Kino_Only Lovers Left Alive

Jims coole Blutsauger

Tilda Swinton und Tom Hiddleston geben in Jim Jarmuschs Genrebeitrag ein außergewöhnliches Vampir-Duo mit Hang zu Coolness, Schwermut und Musik.    23.12.2013

Adam und Eve sind schon so lange auf der Welt, daß die Geschichte vom Garten Eden von ihnen handeln könnte. Gott hätte in diesem Szenario aber nicht zwei Menschen, sondern zwei Vampire erschaffen. Die Protagonisten in Jim Jarmuschs neuestem Streifen "Only Lovers Left Alive" sind nämlich jahrhundertealt, trinken Blut, schlafen bei Tag, vertragen kein Licht, haben zugespitzte Eckzähne und blasse Haut. Die Sache mit dem Knoblauch ist zwar eine Mär, ein Holzpflock im Herzen kann sie aber wirklich töten.

Im 21. Jahrhundert haben sie sich den Gegebenheiten angepaßt. Auch Vampire gehen mit der Zeit: Menschen töten, um an ihr Blut zu gelangen, gehört nicht mehr zum guten Ton. Abgesehen von ihren Ernährungsvorlieben scheint sie vom Menschen nicht recht viel zu unterscheiden. Bei langen Flugreisen wird ihnen unwohl (wenn auch aus anderen Gründen), sie müssen sich mit der Familie herumschlagen, Probleme lösen, wollen glücklich sein und manchmal einfach nur ausschlafen. Der ganz normale Alltag eben - gelebt seit Jahrhunderten.

 

Als nun Adam (Thors herrlich böser Bruder Loki, Tom Hiddleston) wieder einmal eine depressive Verstimmung hat, beschließt seine Geliebte Eve (die sagenhafte Tilda Swinton), ihn zu besuchen. In der verlassenen Stadt Detroit machen es sich die beiden in Adams Haus, zwischen Gitarren, Geigen, alten Photographien und allerlei antikem Krimskrams gemütlich. Sie spielen Schach und machen Musik, schwelgen in Erinnerungen und genießen zwischendurch ein gutes Tröpfchen Blut.

Bedächtig, schwermütig, psychedelisch und mit viel Gespür für Ästhetik porträtiert Jim Jarmusch das Paar und kreiert - wie könnte es auch anders sein - ein kultiges Stück Kino. Tilda Swintons Frisur erinnert latent an die Aufmachung der Zwillinge im ersten "Matrix"-Sequel. Hiddleston wirkt mit langen Haaren sowieso am authentischsten. Die traurigen Augen, die sich hinter dunklen Sonnenbrillen verbergen, die Lederhandschuhe, die lässige Haltung - Adam und Eve sind cool, schön und so wunderbar filmisch wie schon lange kein Kino-Paar mehr.

Jarmusch porträtiert aber mehr als eine Liebe, er zeigt das (pop-)kulturelle Bild einer Gesellschaft im Wandel der Zeit. Kritik übt er nicht (nur) an der Gegenwart, vielmehr sorgt er für ein Augenzwinkern, wenn er große Namen der Menschheitsgeschichte - wie William Shakespeare - in Frage stellt. Kulturpessimistisch ist er allerdings nicht. Im Gegenteil. Adam und Eve sind belesen, begabt, kritisch und intelligent. Ihre Freude an Kunst, Kultur und den Mysterien der Welt ist ansteckend.

 

Jarmuschs Stärke liegt in seiner gekonnten Darstellung von Trivialität. Auf visueller wie dialogischer Ebene arbeitet er mit einem sicheren Gespür für kleine Details und filmische Ästhetik. Wo andere Regisseure Langeweile oder Leere auslösen, hat er seine besten und authentischsten Momente. Das zeigt er auch in "Only Lovers Left Alive", wenngleich er hier den einen oder anderen Dialog - in übertriebener Mühe um Scharfsinn - verpatzt hat. Doch so kleine Unzulänglichkeiten macht er schnell wieder wett, mit herrlichem Humor, kultigen Szenen und atmosphärischer Musik.

Das Highlight sind aber zweifellos Adam und Eve, ihre privaten Gespräche, ihre Zweisamkeit. Sie passen ausgezeichnet zusammen, begeistern sich für die schönen Dinge des Lebens und lieben einander seit Jahrhunderten. Sie sind sympathisch, wortgewandt, außergewöhnlich, einfach umwerfend. Jarmusch kreiert eines der schönsten Paare seit Anbeginn des Films und die ansprechendsten Vampire der - zumindest jüngeren - Kinogeschichte.

Jim Jarmusch muß man mögen: die reduzierte Geschwindigkeit seiner Filme, die langsamen Szenen, die ruhigen, nur scheinbar leeren Momente, der Sinn fürs Detail, die simplen Plots. All dies mag nicht jedermanns Sache sein. Wer es aber mag, wird diesen Film herrlich finden. Er gehört zu seinen besten.

 

Christa Minkin

Only Lovers Left Alive

ØØØØ 1/2

Leserbewertung: (bewerten)

D/F/GB/USA/Zypern 2013

122 Min.

Regie: Jim Jarmusch

Darsteller: Tilda Swinton, Tom Hiddleston, Mia Wasikowska, John Hurt u. a.

Kinostart: 25. Dezember

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