Kino_Film-Tips April 2016

Blühender Blödsinn

Ein verbotener Raum voll irrer Ideen, ein Egoshooter im Kino, ein Schachturnier als internationaler Großkonflikt, Goebbels als Liebhaber und ägyptische Götter im Action-Genre. Der April macht wirklich, was er will. Auch im Kino.    01.04.2016

EVOLVER-Redaktion

The Forbidden Room

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Filmstart: 1. 4. 2016

 

Unvorbereitet sollte man in diesen Film nicht hineinplatzen - aber wer mit den surrealen Stummfilm-Hommagen des Kanadiers Guy Maddin ("Tales from the Gimli Hospital", "Lawinen über Tölzbad") vertraut ist, wird vor Begeisterung quietschen. "The Forbidden Room" ist Maddins Opus magnum, eine zweistündige Kaskade aus ineinander verschachtelten Episoden, als veritable Großproduktion aufwendig in Szene gesetzt wie noch kein Guy-Maddin-Film zuvor und mit Promis von Geraldine Chaplin bis Charlotte Rampling, von Mathieu Almaric bis Udo Kier geradezu starbesetzt.

Nacherzählen läßt sich das Ganze kaum. Immerhin beginnt alles in einem dem Untergang geweihten U-Boot (der titelgebende "Forbidden Room" ist dessen Kommandozentrale), in dem plötzlich ein bärtiger Holzfäller auftaucht, der über eine Befreiungsaktion zu erzählen beginnt. Die kreist um eine schöne Gefangene, die von ominösen "Roten Wölfen" bewacht wird. Träume, Radiosendungen und ein Song über die Anziehungskraft massiver Ärsche (!) unterbrechen auch diese Binnenhandlung wieder, und so geht es nach Art eines zitaten- und anspielungsreichen Trivial- und Trash-Trips weiter, bis sich die Fäden zuletzt allmählich wieder zu entwirren scheinen. Inszeniert ist das alles (trotz Co-Regie mit Evan Johnson) im typischen Maddin-Stil, also als quecksilbrig montierter Neo-Stummfilm mit zahllosen, graphisch an diese Ära anknüpfenden Zwischentiteln, voll bewußt "verregneten" Bildern in Farben, die an das selige Zwei-Farben-Technicolor-System erinnern, und zu einer kunstvoll verrauschten Tonkulisse aus Dialogfetzen und undefinierbaren Klick- und Schmatzgeräuschen. Wen es schon immer nach "Holstein-Schleswig" gezogen hat, wer wissen will, was es mit "Baron Pappenheim" auf sich hat und wie sich Zwischentitel wie "Träumt, Barthaare, träumt!" in eine, nun ja, Handlung integrieren lassen, liegt hier goldrichtig. Und eine Anleitung fürs korrekte Wannenbaden gibt´s gratis dazu. Angeblich ist die EVOLVER-Leserschaft ja Schrägem gegenüber überaus empfänglich - also, Leute, stürmt das (Gartenbau-)Kino!  (HL)  

 

 

Hardcore Henry

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Filmstart: 14. 4. 2016

 

Endlich ist man auch einmal als Zuschauer mittendrin im Geschehen: "Hardcore Henry" (oder nur "Hardcore") hält zum einen, was der Titel verspricht und liefert fast pausenlos irre Action; zum anderen aber ist der russisch-amerikanische Streifen kameratechnisch an die klassischen Egoshooter angelehnt, die praktisch jeder anständige Computerspieler zu schätzen weiß. Das Gute daran ist, daß es sich NICHT um die Verfilmung eines existierenden Games handelt, weil die bisher eh meist in die Hose gegangen sind ...

"Hardcore" zeigt seine Handlung aus der First-Person-Perspektive; das heißt, man sieht den ganzen Film aus dem Blickwinkel des Helden (das waren ja auch in "Doom" die einzigen Szenen, die wirklich gut funktioniert haben). Besagter Henry wird in einem Science-Fiction-Moskau schwer verletzt und danach von den üblichen mad scientists in eine Cyber-Kampfmaschine umfunktioniert, gegen die der alte Robocop keine Chance hätte. Da die Bösen auch Henrys Frau entführt haben, macht sich Henry auf die Jagd nach dem Gesindel, das sich großteils aus ebenfalls biotechnisch verstärkten Supersöldnern zusammensetzt. Kugeln fliegen, ein mieser Plan zur Weltbeherrschung wird vereitelt, und in der russischen Hauptstadt ist Henry nicht nur ein an Amnesie leidender Fremdling, sondern hat dort auch nur Feinde. Abgesehen vom britischen Expat Jimmy (Fan-Favorit Sharlto Copley), der sich mit ihm in die Schlacht stürzt und als witziger - und noch dazu scheinbar nicht umzubringender - Sidekick fungiert.

Regisseur Ilja Naishuller demonstrierte in seinen zwei Kurzvideos "The Stampede" und "Bad Motherfucker", wie gut er die GoPro-Kamera beherrscht. Sein erster Langfilm "Hardcore Henry" ist plotmäßig zwar genialer Unfug, bei dem einen als Zuseher schwindlig werden kann, wird Freunden des Egoshooter-Genres und Action-Aficionados aber garantiert gefallen.  (ph)

 

 

Die Geliebte des Teufels

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Filmstart: 15. 4. 2016

 

Wer sich wieder einmal kräftig für andere Leute genieren möchte, darf diesen tschechisch-slowakischen Historien-Murks nicht verpassen. Die von Hitler beendete Liebschaft des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels mit der Schauspielerin Lida Baarová mag unter besseren Auspizien eine Vorlage für die Korrumpierbarkeit durch Macht abgeben; hier sorgt sie nur für (unfreiwillige) Lachstürme. Ein Beispiel muß genügen: Goebbels und die Baarová haben zum ersten Mal Sex miteinander. Großaufnahme auf die im Rhythmus mitwippende Beinschiene des "hinkenden Teufels", dazu Wagners "Liebestod" und an der Zimmerwand Porträts, die via Computermorphing  ins Gatschige verrinnen. Ein Peter Faerber mimt den bizarrsten Hitler, den es je auf einer Filmleinwand zu sehen gab, Gedeon Burkhard soll UFA-Star Gustav Fröhlich sein, und wie sich Karl Markovics (als Goebbels) in diese Produktion verirrt hat, ist ihm vermutlich selbst ein Rätsel. Dazu steril leergeräumte Dekorationen, durch die ab und zu ein blankgeputzter Oldtimer gleitet, Dialoge wie aus dem Dreigroschenheft (nichts gegen Dreigroschenhefte!) und eine Hauptdarstellerin, deren Namen zu nennen die Höflichkeit verbietet. Vielleicht harrt hier eine Trash-Perle der Wiederentdeckung als Kultfilm - aber bitte erst in, sagen wir, 20 Jahren!  (HL)     

 

 

Gods of Egypt

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Filmstart: 21. 4. 2016

 

Der Wahnsinn geht weiter: Auf der Suche nach immer neuen - oder auch uralten, mythischen - Superhelden macht sich Regisseur Alex Proyas auf den Weg ins alte Ägypten. Aber nicht das Reich, das wir aus dem Museum und den Hieroglyphen kennen, sondern ein in einer Parallelwelt liegendes. Dort ist die Erde flach (ist sie nicht?), und die Götter wandeln auf Erden. Da sich aber Götter noch nie mit einfachem Wandeln zufriedengegeben haben, findet sich auch hier Stoff für Fantasy-Action und die nach bekannten Drehbuchmustern gebastelten Konflikte. Soll heißen: Der lebendige Gott Set (böse, Gott der Dunkelheit, Gerald Butler), massakriert seinen Bruder Osiris und besteigt an seiner statt den Thron. Das Reich droht in Chaos und Brutalität zu versinken, zusammen mit der ganzen Menschheit, eh klar, und nur ein einfacher Dieb, der seine Liebste aus dem Totenreich zurückholen will, kann die Welt noch retten. Zusammen mit dem Gott Horus (Nikolaj Coster-Waldau, "Game of Thrones"-Fans bestens bekannt), reist er ins Jenseits und ins ägyptische Pantheon und ... naja, eben wie immer. Die Hollywood-Scriptschule duldet ja in solchen Dingen keine Abweichung. Anderseits hat sich Proyas mit "The Crow" und "Dark City" visuell sehr verdient gemacht und holt in dieser Hinsicht auch hier den Karren aus dem Nilschlamm ... so halbwegs.  (ph)

 

 

Bauernopfer

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Filmstart: 29. 4. 2016

 

Wenn man (unglücklicherweise) alt genug ist, sich an die Medienberichte über den Kalten Krieg in der Schachwelt noch selbst zu erinnern, und wenn einem dieses "Ereignis" damals schon relativ egal war, dann wird einen wohl auch dieser Film nicht besonders interessieren. Wer allerdings gut gemachtes Thriller-Handwerk à la Hollywood in den 2010er Jahren zu schätzen weiß und herausfinden will, wie sich ausgerechnet Schach in diesem Genre macht, sollte "Bauernopfer" vielleicht doch nicht verpassen. Schließlich spiegelt der Streifen des routinierten Regisseurs Edward Zwick ("Last Samurai", "Ausnahmezustand" etc.) eine noch nicht allzulange vergangene Zeit wider, in der praktisch alles - von Wirtschaft und Rüstung bis hin zu Sport und eben Brettspielen - dem permanenten Wettkampf zwischen dem sogenannten freien Westen und dem bösen Ostblock zu dienen hatte.

Es war einmal Bobby Fischer, ein amerikanischer Meisterschachist, der von vielen Experten als das größte Genie des "Spiels der Könige" (so lautet übrigens auch der Untertitel des Films) überhaupt bezeichnet wurde. Und Bobby (gespielt von Tobey "Auch ich war einmall Spider-Man" Maguire) schwebt natürlich von klein auf an der Grenze zum Wahnsinn, wie das bei Genies so üblich ist. Anfang der 70er Jahre beschließt der schwer paranoide Exzentriker, die russischen Schachmeister eigenhändig kurz und klein zu spielen; 1972 – also in einer Zeit, als Menschen noch besser spielten als Computer - tritt er daher gegen den damaligen Weltmeister Boris Spasski (Liev Schreiber) an und holt sich den Titel.

Das Bio-Thriller-Pic "Bauernopfer" zeigt, wie Fischer zu dem wurde, was er war, wie er das Entscheidungsmatch fast platzen hätte lassen, wie Geheimdienste, Regierungen und Medien den Kampf Ost gegen West für ihre wie immer widerlichen Zwecke nutzen. Seine Spannung bezieht der Streifen aus diesem künstlich aufgeblasenen Konflikt, dem Verfolgungswahn Bobbys und der Tatsache, daß der neue Schach-WM-Sieger danach Opfer seiner eigenen psychischen Zustände wurde. Wer hätte gedacht, daß Schach nicht schwach ist?  (ph)

 

 

 

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