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INHALTSVERZEICHNIS...










THE HARMONICS
I Know That Stuff

Belgien 2000

Label/Vertrieb:
EMI Belgien

Wertung:
øøøøø
 

 

 
 
 
 
 

Seit Jahrzehnten verhunzen Aufzugsmuzak-
Produzenten und Farfisa-Organisten hemmungslos die größten Hits der Rock- und Popmusik. Erst jetzt fand sich eine junge belgische Band, die sich für diese Kulturschande rächt.  Benny Denes besuchte für den EVOLVER die neue Hoffnung der Gitarrenmusik.
 
 

The Harmonics
Rock´n´Roll-Payback
 

Wer kennt diese Situation nicht aus mittelklassigen Eckrestaurants: Während das erste Bier langsam schal wird und man auf sein Essen wartet, dudelt im Hintergrund Begleitmusik, bestehend aus schwer zuordenbaren Melodien, die man aber mit Sicherheit schon einmal gehört hat. Ein Blasorchester, das "Wannabe" von den Spice Girls spielt, die noble Jazz-Variante von "Yesterday" oder die Folklore-Version eines ABBA-Stückes sind da zu vernehmen. Eine belgische Rockband hat nun an den bekanntesten Instrumentalstücken der neueren Musikgeschichte Rache genommen - und sie mit Gesang vertont.

Daß ich diese Jungs sympathisch finde, rührt schon daher, daß der EVOLVER mir für diesen Artikel eine Reise in eine meiner absoluten Lieblingsstädte, nach Brügge, bezahlt hat. Cees (voc.), Dennis (git.), Marc (bass) und Eric (drums) sind ganz erstaunt über unser Interesse an belgischer Musik. "Dies hier ist das Niemansland im Nirgendwo!" referiert Sänger Dees und meint damit seine Stadt. Damit übertreibt er allerdings, denn Belgien ist in den letzten Jahren durch Deus, K´S Choice und Zita Swoon zu einem wahren Brunnen talentierter Independent-Acts geworden. Die Harmonics wollen jedoch nicht in diese illustre Reihe aufgenommen werden, betont Gitarrist Dennis: "Das ist etwas ganz anderes - Musik, die deswegen erfolgreich ist, weil sie halt nicht nur die Studenten in Belgien kaufen, sondern alle europäischen Pullunderträger. Wir wollen richtig absahnen, ungefähr so wie die Bloodhound Gang!"

Markige Sprüche gehören zum Image der Band, die in dieser Formation zwar schon seit acht Jahren Musik macht, sich aber erst vor anderthalb Jahren den Namen The Harmonics gab. "Früher", mischt sich Cees wieder ins Gespräch ein, "da haben wir auch Pullundermucke gespielt. Mit hochphilosophischen Texten. Damit kann man nichts erreichen." Nun meldet sich Drummer Eric zu Wort: "So ist es. Ich habe in unserer Anfangszeit mal nach einem Konzert drei Stunden mit einem Groupie gequatscht. Die anderen waren schon längst besoffen. Dann habe ich sie gefragt, ob sie mit mir ficken will, und sie ist hochrot geworden und kopfschüttelnd fortgegangen. Das ist doch Crap!" "Du siehst aber auch Scheiße aus!" Damit hat Dennis das Lachen der gesamten Band auf seiner Seite.

Das neue Konzept, das Geld in die Taschen und Groupies in die Betten der vier Jungs aus Flandern bringen soll, ist so simpel, daß man sich wundert, daß noch keiner vor ihnen auf die Idee gekommen ist. The Harmonics sind eine Art Coverband, allerdings nicht im engen Sinne. Ihre Songs sind Rockversionen bekannter Instrumentals. Dabei übernimmt Cees mit seiner Stimme die bekannten Melodien, während der Rest der Band ein krachendes Fundament dafür schafft. Wenn man die Lieder gehört hat, denkt man "Popmusik" - aber solche, auf die man normalerweise drei Stunden vor dem Radio warten muß. Das Schlimme ist, daß man momentan noch wesentlich länger auf die Songs der Harmonics warten muß, denn in Deutschland und Österreich hat sich noch kein Verleger für ihr Debütalbum "I Know That Stuff" gefunden. In ihrer Heimat releaste die EMI den 13 Tracks umfassenden Longplayer bereits vor vier Monaten mit großem Erfolg, doch hierzulande scheint keiner der A&R-Manager an einem Act interessiert zu sein, für den jede Menge Tantiemen an die Originalautoren geleitet werden müssen.

Dem stillen Bassisten Marc ist das Problem nicht ganz klar: "Erstens ist es nur ein Zwölftel der Einnahmen, und zweitens bringen die Plattenfirmen ihre neuen Plastik-Acts doch fast immer mit Cover- oder Sample-Versionen an den Start. Wir bleiben uns treu." Und den großen Liedschreibern auch - da haben sich die Harmonics nämlich an wirklichen Koryphäen orientiert. Ennio Morricone, Brian Eno, Angelo Badalamenti und Dave Brubeck sind nur einige der auf dem Debütalbum interpretierten Instrumental-Stars. Erstaunlich ist dabei, daß man beim Hören des Albums nie das Gefühl hat, der Originalinterpret würde verhöhnt.

Leider können wir Sie diesmal nicht in den Plattenladen oder zum nächstbesten Internet-Mailorder schicken, denn das Debüt der Harmonics ist, wie bereits erwähnt, in unseren Längengraden nicht erhältlich. Aber auch wenn es etwas komplizierter sein sollte als gewöhnlich, an diese Scheibe zu kommen, sollten Sie die Mühe nicht scheuen, denn "I Know That Stuff" ist nicht nur sehr eingängig und rockt, sondern garantiert Ihnen auch interessierte Nachfragen ihrer Gäste auf der nächsten Party. (Bestelladresse siehe unten)
 


ALBUM-REVIEW

Da joggt der Hamster im Laufrad, wenn dieser von Jacques Verheyen produzierte Knaller im CD-Player rotiert. Die Harmonics aus Belgien präsentieren auf ihrem neuen Album 14 Cover-Versionen bekannter Instrumentalstücke. Dabei treffen wuchtige Gitarren à la Faith No More auf zuckersüßen Gesang, ähnlich dem von a-ha´s Morten Harket. Mit "Once Upon (A Time in the West)", "MacGyver-Track" und "Hardcore Vibes" sind den Belgiern gleich drei absolute Volltreffer gelungen, die an Eingängigkeit lange Zeit ihresgleichen suchen werden und in bester Gesellschaft auf diesem tollen Longplayer verweilen.

Bestellung: bensonman@gmx.de
  

Benny Denes