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INHALTSVERZEICHNIS...












ÜberVater 
Leichter Leben mit

D 2000

Label/Vertrieb:
Zyx

Wertung:
øøøø

 

 
 
 
 
 

Warum immer nur über gescheiterte Liebesgeschichten und halbgare politische Ansichten singen, wenn die wahren Probleme des jugendlichen Musikhörers doch ganz andere sind? Eine neue Wiesbadener Band wäscht mit DeutschHop-Klischees den Boden auf - im wahrsten Sinne des Wortes. Benny Denes berichtet.
 
 

ÜberVater
Motel, Hotel, Spülmaschin´
 

Mit der Genrebezeichnung "deutscher HipHop" kann man heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Die vielen Formationen aus Stuttgart, Hamburg, Berlin oder Mannheim sind in der Landschaft der deutschen Single-Charts und Radiosender allgegenwärtig, und in den letzten Jahren hat sich eine eigene Identität dieses Stils und seiner Anhänger gebildet, die sich in Kleidung, Sprache und sozialer Zugehörigkeit manifestiert. Nicht wenige Jugendforscher glauben gar, daß DeutschHop eine echte Möglichkeit darstellt, die unverbesserlichen Kahlköpfe rechter Gesinnung zu resozialieren. HipHop als Lebenshilfe gewissermaßen - diesen Weg geht auch eine talentierte neue Formation aus Wiesbaden, die den doppeldeutigen Namen ÜberVater trägt.

"Wir würden nie behaupten, daß wir sehr authentisch oder hart sind!" erklärt der Frontmann mit der Bommelmütze. Matze Korn ist sein Name, zumindest hat er sich mir so vorgestellt. Matze ist der Texter von ÜberVater, die in einer Woche ihre erste Single-Auskopplung in Deutschland und Österreich veröffentlichen werden. Bei einem Major-Label, was Matze ganz logisch findet: "Die haben unser Demo gehört und nicht lange gefackelt. Unsere CD könnte demnächst zu einem festen Bestandteil jedes jugendlichen Haushaltes gehören." Es hat einen tieferen Sinn, daß er nicht von "Plattensammlung", sondern von "Haushalt" spricht - denn das, was seine Band zu etwas Besonderem macht, sind nicht ihre Grooves, der Flow oder die Samples, sondern schlichtweg die Texte. "Die sind doch das Wichtigste beim Sprechgesang. Wer schreibt schon wirklich gute deutsche Texte?" fragt DJ Holly - natürlich rhetorisch - seine beiden Band-Kameraden. Ob die Texte der Wiesbadener "wirklich gut" sind, kann man schwer sagen, aber sie sind in jedem Falle nützlich. Die Band hat eine Marktlücke entdeckt, "Spex" würde wohl schreiben: "Ästhetik durch Funktionalität". Wir sagen: mehr als Musik - ÜberVater.

Auf dem 21 Tracks umfassenden Debütalbum der drei Endzwanziger gibt jedes Stück eine Anleitung zur aktiven Problemlösung für Junggesellen mit neuem, eigenen Nest. "Wir waren auch mal so wie ihr!" erklärt Beatprogrammierer Uli Fanfan. "Aber uns haben unsere Mamis noch Zettel geschrieben." In der Praxis stellen Band und Label sich das so vor: Ein Jugendlicher hat seine eigene Wohnung, erlebt ein neues Problem oder scheitert an der Hausarbeit - und die Band steht ihm bei seinen Sorgen hilfreich zur Seite. Das erspart dem Käufer der ÜberVater-CD peinliche Nachfragen und beschwingt ihn zugleich. "Leichter Leben mit..." heißt das Album, und die Titel der einzelnen Tracks zeigen bereits das Anliegen der Band an: "Bügel-Boy", "Omelette mit Babette" oder "Ich näh´, Du nich´".

Matze ist stolz darauf, alle Texte ohne inhaltliche Hilfestellung geschrieben zu haben. "Da sehen die Groupies gleich, daß man auch zu etwas taugt!" Tatsächlich hat sich der hünenhafte Frontmann in der Vollendung der gereimten Gebrauchsanweisungen selbst übertroffen. Das nötige Airplay werden die Jungs schon dank ihrer Refrains erhalten: "Willst du eine Schlaufe binden, mußt du erst die Öse finden" (aus: "Krawattabatta"), oder "Du mußt die Eier auch mit Sahne klonen, dann reicht´s schon mal für zwei Personen" (aus: "Omelette mit Babette"). Wie bei jeder vielversprechenden neuen Band gibt es auch bei ÜberVater die Durchbruchs-Single, die bereits vor dem Album ausgekoppelt wurde. Sie heißt "WishMop" und setzt sich mit ihrem melodiösen Chorus "Wischen, tunken, wringen, beim Bodenwaschen mußt du singen" sofort in den Gehörgängen fest. Der Song steht kurz vor dem Eintritt in die deutschen Top 100; wahrscheinlich bezahlen die Mütter der Nation ihren Sprößlingen den Kauf der Scheibe ganz gern, weil sie auf eine aktivere Teilnahme am Haushaltsgeschehen hoffen.

Wenn auch Sie mit einigen der Pflichten des Junggesellenlebens nicht zurechtkommen, können wir "Leichter Leben mit..." nur wärmstens empfehlen, auch wenn die Combo aus Wiesbaden musikalisch nicht gerade den Kreis quadriert. Doch dieses Album darf tatsächlich in keinem Männerhaushalt fehlen - es sei denn, es ist der von Alfred Biolek.


ALBUM-REVIEW

Endlich mal etwas Neues in der HipHop-Kantine. Nach all der kommerziellen Diätkost ideenloser Mitläufer hat sich ein Trio aus dem rhein-hessischen Black-Music-Niemandsland mit einer tollen Idee ins Studio begeben und ein ebenso tolles Album (produziert von DJ Koze, einem Ex-Mitglied der Band Fischmob) aufgenommen: 21 Tracks, die musikalisch zwischen entspanntem R´n´B und gut tanzbarem Electro liegen, aber vor allem praktische Lebenshilfe leisten. ÜberVater erklären einem, wie man Verstopfungen und Rohrbrüche bewältigt, wie man einen Knopf annäht - und lüften zudem das "Geheimnis der Hausfrau", wie die zweite Single betitelt sein wird. Schnelle Käufer können sich die Limited Edition mit erklärenden Illustrationen im Booklet sichern.
  

Benny Denes