Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #14

Eine kurze Kolumne der Zeit und des Universums

"Warum?" könnte man fragen - und niemand wüßte genau, was darauf zu antworten wäre, außer: "Darum." Und es ist natürlich eine viel zu lange und heute sehr wissenschaftliche Kolumne, also seien Sie gewarnt.    08.10.2009

Mars macht mobil. Anders ist nicht zu erklären, warum wir da seit Jahren Sonden hinschicken, meist vergebens. Schon 1960 startete Rußland zwei Sonden zum roten Nachbarn, die aber nicht mal richtig von der Erde wegkamen. 1964 schickten dann die USA Mariner 3 hinterher, doch der defekte Kübel erreichte den Mars ebenfalls nie. 1971 folgte dann Mariner 8, ein Rohrkrepierer. Die Russen konnten kurz darauf mit der Sonde Mars 3 zwar auf dem roten Planeten landen; allerdings gab die Kiste 20 Sekunden nach dem Aufsetzen den Geist auf. Ich finde es irgendwie verständlich, daß man erstmal die Schnauze voll hatte und sich in den gesamten Achtzigern neben Koks weltweit nur noch zwei Mars-Sonden gönnte - sie fielen übrigens beide durch Steuerfehler aus. Auch die 90er Jahre brachten in Sachen roter Nachbar wenig neues: 1992 ging die Sonde Observer in der Umlaufbahn des Mars verloren. Peinlich für die Amis, aber die Russen konnten nicht lange darüber lachen, denn ihnen kam Mars 96 noch in der Erdumlaufbahn abhanden. 2003 kriegten dann endlich auch mal die Europäer ihren Arsch hoch, aber da man von Beagle 2 nach der Landung nichts mehr hörte, dürfte der Aufprall eher hart gewesen sein.

 

Man möchte angesichts dieses wiederholten Scheiterns meinen, so eine Sonde sei nichts anderes als ein Stück Seife in der Dusche. "Wie kann ich eine transplanetare Karre konstruieren, die es bis zum Mars schafft?" fragen daher verzweifelte Ingenieure. Wen könnte man da überhaupt fragen? Den Papst? Man darf annehmen, daß seine Antworten bereits bekannt sind. Dann doch lieber den Dalai Lama. Der freundliche Brillenträger aus Tibet ist auch deutlich jünger und dynamischer. Er wird bald 75 Jahre alt, und wenn er ordentlich lebt, weiterhin nicht raucht und auch den Rebensaft meidet, kann er noch mindestens 25 Jahre lang weise sein, was wir ihm selbstverständlich aus tiefstem Herzen wünschen.

Meister Yoda wurde, nur mal zum Vergleich, über 900 Jahre alt und konnte noch kurz vor seinem würdigen Tod ganze Raumschiffe aus Sümpfen hieven - so einen hätte die Beagle-2-Mission auf dem Mars gebraucht. Der Yoda, ja, der hätte die Karre aus dem Dreck gezogen! So einen würde man wählen.

Wirft man hingegen einen Blick auf unsere heutige Gesellschaft, dann werden die fähigsten Männer schon mit vierzig aus den Firmen geworfen, also noch bevor sie erwachsen werden können und nachdem sie auf die neusten Spielekonsolen upgegradet haben. Kein Wunder, daß uns nun die - schon immer altersweisen - Chinesen plattmachen, die diesen ganzen Elektronikmüll ja auch noch produzieren müssen. Frauen haben es noch schwerer: Zwischen zwanzig und vierzig stellt man sie nicht ein, weil sie ja Kinder kriegen könnten, und über vierzig auch nicht, weil sie ja nun plötzlich so wahnsinnig alt und grauslig faltig sind.

Die einzigen, die man gerne einstellt, sind die Pickelgesichter, weil man die mit Praktika jahrelang hinhalten kann. Aber letztlich ist auch das kein Spaß, denn die clubben mental schon ab Donnerstagmittag in die Wochenend-Party und sind danach noch schlaff bis Dienstag. Wer wirklich Wert auf Minderleister legt, stellt lieber gleich Urnen ein, die nörgeln wenigstens nicht schnoddrig herum.

 

Physiker gelten ebenfalls als schnoddrig, aber nur im Vergleich zu Anzug-Models, weil in Wirklichkeit sind sie die Philosophen der Moderne. Dank ihnen wissen wir inzwischen, daß die Welt nicht mehr aus kleinen Kügelchen besteht, um die noch kleinere Kügelchen kreisen (was wir ohne Physiker auch schon nicht gewußt hätten). Und auch die einst so hippen Quarks, die es in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen gibt (können Sie alles nachlesen, ich lüge Sie da nicht an!), können irgendwie wohl nicht alles erklären, zum Beispiel, warum ein Döner heute zwei- bis viermal mehr kostet als vor sechs Jahren.

Ziemlich sexy ist daher die String-Theorie. Die kann man sich, vereinfacht gesagt, wie folgt vorstellen: Die Welt besteht aus äußerst knappen Tangas, die im Takt zu verschiedenen Drum&Bass-Evergreens vibrieren. Weil die String-Theorie aus unverständlichen Gründen nicht hinhauen würde, wenn die Welt nur vier Dimensionen hätte - die Straße links, die Treppe runter, dann ein Stück geradeaus gehen, und dort treffen wir uns im acht beim Heurigen -, mußten kluge Leute die Zahl der Dimensionen im Universum auf zehn erhöhen, was das pünktliche Erscheinen zu anonymen blind dates in Hotelzimmern natürlich enorm verkompliziert. (Oder elf Dimensionen, was aber eh wurst ist, weil all diese Extradimensionen so wahnsinnig klein sind. Besser gesagt: aufgewickelt. Was auch immer das konkret heißen mag.)

 

Sie können sich meine Verwunderung vorstellen, als ich diesen famosen Quatsch in einem populärwissenschaftlichen Werk las und dabei herzhaft in einen Döner biß. Dieser Autor, so sagte ich mir, ist bestimmt zehnmal schlauer als ich (mein IQ-Test weist mich zwar als Quantenphysiker aus, aber ganz im Ernst: Würden Sie das glauben?), wagt es aber trotzdem, mir solchen Unsinn aufzutischen? Aber es kam noch schlimmer, da ich lesen mußte, daß das mit den Strings reine Theorie ist. Von denen es fünf verschiedene gibt; Theorien, die sich nur marginal voneinander unterscheiden. Nicht nur das: Alle fünf Theorien sind so kompliziert, daß keiner von den Eierköpfen genug Mathe kann, um damit irgendwas auszurechnen, zum Beispiel, wie morgen das Wetter wird, was der Döner in zehn Jahren kosten und wann endlich diese blöde Krise vorbei sein wird plus wie wir es hinkriegen könnten, nie mehr arbeiten zu müssen. Die Theoretiker können, so heißt es, nur "grobe Schätzungen" machen, allerdings von nichts Wichtigem. Und die Schätzungen kann auch keiner überprüfen, noch nicht mal der neue Teilchenbeschleuniger LHC am CERN.

Der Large Hadron Collider ist - laienhaft ausgedrückt - eine ungemütliche Eigentumswohnung für drei Milliarden Euro, die überwiegend aus kaltem Keller besteht. "Drei Milliarden Euro!" möchte man da entsetzt aufschreien. "Dafür kriegt man ja fast eine Milliarde Döner, das wäre ein ganzer Döner für jeden zweiten Menschen auf Erden!" Ja, aber. Was ist mit der anderen Hälfte? Man müßte schon Mars-Schokoriegel kaufen, dann käme man auf etwa fünf Milliarden Stück, mit Großhandelsrabatt sicher auf noch mehr, und dann hätte echt jeder auf Erden was davon. "Alle mal reinbeißen!" und weg ist der Snack und übrigens auch die Chance, in der Nähe von Genf ein Higgs-Boson anzutreffen, was ja der Grund ist, warum man da für drei Milliarden Euro das LHC gebaut hat.

Brauchen Sie gerade ein Higgs-Boson? Ich auch nicht. Aber regen Sie sich nicht auf. Drei Milliarden hört sich nach viel mehr an, als es wirklich ist. Manche Banken setzen "drei Milliarden Euro" als Verlust ab, die US-Börsenaufsicht wollte Siemens gleich "vier Milliarden Euro" wegen Korruption abknöpfen, und der Airbus wird mit fast fünf Milliarden subventioniert, das ist ja bloß ein fürstliches Jahresgehalt pro Airbus-Mitarbeiter. Es ist wirklich hochinteressant, nach Begriffen wie "* Milliarden Euro" zu websuchen. Man erfährt schnell: Allein für den Wert der nationalen Schwarzarbeit könnte man fast sieben Teilchenbeschleuniger basteln! (By the way: Brauchen Sie einen, der Ihre Wohnung streicht?)

 

Zufälligerweise ist "drei Milliarden Euro" auch das Budget der europäischen Raumfahrtbehörde ESA, und zwar jährlich. Macht, in Döner ("mit scharf") umgerechnet auch keinen satt, und wenn stattdessen jeder Mensch auf Erden einmal im Jahr einen zusätzlichen Schokoriegel äße, könnten wir nicht mal mehr zum Mars fliegen.

Die ESA will es 2013 trotzdem wieder anpacken, das mit dem Mars, und das war ja der Anlaß dieser Kolumne, die man dann in vier Jahren als "visionär" und "ihrer Zeit voraus" bezeichnen wird. Doch bis die Mission ExoMars startet und sich ein weiterer Kochtopf in den Staub des öden Nachbarn bohrt, sind noch vier bis fünf Schokoriegel pro Mensch zu vernaschen. Weitere fünf Schokoriegel später macht die exotisch benannte Mission Mars Sample Return da oben eine Schaufel mit Kehricht voll und bringt den Dreck dann zur Erde zurück. In verschiedenen Science-Fiction-Filmen sieht man, wie das dann ausgeht: Die Marsmenschen kommen und ballern uns weg, weil in dem Sand ihre religiöse Führerin döste.

 

--

 

Ich persönlich finde übrigens den Mars furchtbar langweilig. Hingegen würde mich brennend interessieren, wie es auf der Venus aussieht. Die erste erfolgreiche Landung auf der Venus gelang den Russen mit der Sonde Venera 7 im Dezember 1970, da sagte ich gerade schlaue Dinge wie "Hrgrrllii!" und "Brglbab?" 1975 konnte Venera 9 dann schon eine ziemlich geile Postkarte schicken:

Hier nun das Bilderrätsel: Warum gibt es Verschwörungen, die glauben, wir wären nie auf dem Mond gelandet, während kein einziger glaubt, was doch offensichtlich ist, nämlich, das dieses Foto am Rande einer irdischen Schutthalde nahe Wladiwostok aufgenommen wurde! - Fortschritt heißt übrigens, alles kontinuierlich zu verbessern. Venera 13 machte im März 1982 ein viel besseres Bild von der Schuttha... äh, der Venus:

2014 wollen die Russen da einen neuen, noch größeren Suppentopf namens Venera-D absetzen. Es erwarten uns hoffentlich weiterhin nur hochauflösende Fotos von Geröll, und nicht etwa Close-ups von blutunterlaufenen Monsteraugen, deren Besitzer mit dem entsicherten Desintegrator in der Hand nach der Absenderplakette suchen.

Andreas Winterer

Kommentare_

das Lektorat - 22.09.2009 : 20.33
Sehr geehrter Herr Winterer!
Hat die Welt derzeit nicht fast 7 Milliarden Einwohner? Geht da nicht die ganze Döner-Rechnung baden?
Der Autor - 23.09.2009 : 10.05
Sicher wollen nicht alle einen Döner haben! Die Inder zum Beispiel verspeisen ja keine Kühe. Das sind mal eben eine Milliarde fastfanatischer Nichtdöneresser. (Und jetzt komm mir keiner mit Putendöner! Es gibt da diese ponyfrisurtragenden Gesundernährungsschnicksen, die essen nicht mal sowas. Höchstens Gemüsedöner. Aber ist das dann noch Döner, Herr Lektorat?)
der Lektorat - 23.09.2009 : 11.23
Ich glaube, mit Gemüse und Falafel und all diesem vegetarischen Schwulenbelag ist Döner nix Döner mit scharf und alles, sondern automatisch Sandwich. Wenn man also die vielleicht halbe Milliarde Grasfresser abrechnet, bleiben meiner bescheidenen Schätzung nach aber immer noch 5 Milliarden 300 Millionen und ein paar Hoffentlich-nicht-Zerquetschte Dönerbedürftige, die sich eine Milliarde Döner teilen sollen. Das gibt Krieg, kaltes Essen und Hungersnöte. Wahrscheinlich.
Wie sehen Sie das? Sehen Sie das überhaupt?
Der Musikredakteur - 08.10.2009 : 15.25
Lieber Herr Winterer,

so etwas Feines habe ich schon ewig, drei Tage und vier Dimensionen lang nicht mehr gelesen. Und dann bekommen irgendwelche Trullas den Literaturnobelpreis, obwohl sie wahrscheinlich Bio-Falafel essen und noch nicht mal wissen, dass die Welt mal aus Kügelchen...

Danke Dir für die Kolumne
Manfred
onkelhoste - 10.10.2009 : 22.50
Weltraum ist out. Wenn Sonden Bilder zur Erde funken, frage ich mich nur noch: Bekommen wir diesmal ein paar öde Weiten zu sehen oder sind zur Abwechselung auch mal ein paar weite Öden dabei? Warum sprechen pickelige Wissenschaftler ohne feste Freundin immer noch von der "Eroberung des Weltraums", obwohl sie mittlerweile doch alle verstanden haben müssten, dass der Weltraum irgendwie verdammt 'ne Menge weiter Raum ist. Warum gibt es immer noch Wissenschaftssendungen, die Fragen stellen wie "Gibt es Leben/ Wasser da draussen?" - nur um uns mit genau denselben Fragen am Ende der Ausstrahlung im Regen stehen zu lassen und Werbung für die DVD zur Sendung zu machen? Wenn wir eines Tages unseren Planeten kaputt gespielt und einen bewohnbaren Exoplaneten gefunden haben und ihn besiedeln - wird dann auch dort wieder irgend so ein Vollidiot Kostenstellen einführen?

Geht mir weg mit Weltraum ...
Alban Sturm - 15.10.2009 : 23.30
A): Wenn es um Bosonen geht, funktioniert die Quantentheorie der Strings nur in 26 Dimensionen.
B): Auf Sirius8 fahren dreibeinige Männchen mit Rollschuhen Achterbahn.
Unterschied zwischen A) und B): Ersteres ist nachzulesen, Zweiteres entspricht in seiner Nachprüfbarkeit ebenfalls den Theorien gewisser Rollstuhlfahrer und sonstiger Alleinunterhalter.
Fazit:
1) Wer mehr als eine handvoll Symbole dafür braucht, verkauft keine solide Formel (vgl.: eistemcequadrat).
2) Dürüm ist viel praktischer als Döner.
3) Scheiß auf Döner&Co, solange es Leberkässemmeln gibt.

Mit freundlichen Grüßen
Alban Sturm
Johnny Digitalis - 16.10.2009 : 17.35
Mit 2) hat unser Stürmer zweifelsfrei recht. Aber Leberkäse hin, Käsekrainer her - Dönerwürze und Yoghurt-Sauce sind mittlerweile eine größere Freude für die ausgehungerten Geschmackknospen.
Der Autor - 16.10.2009 : 21.51
Meine Herren, ich habe den Verdacht, dass man mich hier ein wenig poberln will. Nochmal: Ich erfinde nichts! Creuther-Quarks gibt es wirklich!

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