Kino_Dawn of the Dead

Die Toten laufen schnell

Stimmt schon, bei Remakes von Genre-Legenden ist Mißtrauen angebracht. Sieht man die neuen Kaufhaus-Zombies jedoch in Aktion, weicht dieses Gefühl schnell der Begeisterung.    15.04.2004

Wenn in der heilen Welt kein Platz mehr ist, spritzt wieder das Blut.

Scheint, als hätten die Jugendschützer und Bewahrer hehrer Familienwerte ihren Kampf verloren. Was sich schon bei der Neuversion von "Texas Chainsaw Massacre" ankündigte, wird beim Remake von "Dawn of the Dead" eindeutig: Blut und Beuschel sind heute mindestens so angesagt wie einst in den Achtzigern, bevor die diversen "Video Nasties"-Kampagnen losbrachen.

Doch das ist beileibe nicht der einzige Punkt, in dem "Dawn of the Dead" überzeugen kann. Der Film von Regieneuling Zack Snyder nimmt Zombie-Veteranen zudem noch die Angst vor Remakes. Anfangs sitzt man als Kenner des 1978er-Originals (das erstaunlich viele Angehörige der jüngeren Generationen tatsächlich noch nie gesehen haben...) zwar noch mit etwas Bauchweh im Kinosessel, aber dieses Gefühl weicht bald einem wohligen Nervenkitzel und verschwindet schließlich ganz, weil die alte Story so spannend, innovativ, witzig und nicht zuletzt boshaft inszeniert wurde.

Beginnen tut die Geschichte übrigens sehr rasant: Als Ana (Sarah Polley) eines Morgens in ihrem netten kleinen Einfamilienhaus in Everett, Wisconsin erwacht, steht das bleiche Nachbarskind in der Schlafzimmertür - und will Menschenfleisch. Anas Lebensgefährte geht drauf und verwandelt sich Sekunden nach seinem blutigen Tod ebenfalls in einen Zombie, der sofort wie Jack Nicholson in "Shining" hinter seiner Liebsten her ist.

Ach ja, die neuen Zombies sind im Gegensatz zu den fast liebenswert tölpelhaften Verwesenden des Romero-Originals äußerst aggressive Charaktere, die sich ihren Opfern gern im Laufschritt nähern, ähnlich wie die Virusbefallenen in "28 Days Later". Auch im "Dawn"-Remake dürfte übrigens ein Virus dafür verantwortlich sein, daß nicht nur Anas Suburb-Viertel, sondern die ganze Stadt sich binnen Stunden in ein Inferno verwandelt hat. Genau weiß natürlich niemand, was die Ursache für die Rückkehr der Toten ist, aber immerhin dienen die TV-Einblendungen zum Thema bestens dazu, gelungene Cameos von SFX-Wizard Tom Savini und Ken Foree (beide aus der Originalversion bekannt) einzubauen.

Ana zählt zu den wenigen, die der Katastrophe für ein Weilchen entkommen können. Mit ein paar anderen Überlebenden, denen sie auf der Flucht begegnet (darunter Ving Rhames - und wenn der auftaucht, wird´s bekanntlich immer cool), flüchtet sie in eine dieser hypermodernen Shopping-Malls. Dort haben sich zwar schon ein paar Redneck-Nachtwächter verschanzt, aber auch die lassen schließlich mit sich reden, und zwei von ihnen erweisen sich später beim Kampf gegen die Untoten sogar als ganz nützlich. Im Einkaufszentrum genießt das seltsame Häuflein (dem auch ein schwerkrank aussehender Matt "Max Headroom" Frewer angehört) zwar jeden Luxus, aber irgendwann werden die Nerven dünn, wenn draußen auf dem Parkplatz Hunderte Zombies drauf warten, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Also nimmt man sich vor, irgendwie durchzubrechen, den Jachthafen zu erreichen und auf eine einsame Insel zu flüchten...

Wenn man bedenkt, daß Drehbuchautor James Gunn vor "Dawn of the Dead" das Script zu "Scooby-Doo" verbrochen hat, überrascht die Qualität seiner Arbeit umso mehr. Was dem Remake an den sozialkritischen Elementen der Romero-Fassung fehlt, gleicht es durch gute Plot-Ideen, eine zwar etwas oberflächliche, aber durchaus brauchbare Charakterzeichnung, äußerst hinterfotzigen Humor (Merke: Im dahinrasenden Bus niemals mit der Kettensäge hantieren!) und vor allem fast pausenlose Action aus. Puristen werden zwar wieder auf die "MTV-Generation" hinhacken, aber Puristen gönnen sich ja auch sonst keinen Spaß. Alle anderen Freunde des Gore-Genres gehen dafür mindestens zweimal ins Kino und freuen sich jetzt schon auf die DVD-Version - und die Fortsetzung.

Peter Hiess

Dawn of the Dead

ØØØØØ


USA 2004

97 Min.

dt. Fassung und engl. OF

Regie: Zack Snyder

Darsteller: Sarah Polley, Ving Rhames, Jake Weber u. a.

Links:

Kommentare_

Print
Klaus Ferentschik - Ebenbild

Doppelgänger-Phantasie

In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 42

Du darfst ...

Gute Nachricht für alle Desorientierten und von Relikten der Vergangenheit Geplagten: Unser beliebter Motivationstrainer Peter Hiess zeigt Euch einen Ausweg. Und die erste Beratungseinheit ist noch dazu gratis!  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 41

Gleisträume

Will man sich in den Vororten verorten, dann braucht man auch die praktische Verkehrsverbindung. Der EVOLVER-Stadtkolumnist begrüßt den Herbst mit einer Fahrt ins Grüne - und stimmt dabei ein Lob der Vorortelinie an.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 40

Weana Madln 2.0

Treffen der Giganten: Der "Depeschen"-Kolumnist diskutiert mit dem legendären Dr. Trash die Wiener Weiblichkeit von heute. Und zwar bei einem Doppelliter Gin-Tonic ... weil man sowas nüchtern nicht aushält.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 39

Der Tag der Unruhe

Unser Kolumnist läßt sich von Fernando Pessoa inspirieren und stellt bei seinen Großstadtspaziergängen Beobachtungen an, die von ganz weit draußen kommen. Dort wirkt nämlich selbst das Weihnachtsfest noch richtig friedlich.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 38

Schneller! Schneller!

Wie man hört, trainieren US-Soldaten in Manövern für die Zombie-Apokalypse. In Wien scheint sie bereits ausgebrochen. Der EVOLVER-Experte für urbane Beobachtungen weiß auch, warum.