Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #5

Simplifiziere dein Leben!

Dinge, die man nicht braucht, schmeißt man einfach weg. Mit Kolumnen, die keiner braucht, ist das nicht ganz so einfach: Wie alte Liebesbriefe liest man den Mist vorher nochmal durch. Lohnt sich das?    23.04.2009

Die Antwort lautet: nein. Ich muß es wissen, ich habe es gerade getan. Als Vorrede sei noch erklärt, wieso. Ihr geliebter Kolumnist weilte unlängst für einen längeren Job in einer fernen Metropole und plante, eventuell ganz in dieses sündige Babylon aus Beton umzusiedeln. So ein Umzug ist, wie jeder weiß, der zu viele Bücher, CD und DVDs angeschafft hat, ein gar grausiges Unterfangen. Mindestens ebenso grausig wie die Wörter "CDs" oder "DVDs", denn das sind und bleiben für mich Platten und Videos, basta, aber egal, denn wie Bücher haben sie die unangenehme Eigenschaft, nur im Regal herumzustehen und Staub anzuziehen oder sich in Umzugskartons besonders schwer zu machen und ansonsten nie da zu sein, wenn man sie sucht.

Also weg damit! Bei Platten und Videos ist es einfach: Man nimmt die Scheiben aus ihren Hüllen, haut die Hüllen in den Müll und rammt die Medien in eigens dafür vorgesehene Hüllenmappen mit Aufnahmevolumina zwischen 10 und 120 Platten oder Videos. Das Ergebnis: Früher hatte ich viele Kubikmeter CDs und DVDs, heute nur noch wenige Kubikmeter dicker, unansehnlicher 120er-Megahüllen-Monster. Tarkowski & Co. bleiben natürlich draußen, im Schuber, fürs Posing. Alles andere steckt in den Mappen und keiner sieht mehr, was ich für Schrott gucke. (Ich habe mehr als 120 Science-Fiction-Filme, mußte ich dabei feststellen und erwäge daher eine Therapie.)

Beachten Sie nun bitte den Deppen-Apostroph bei CD´s und DVD´s, den ich jetzt nur verwendet habe, um die Besserwisser im Publikum zu motivieren. Ein guter Kolumnist spaltet: Haare, wenn es um Details geht; Atome, um Godzilla anzulocken; und Holz, damit es in den Kamin paßt. In den gehören auch die vielen Bücher, die man nach dem Lesen am besten gleich wegschmeißt. Ist natürlich nicht ganz so einfach, wenn man das verwichene Vierteljahrhundert damit verbracht hat, Amazon und den Buchladen um die Ecke leerzushoppen. Dann hat man nämlich so viel von dem Buchzeugs rumstehen, daß es gar nicht in den Kamin passen mag. Und denen, die den hier propagierten neuen Anfängen der Bücherverbrennung schon jetzt wehren wollen, schleudere ich entgegen: "In der Papiertonne ist kein Platz mehr!"

Gehören Bücher in die Papiertonne oder verbrannt? Ich sage: ja. Ein Beispiel: mein eigenes. Das wurde vielleicht hundertmal verkauft. Jeder Leser hat es heiß und innig geliebt und zu seinem besten Freund gesagt: "Mußt du lesen!" So waren es am Ende Hundertausende, wenn nicht gar Millionen, die mein Buch lasen. Doch nur ein paar lumpige Hunderter landeten auf meinem Konto, nach der Steuer war´s nur noch ein Fuchzger, und der war dann auch noch falsch. Hungriger Bauch schreibt aber nicht gern, daher gibt´s bis heute keine Fortsetzung.

Hätte jeder sofort nach der Lektüre das Feuerzeug gezückt, dann hätte das ganz anders ausgesehen. Ich wäre reich und müßte hier nicht für wenig Geld und noch weniger Worte überflüssige Kolumnen schreiben, die man nicht mal verbrennen kann. Was ein Irrtum ist, da der Trend zum Ausdrucken geht. Das ist kein Scherz: Einer Studie des Instituts für sinnlose Forschung zufolge drucken immer mehr Menschen ihre Webseiten auf Papier aus, teils sogar in Farbe!

"Ich wollte Facebook einfach mal in Ruhe auf dem Klo lesen", gestand mir ein anonymer Ausdrucker, und ein anderer versteckt verschämt ganze 500 Blatt krone.at, vollgedruckt mit aktuellen Nachrichten und Service rund um Politik, Sport, Gesundheit, Wetter, Horoskop. "Ich werde mich damit in einem Café in die Nähe des WLAN-Hotspots setzen", gesteht er mir, und daß er das höchst subversiv fände, weil er auf diese Weise einem Laptop-Besitzer den Empfang wegnähme.

Wahrlich, auch mich schaudert bei dem Gedanken an Ausdrucke. Mein Traum ist es, mal die wichtigsten Blogs und Twitter-Tweets zu drucken und in Schweinsleder binden zu lassen, dazu ein Goldschnitt an den Seiten und eine Prägung am Rücken und ein Lesebändchen oder auch zwei. Dann, an einem kalten Winterabend im Schaukelstuhl, würde ich mir den Wälzer aus dem Regal ziehen und gemütlich in den RSS-Feeds der großen Gadget-Blogger blättern und in Erinnerungen schwelgen, etwa wie wichtig das damals war, daß die Digitalkamera des Handys diese oder jene Pixelzahl hatte und der iPod dieses oder jenes konnte. Hach ja. Sowas schreibt heute keiner mehr. Seufz.

Wo war ich stehengeblieben? Beim Wegschmeißen. Darum geht´s nämlich heute in dieser Kolumne. "Aber da geht´s doch sonst immer um nichts", höre ich da schon Beschwerden. Ja, klar, sage ich da, aber Das Nichts muß man ja erstmal kriegen. Und am leichtesten kriegt man es, indem man Das Alles nimmt und es wegschmeißt. "Simplify your life" heißt dieses Prinzip und hat natürlich -zig Selbsthilfe-Bestseller nachgeboren. Die Theorie ist ganz einfach: Weniger ist immer besser, noch weniger am besten, und nichts ist am Allerstbestesten.

Beispiele: Schaffen Sie Ihren Kühlschrank ab! Wer einen hat, muß was reinstellen, rausholen, ihn ab und zu abtauen ... das bindet Sie total ans Weltliche! Kinder - da reicht eins, das frißt genug. Frauen - komplett weg, sage ich, machen nur Ärger und lassen überall ihre Schuhe und Kosmetiktuben rumstehen. CDs und DVDs und HD-DVDs und Blu-rays und Laserdiscs und auch die Kassetten von VHS bis Betamax - alles raus. Die tollen Philosophiebücher: auf den Müll damit. Besteller verbrennen, es gibt doch genug davon. Und Simplify-Your-Life-Bücher ins Treppenhaus - soll sich doch wer anders die Stube damit vollstellen. Alte Liebesbriefe: ein letztes Mal durchlesen, um gottfroh zu sein, daß Sie die blöde Schnalle damals nicht geschwängert haben, dann ins Feuer damit. Ihre pubertären Lyrikversuche: ins Altpapier, aber diesmal ohne den Mist nochmal zu sichten, ist besser so! Noch ein Vorschlag: Rechner einmal im Monat durchformatieren. Sie werden nie mehr das Gefühl haben, sie hätten vergessen, eine Mail zu beantworten.

... tut gut, gell? "Simplifizieren Sie Ihr Leben" ist DIE Erfolgsmethode (kaufen Sie bitte mein Buch zu diesem Thema!), um endlich wieder Luft holen zu können. Mit meinem mehrstufigen Programm schaffen Sie es in wenigen Stunden, sich von liebgewonnenen, aber überkommenen Ritualen zu lösen und so mehr Zeit für sich und ihre persönliche Entwicklung zu haben. Letzter Tip zum Glück: Hören Sie endlich auf, diese Kolumne zu lesen. Oder machen Sie wenigstens ´ne Pause, bis zur nächsten. Ich tu das jetzt.

 

--

 

Mama, Yum Yum, Ramen? Die Reihe "Bilderrätsel, die die Welt nicht braucht" dreht sich heute um die Frage:

 

"Was ist die beste asiatische Tütensuppe?" (Keine Fangfrage, ich will echte Tips, Leute! Hunger!)

Andreas Winterer

Kommentare_

Mabuse - 25.01.2011 : 07.52
hi ich fand yum yum curry immer ganz lecker. ABER VORSICHT wenn du nicht gewohnt scharf zu essen ätz dir die geschmaknerven fürn paar std weg ;)
LeColumniste - 25.01.2011 : 09.25
Yum Yum Curry! Ja, sehr gut, und es gibt einem auch dieses tolle Gefühl, was vegetarisches zu essen!

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