Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 68

Hugh Laurie & Band From TV: "Mustang Sally"

Daß das Klavier von Hugh Laurie alias Dr. House nicht einfach nur Staffage ist, wissen wir längst. Wie gut der Brite aber wirklich klimpern kann, offenbart sich leider viel zu selten, findet Manfred Prescher.    20.07.2009

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Schuster, bleib bei deinem Leisten. Diese Weisheit aus längst vergangenen Handwerkszeiten gilt zweifelsfrei auch für die meisten Serienstars, die wir so lieben. Nehmen wir Patrick Macnee, der anno ´64 einen eher putzig-skurrilen Gesangsversuch wagte und mit Miss "Pussy Galore" Blackman den Song "Kinky Boots" aufnahm. Weil diese Grenzüberschreitung in aller Regel zu stimmlichem Herumirren in fremden Gefilden führt, ist es schön, daß James Gandolfini, besser bekannt als Tony Soprano, sich nicht zu einer CD hinreißen ließ. Er und seine Mafiasippe betören dafür mit einem fundiert guten Musikgeschmack.

Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Oder um es noch mal mit einer alten Weisheit zu sagen: Es ist doch manches Gold, was glänzt, oder auch: Manch spektakulärer Zusammenbruch des Immunsystems entpuppt sich eben doch als Lupus. Insofern ist der in Oxford geborene Schauspieler und Komödiant Hugh Laurie ein Sonderfall - der Typ kann einfach alles. Der Sohn eines Olympiasiegers war ein erfolgreicher Ruderer, schreibt passable bis witzige Bücher ("Bockmist", "Der Waffenhändler") und spielt so gut Klavier, daß er sogar in der Stax-Hauskombo Booker T. & The MG´s den großen Booker T. Jones ersetzen hätte können. Das hört man ganz deutlich bei der Interpretation des Soul-Klassikers "Mustang Sally", vor allem im Vergleich mit der Originalaufnahme mit Wilson Pickett. Die übrigen TV-Stars, die sich an der Nummer gütlich tun, fallen da deutlich ab. Es fehlen halt der Groove und das Orkan-Oorgan von Großmeister Wilson. Aber Laurie spielt einfach göttlich, er hat den Blues in der Tonleiter und ein Gespür für Funk-Loops.

Schade ist nur, daß wir die besten Pianopassagen des hochmusikalischen Schauspielers ausgerechnet im Fernsehen und eben nicht als Audiofile geliefert bekommen. Die CD, die der House-Mann mit anderen Serienstars aufnahm, ist nämlich ein reines Hobbyprojekt. Was Laurie drauf hat, beweist er besonders genial in der Folge "Heiligt der Zweck jedes Mittel?" Darin nimmt sich Dr. House des 35jährigen Patrick Obyedkov an, der in der Kindheit einen Unfall hatte und seitdem geistig behindert ist. Allerdings ist er ein außergewöhnlicher Pianist - ein Plot, der freilich auch der natürlichen Begabung und der musischen Bildung des Mannes, der den House gibt, entgegenkommt. Einfach klasse, wie er das berühmte Intro zu Bob Geldofs "I Don´t Like Mondays" oder die ersten Takte von Scott Joplins Klassiker "The Entertainer" aus den Tasten fließen läßt. Auch wenn das nur Fingerübungen sind, so zeigen sie doch Lauries Gespür für den Anschlag, für Tempo und für Melodien. Er könnte auch Brubecks "Take 5" oder Tristanos "Requiem" geben - was er, so wird kolportiert, auch schon gemacht haben soll.

 

Nicht, daß ihr mich falsch versteht: Laurie soll auf ewig den Dr. House spielen und aus dieser anspruchsvollen One-Man-Show nie mehr herauskommen. Schließlich lieben wir ihn, weil er zerknitterter aussehen kann als Columbo, als Drogenwrack authentischer rüberkommt als so mancher längst von uns gegangene Rockstar und ekliger ist als Ekel Alfred Tetzlaff. Und weil er auch die feinen exzellenten Dialoge mit feinen Gesten und Nachdruck pointiert. Nachzulesen sind die Highlights in der "House-Apotheke", dem famosen Nachschlagewerk von Michael Reufsteck und Jochen Stöckle. Nehmen wir nur mal eine typische Zwiesprache mit der Klinikchefin Dr. Cuddy (hier aus der Episode "Zwangsarbeit"):

 

Cuddy: Was haben Sie ihm gespritzt?

House: Muskelblocker.

Cuddy: Wozu denn das?

House: Damit das Gebrüll aufhört.

Cuddy: Er leidet also immer noch?

House: Ja, aber leiser.

 

Sehr schön, sehr unkorrekt und sehr fein gespielt. Der Mann ist Monty Python, Monk und Shakespeare-Darsteller in Personalunion (wobei "Monk" sowohl den TV-Privatdetektiv als auch den Jazzpianisten meint). Wie gut die Sprache in Gestik und Mimik eingebettet ist, belegt der letzte Satz einer nächtlichen Begegnung mit Dr. Cuddy. Schließlich nutzt House in der Szene eine Umarmung schamlos aus und faßt seiner Chefin an den Hintern: "Eine kleine Berührung für einen Menschen. Aber ein Riesenhintern für die Menschheit." In dieser Situation fehlt eigentlich nur noch, daß Hugh Laurie am Klavier "Hallelujah I Love Her So" von Ray Charles intoniert ...

In einer Woche wird es hier um ein modernes Dance-Projekt der besonderen Art gehen: Major Lazer und seinen Track "Hold The Line". Also einfach in der Online-Leitung bleiben, der nächste Montag kommt bestimmt.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Band From TV - Hoggin All The Covers

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Generosity Records/Import

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Kommentare_

ILU1959 - 20.07.2009 : 09.28
Waffenhändler und Bockmist sind das gleiche Buch, nur ist Bockmist die Neuauflage.
Wer Hugh Laurie am Klavier liebt, sollte auf youtube mal gezielt nach "Jeeves & Wooster" oder "A bit of Fryand Laurie" suchen. Hat man sich erst MAl an den Anblick von Hugh LAurie im Original gewöhnt, sind diese Clips eine wahre Fundgrube seines Talents.
Manfred Prescher - 31.07.2009 : 15.52
Du hast recht, was die beiden Bücher angeht - und hoffe, Du kannst den Fehler verzeihen. Ein besonderer Dank gilt Deinen Tipps, wirklich große Klasse. Und: Bockmist ist doch ein nettes Buch, da schreibt manch Hauptberufsschriftsteller schlechter.

liebe Grüße
Manfred

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