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Der unsichtbare Mann

In der Großstadt sterben bekanntlich viele alte Menschen einsam und werden oft erst nach Wochen entdeckt. Daß einem sowas auch passieren kann, wenn man ein verheirateter Mann in den besten Jahren ist, zeigt ein aktueller Fall aus Wien. Anni Bürkl hat recherchiert.

Vor wenigen Tagen wurde in Wien-Fünfhaus eine alte Matratze entdeckt, in der sich die verweste Leiche eines Mannes befand. Herr Alfons K., wohnhaft im Erdgeschoß des Hauses, wo die Matratze in der Nacht zum Montag heimlich abgeladen worden sein muß, fiel der verdächtige Gegenstand zum ersten Mal am Morgen des 24. September 2001 auf. Herr K. wandte sich an die Polizei, wo er den Rat erhielt, bei der MA 48 (der für Müllentsorgung zuständigen Magistratsabteilung) anzurufen, was der Mann auch tat. Während des Wartens fiel Herrn K. bereits ein unangenehmer Geruch auf, der von der Matratze zu kommen schien.

Die Müllmänner wunderten sich über das Gewicht, hievten die Matratze aber dennoch in ihren Wagen. Erst als sie sie am Mistplatz wieder abluden, vernahmen sie ein verdächtiges Geräusch. Bei näherem Hinsehen bemerkte Gernot L., einer der Müllmänner, daß auf einer Seite der Matratze der Stoff gerissen war - und eine menschliche Hand hervorschaute, die nur noch aus Haut und Knochen bestand.

Vorarbeiter Mirko D. verständigte umgehend die Polizei. Die Müllmänner wagten es nicht mehr, die Matratze anzurühren, sondern warteten auf das Eintreffen der Beamten und verkürzten sich die Wartezeit mit einigen Schnäpsen, die sie nach diesem Schock dringend notwendig hatten (wenngleich es laut einem Pressesprecher der MA 48 immer wieder vorkommt, daß Leichen oder Leichenteile im Müll landen).

Die Beamten der Spurensicherung schnitten den Stoff der Matratze an Ort und Stelle komplett auf. Vor ihnen lag der bereits weitgehend verweste Körper eines Mannes, der in einen ehemals blauen Pyjama gekleidet war. Die Identifikation fiel nicht schwer, da der Leichnam eine numerierte Marke mit seiner Blutgruppe und der Angabe, daß er Diabetiker sei, um den Hals trug. Mit Hilfe dieses Indizes konnten Name und Adresse schnell ausgeforscht werden: Josef P., 51 Jahre alt, wohnhaft Meislstraße 75.

Als die Beamten an dieser Adresse eintrafen, öffnete Frau Elisabeth P. (50) weinend die Tür. "Haben Sie meinen Pepi endlich gefunden - er ist ja schon wochenlang abgängig?!" rief die Frau aufgeregt. Leider konnten ihr die Polizisten nur eine schlechte Nachricht überbringen...