Kino_Hot Fuzz

Bring the Noise!

Schlappe Bullen beißen nicht: In seinem neuen Geniestreich schickt das "Shaun Of The Dead"-Team die britische Sozialkomödie durch schweres Action-Sperrfeuer. Das Ergebnis ist so grotesk gewitzt und testosterongetrieben unterhaltsam, daß man sich fragen muß, ob "Bad Boy" Bruckheimer in Hollywood schon leise vor sich hinweint.
   19.06.2007

Gibt es sowas wie zu perfekten Humor? Also Humor, der die Spaßsynapsen so subtil streichelt, daß die das eventuell gar nicht gleich mitbekommen? Wenn ja, dann ist das der einzige Vorwurf, den man der britischen Cop-Comedy "Hot Fuzz" machen kann. Aber was heißt hier überhaupt Vorwurf? Sollte man in Zeiten, in denen Komödien oft nur noch mit dem Vorsatz gemacht werden, daß sie auch ja "zum Schreien komisch" (also selbst für humoristisch noch so tiefgelegte Kinoplexxx-Gänger auf den ersten Blick verständlich) sein sollen, nicht sogar froh sein über echtes komödiantisches Gespür?

Davon findet man in "Hot Fuzz" trotz des reißerisch blöden deutschen Untertitels "Zwei abgewichste Profis" (der österreichische ist mit "Zwei Bad Boys räumen auf" auch nicht wirklich besser) jedenfalls mehr als reichlich. Das soll nicht heißen, daß es in der zweiten Kinozusammenarbeit des Trio infernal Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost nicht gelegentlich auch gehörig grobhumorig und klamaukig zugeht. Doch wie schon in der ebenfalls mit jedem Sehen besser werdenden RomZomCom "Shaun Of The Dead" finden auch hier in einer absolut austarierten Anordnung Slapstick-hafter Körperhumor und fein ziselierter, nicht immer gleich entschlüsselbarer Sprachwitz (der freilich nur in der Originalfassung funktioniert) aufs Amüsanteste zusammen. Seit Peter Sellers, spätestens aber seit Monty Python weiß man: Darin sind die Briten unangefochtene Weltspitze.

 

Die Geschichte rund um einen Großstadt-Polizisten (Pegg, entgegen der Gepflogenheiten hier einmal der harte Hund), der schlichtweg so gut ist, daß er von seinen eifersüchtigen Londoner Kollegen auf einen Versorgungsposten im friedlichen Kaff Sandford weggelobt wird, nur um dort gemeinsam mit dem liebenswert-tölpeligen Cop-Sohn (Frost) des Polizeichefs doch noch eine mysteriöse Serie von (in bester Splatter-Manier umgesetzten) Unfällen als Mordkomplott von - beinahe - "Wicker Man"-Kaliber zu enttarnen, wird aber erst durch einen brillanten Kniff zu etwas wirklich Besonderem: Wright schließt hier die betont schwarzhumorigen Usancen der jüngeren britischen Kleinstadt-Sozialkomödie vom Schlage "Grasgeflüster" oder "Kalender Girls" mit den Ausschweifungen des prototypischen US-Blockbuster-Actionkinos - speziell der Buddy-Movies à la "Lethal Weapon" oder "Miami Vice" - kurz.

Wie schon bei "Shaun Of The Dead" (und dessen Annäherung an den Horrorfilm) geschieht dies aber nicht in Form der Persiflage - wie das derzeit in jeder sogenannten Filmkritik behauptet wird -, sondern in der der liebevollen Hommage. Man muß sich nur ansehen, mit welcher Inbrunst der von Frost gespielte dickliche Provinzpolizist die einschlägigen Referenzfilme (allen voran Kathryn Bigelows oft verkannten Meilenstein "Point Break - Gefährliche Brandung", aber auch, ähm, "Bad Boys 2") studiert, um darin auch den Enthusiasmus Wrights wiedergespiegelt zu bekommen.

 

Der zeigt sich dann auch, wenn nach dem über eineinhalb Stunden aufgebauten Setup im Bruckheimeresken Finale mit Bomben und Granaten schließlich doch noch alle Dämme brechen. Wenn die beiden britischen Bad Boys haargenau so wie in den oben zitierten Filmen mit je einer Waffe in beiden Händen synchron ballernd durch die Luft segeln ("Bad Boys 2") oder verzweifelt schreiend in die Luft feuern ("Point Break") und dabei auch noch die genretypischen One-liner vom Stapel lassen (bzw. drauf vergessen), dann ist all die Diskussion um den eventuell zu hintersinnigen Humor rein hypothetisch.

Schöner die Mündungsfeuer nie leuchteten! Und offener die Münder nie standen ob der Souveränität, mit der Wright und seine Spaßgenossen hier Genrekino der Extraklasse abgeliefert und dessen Grenzen zugleich so weit ausgelotet haben, daß dabei etwas genuin Neues und vor allem richtig Grandioses entstanden ist. Wenn das so weitergeht, kann Bruckheimer wirklich bald die Umzugskartons packen. Oder um es mit Frosts Cop zu sagen: "Bring the Noise!"

 

P.S.: Wer wirklich keine Möglichkeit haben sollte, sich den Film in der Originalfassung anzusehen, sollte unbedingt die synchronisierte Version meiden und sich gleich die soeben erschienene britische DVD besorgen - nicht zuletzt wegen der erstklassigen Extras. Besonders den schier unfaßbaren Audiokommentar von echten Kleinstadtpolizisten muß man einfach gehört haben.

Christoph Prenner

Hot Fuzz

ØØØØ 1/2


GB 2007

121 Min.

Regie: Edgar Wright

Darsteller: Simon Pegg, Nick Frost, Jim Broadbent u. a.

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