album. Im vorliegenden Fall geht es um Sprachunterricht im NuMetal-Gewand - und das in einer sehr unterhaltsamen Umsetzung. RSiS klingen eher nach Mudvayne oder Spineshank als nach Limp Bizkit, deswegen dürften allzu schnelle Chart-Entries ausbleiben. Aber die "Message" ("Es ist cool, ein Europäer zu sein") dürfte ankommen, auch wenn es etwas ärgerlich ist, daß die Hannoveraner zu deren Umsetzung allzu amerikanische Trademarks gebrauchen.
 

Benny Denes