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MUSE
(IN THE EYES OF
JIMI TENOR)

Destination of Symmetry

GB/FIN 2002

Label/Vertrieb:
Motor/Universal

Wertung:
øøøø
 

Ein in der letzten Zeit etwas übermäßig genutzter Weg, auf sich aufmerksam zu machen, sind Kooperationen. Neben den üblichen Remixes, Gastauftritten und Samples aus bekannten Hits hat es sich eingebürgert, "Neuauflagen" aktueller Alben in Fremdinterpretationen auf den Markt zu werfen. Benny Denes stellt ein besonders gelungenes Beispiel für diese Strategie vor.

Muse (in the eyes of Jimi Tenor)
Destination of Symmetry

Den Ruf, eine schlechte Radiohead-Kopie zu sein, konnte die junge Band aus Wales mit ihrem aktuellen Album "Origin of Symmetry" erfolgreich bekämpfen: Muse haben mit dieser Platte die Reifeprüfung bestanden; insbesondere der Sänger und Multiinstrumentalist Matt(hew) Bellamy meldete Ansprüche auf den Titel des besten Songwriters der Insel an. Natürlich war der Erfolg des Albums, aber auch der Singles "New Born" oder "Bliss", Anlaß genug für die umtriebige Plattenfirma, nach neuen Wegen der Ertragssteigerung zu suchen.

Manchmal hat man als Mitteleuropäer einen Vorteil, wenn man mitten im November ein paar Biere in der "Atomic Bar" in Helsinki trinken geht. Vor allem, wenn man Musikjournalist ist und die Zeichen der Zeit zu deuten versteht. Am Tresen stehen nämlich Matthew Bellamy und Finnlands Avantgarde-Elektroniker Jimi Tenor bei zwei vor allem durch ihr kräftiges Blau bestechenden Cocktails. Aus der Ferne ist am angestrengten Gestikulieren der beiden musikalischen Multitalente zu erkennen, daß die gemeinsame sprachliche Grundlage - vermutlich Englisch - doch noch gewisse Lücken aufweist. Zwischen den beiden liegt ein DAT-Recorder, der beeindruckenderweise vier Kopfhörende mit Sound versorgt. So fingert Jimi Tenor mittendrin immer wieder am Switch-Rad des Kleingerätes herum, um ein zufriedenes Grinsen auf Bellamys Gesicht zu zaubern.

Das Tape, das Tenor dem walisischen Sänger vorspielte (und das auch der Autor dieser Zeilen dank seiner Bekanntschaft mit Vertretern der finnischen Pop-Szene hören durfte), enthielt Rohversionen von komplett neu interpretierten Songs des aktuellen Muse-Longplayers, zu denen Tenor schräge Beats und Noises beigesteuert hat. Teilweise operiert der Finne mit der hohem Stimme Bellamys, was gelegentlich etwas parodistisch wirkt. An anderen Stellen hat Tenor Muse ihr Pathos genommen und verkürzt die Hymnen der Band auf ein nüchternes Surrogat. Interessanterweise sind es weniger die Singles, die besonders zu gefallen wissen, als jene Album-Tracks, die sich in den hinteren Regionen befinden. Ebenfalls bemerkenswert ist der Umstand, daß Tenor aus Muse tatsächlich eine discokompatible Band gemacht hat: Einerseits hat er die grimmigen Gitarren etwas gezähmt, anderseits ihren Stadionrock-Drumsound geschmackvoll minimalisiert. Zusammen klingt das Ganze etwa wie eine Mischung aus The Notwist und Air.

Das Muse-(in the eyes of Jimi Tenor)-Album "Destination of Symmetry" wird wohl Anfang März 2002 in die Läden kommen und kann schon jetzt als ein Muß für alle Freunde der beteiligten Musiker, aber auch für jeden aufgeschlossenen Elektronik-Fan bezeichnet werden.