Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Schnellhinschauer
Dr. Trash empfiehlt: Vertrauen Sie dem gesunden Menschenverstand und studieren Sie beim Buchkauf zuallererst Klappentexte und Autorenphotos. Meistens verraten einem die sowieso schon alles, was man über den Verfasser (und die -in) wissen muß. Und von Leuten, mit denen man schon im wirklichen Leben nichts zu tun haben möchte, sollte man auch keine Bücher lesen.
08.06.2016
Manche Leute behaupten ja hartnäckig, daß der Doc viel zuviel nachdenkt. Über alles. Daß er immer nach Hintergründen forscht, das geschriebene Wort nicht für bare Münze nimmt und keine Gelegenheit ausläßt, die professionelle Produktion von Unfug bloßzustellen.
Mag sein. Ich werde darüber nachdenken ...
Fest steht jedenfalls, daß all die Geistesaktivität ganz schön anstrengend ist. Oft tut einem das Hirn weh, und das Gemüt wird schwer und schwerer. Daher übt sich auch der gute Doktor gelegentlich in Oberflächlichkeit. Schnell schauen, kurz wo reinlesen, nur ein paar Worte hören - und schon weiß man aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung, womit und mit wem man es zu tun hat.
Zu diesem Behufe braucht er nur eine Buchhandlung (das sind die Geschäfte, wo A. Bücher noch gedruckt und nicht gleich übers Internetz zu erwerben sind und B. weder Handys noch Kebabs feilgeboten werden) zu betreten und sich die Neuerscheinungen anzusehen. Nicht auf Inhalte, bewahre, das wäre viel zu tiefgründig! Stattdessen schaut sich der Privatgelehrte Ihres Vertrauens Autoren- und -innenphotos an, vorne oder hinten auf Klappentexten, manchmal auch auf dem Rückumschlag oder in einer Buchvorschau, wo solcherlei Abbildungen gehäuft auftreten. Und dann tritt die hochkonzentrierte Menschenkenntnis auf den Plan.
Man starrt angewidert auf Visagen, denen man ansieht, daß sie ein Lebtag nicht ihren Elfenbeinturm verlassen und einen Augenblick lang anständig gearbeitet haben - aber einem erklären wollen, wie die Welt geht. Man schreckt vor arroganten Feuilletonistenfratzen zurück, die ihr penetrant staatstragendes Gefasel als Brosamen über dem gemeinem Volk ausstreuen wollen; dabei können sie sich nicht einmal rasieren oder einen Herrenschneider aufsuchen. Man gruselt sich vor den von Alkohol, Dummheit und Subventionsexistenz gezeichneten Kabarettistengesichtern, die nur bei Enthirnten einen Lachreflex hervorrufen. Man fragt sich, warum man über das Innen- und Familienleben zutiefst unsympathischer Kreaturen lesen soll, die schon in der Schulzeit zu Recht täglich abgewatscht wurden. Man hegt spontanes Mißtrauen gegen plumpe Hausfrauen, die nach den Wechseljahren ihre banalen Sadomaso-Phantasien auf Papier erbrochen haben, auf daß die Welt noch ein Stück blöder werde. Und man freut sich über die ganz wenigen gutgestylten, sympathischen Ausnahmen, von denen man sich auch privat ganz gern was vorlesen ließe.
Nach einem solchen Ausflug ins Horrorkabinett lehnt sich der Doc dann beruhigt zurück, weil er weiß, daß er wieder viel Zeit und Geld gespart hat. Und daß Gott die meisten Menschen mit genau den Physiognomien ausstattet, die sie verdient haben.
Dr. Trash
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