Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #8

Die drei ??? und der Fall der ...

Lassen Sie sich von der Überschrift nicht täuschen, es geht nicht um die Jugendbücher, sondern allein um die drei Punkte. Denn die verdienen ein paar ganz besonders warme Worte ...    10.06.2009

Wer, wie ich, ausschließlich internationale Photoheftchen mit viersprachigen Bildunterschriften (englisch, französisch, holländisch und deutsch) liest, stößt manchmal auf Sätze wie diese: "Er beugte sich mit schweißglänzendem Gesicht von hinten über sie und ..." Oder: "Sie öffnete hastig seinen Gürtel und ..."

Dabei ist das alles ganz harmlos: Er beugte sich nur vor, um über ihre Schulter auf den Bildschirm zu schauen, schwitzte dann angesichts der verbliebenen Fonds-Ruinen bei der Online-Bank ... Und sie knipste bloß ein weiteres Loch in den Gürtel, denn er hatte vor lauter Sorgen abgenommen. Und doch bleibt es geheimnisvoll ... Wegen der drei Punkte! Sie sagen nichts und deuten doch etwas an … Etwas, das niemand zuvor auch nur zu anzudeuten gewagt hatte ...

Leider kann man nach diesen blöden Punkten nicht googeln, sonst bezifferte diese Kolumne die Zahl der Amateure, die sich dieses billigen Taschentextertricks bedienten. Und dann würde ich denen ihre drei Punkte mal ganz kräftig in die Plaque-geplagte Kauleiste rammen. Denn die "..." sagen meist nur eines: "Hier passiert was gaaaanz Dramatisches!" Aber was? Warum sagt der Autor es uns nicht? Bleistift abgebrochen? War ihm die schlecht geschriebene Sexszene selbst peinlich? Oder ist das so eine Art "Literatur 2.0" mit "user generated content", wo der Leser mitschreiben muß, seinen eigenen Mist an die Stelle der drei Punkte setzen darf und das dann für "social media" hält?

"Ein Punkt ist etwas Gedachtes", sagte meine Mathematiklehrerin, in die ich ziemlich verknallt war. Gemeint ist damit, daß er eigentlich keine Dimension hat, also null Volumen. Drei Punkte sind ebenfalls was Gedachtes, und dreimal null ist immer noch nichts. Was beinahe eindeutig beweist, daß auch die Mathematik dagegen ist. Beinahe deshalb, weil man ja nicht weiß, ob es immer derselbe Punkt ist oder immer der gleiche oder eventuell auch drei verschiedene. So verschieden können die allerdings nicht sein, vorstellbar wäre ein Vergleichstest von Punkten, der dieser Sache mal auf den Grund geht, sozusagen in medias res ...

"Als sie den Reißverschluß und ihren Mund öffnete ...", tja, Leute, wischt euch den Geifer vom Kiefer, denn als sie das tat, da staunte die Pathologin möglicherweise nur in den Leichensack hinein, in dem der Chefpathologe seine alten Kartoffeln aufbewahrte. Vieles bliebe besser nur angedeutet ... Als Beispiel sei mal dieses Gespräch mit der Arbeitskollegin zitiert, die heute aus ihrer Rekonvaleszenz zurückkehrte:

 

Ich: "Du Arme! Eine ganze Woche krank ..."

Sie: "Ja, ich wär´ wirklich lieber im Büro gewesen, hier bei dir ..."

Ich: "Und, äh, war´s was wirklich Schlimmes? Oder mehr so ... was Motivationsmäßiges ... wo du im Bikini auf dem Balkon ...?"

Sie: "Restwasser-Kotzen und Arschpissen im Stundentakt, wenn du es genau wissen willst."

 

Seien wir ehrlich: Wir wollen es nicht genau wissen. Was die Welt sicher nicht braucht, das sind Kolumnen; was sie hingegen dringend benötigt, das sind nur angedeutete Informationen, oder ganz weggelassene. Neulich erzählt mir ein Kumpel tatsächlich (!), er verpasse sich regelmäßig einen Einlauf. Es folgten Details ... viel zu viele Details ... jedenfalls für meinen ... "Geschmack" ... wenn man das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt in den Mund nehmen ...

Zum Abschluß dieser unnötigen Kolumne mal was ganz Konkretes aus einem aktuellen Serienmörder-Roman, den ich gerade verfasse: "Während sie hinter ihm in den Knebel winselte, nahm er die Zeitung vom Tisch. Durch die Augenlöcher seiner Maske konnte er die Headline lesen: 'Der Bikini-Slasher ist wieder da!' - Bikini-Slasher ... Was für ein lächerlicher Name! Wütend drehte er sich zu seinem nur mit einem Bikini bekleideten Opfer um, das sich hinter ihm in ihren Fesseln wand. Er zückte sein Skalpell ... ihre Augen weiteten sich ... das Skalpell flog durch die Luft ..." - und schnitt sie los. Anschließend stellte er sich der Staatsmacht. So beendete der brave Bikini-Killer diesen ganzen Slasher-Murks. Das wird der erste Slasher-Roman, in dem der Slasher schon auf Seite 1 mit dem slashen aufhört. Das ist mal ein twist, oder?

Der Rest des Buches, so viel sei schon mal angedeutet, handelt davon, was danach mit dem Bikini passiert ...

 

... und damit sind wir auch schon beim heutigen Bilderrätsel:

 

Es mir ein Rätsel, warum Autos so wichtig sein sollen. Hier zwei, die zu lange parkten ...

Andreas Winterer

Kommentare_

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