Kolumnen_Al Cook im EVOLVER #3

Bobby und der Teufel

Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die das österreichische Blues-Genie Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie verdammt gut sind. Apropos verdammt: Diesmal geht´s um den legendären Robert Johnson und seinen angeblichen Satanspakt. Mythos und Wahrheit ...    06.04.2018

Liebe Blues-Fans!

Es freut mich außerordentlich, daß mir der EVOLVER hier ein neues Forum eröffnet hat.

Nur wenige wissen, daß ich neben meiner Tätigkeit als Musiker auch noch eine schriftstellerische Ader habe. Und ich habe in den vielen Jahren, die ich schon auf der Bühne stehe, weiß Gott eine Menge erlebt, über das ich berichten kann ...

Die meisten meiner "Weisheiten" beziehe auch ich nur aus der seriösen Fachliteratur; aber ich mache mir eben auch meine Gedanken über die behandelten Themen, zumal mir die Betriebsblindheit fanatisierter Blues-Faschisten fehlt. Andererseits ist es mir ein Anliegen, die Mythenhörigkeit der allzu medienhörigen Masse auf ein realistisches Maß abzukühlen.

Aber jetzt zu Robert Johnson - und damit einem Thema, das wohl die meisten Bluesfans interessieren wird. Viel Spaß beim Lesen wünscht

Al Cook

 



1961, also mitten in der toten Hose zwischen Elvis und den Beatles, veröffentlichte CBS ein Album mit historischen Aufnahmen eines sogenannten "primitiven Bluessängers" namens Robert Johnson. Das Cover zeigte eine von Hand gezeichnete, gesichtslose sitzende Figur, die offensichtlich für sich selbst spielte und die Akkorde förmlich zu suchen schien. Darüber stand groß: "Robert Johnson. King of the Delta Blues".

Kein Mensch wußte damals, daß diese LP eine Art Revolution auf dem Rocksektor auslösen würde. Natürlich war die Platte bei uns nirgends erhältlich - und ich selbst steckte noch tief in meiner Elvis-Euphorie.

In England aber scharten sich ein paar Beat-Typen um den österreichischstämmigen Bluesvater Alexis Korner. Da gab´s John Mayall, die noch bubihaften Stones und meinen Altersgenossen und speziellen Freund Eric Clapton. Für unsere Generation, die den Blues zu entdecken begann, war Johnson eine Offenbarung unschätzbaren Ranges. Der Covertext, der möglicherweise aus Verkaufsstrategie ein wenig reißerisch verfaßt war, tat das Übrige.

Robert Johnson paßte genau in das damals aktuelle Bild vom einsamen jungen Gitarrenspieler, der von dämonischen Mächten getrieben eine Gegend nach der anderen unsicher macht, Frauen nur als flüchtige Zweckbekanntschaften begreift und - letztendlich noch jung und wild - von einer eifersüchtigen Frau heimtückisch um die Ecke gebracht wird. "Live fast and die young", man kennt das ja.

Don Law, der Johnson in einem Hotelzimmer in San Antonio, Texas vors Mikrophon setzte, erzählte auch noch interessante Schauergeschichten über die Umstände, die sich um die Aufnahme-Sessions rankten, und machte aus dem 26jährigen einen sexbesessenen Teenager. Das Alter von Schwarzen war ja früher oft nicht eruierbar, und die natürlichere Einstellung zur Sexualität wurde ihnen im prüden Süden und auch im christlichen Europa als amoralische Triebhaftigkeit ausgelegt.

Johnsons schneidender, fast schon hysterischer Gesang vervollkommnete das Bild eines vom Teufel besessenen, gejagten Jünglings, der schon früh von zu Hause ausriß, um nicht Baumwolle pflücken zu müssen. Damit war er ein Rebell gegen die Jim-Crow-Mentalität seiner Elterngeneration, was ihn in gewissen Jazz-Jugendkreisen zum schwarzen James Dean machte. Musiker, die dem Blues verfallen waren, wurden von seriösen Bürgern beiderlei Rasse sowieso wie Zigeuner behandelt. Daß die Nachkriegsjugend nichts von sogenannter "formaler" Musik wissen und ihre Emotionen lieber auf der Basis afroamerikanischer Musik ausdrücken wollte, liegt nach dieser Betrachtung wohl auf der Hand.

 

 

Der Mythos wurde noch größer, weil seinerzeit niemand wußte, wie Robert Johnson wirklich ausgesehen hat. Man fertigte nach den verschiedensten Augenzeugenberichten Phantombilder an, die dann in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Doch man hätte auch wissen müssen, daß die Schwarzen exzellente "G´schichtldrucker" sind, wie das Paradebeispiel Big Bill Broonzy beweist. Hier wurde nicht bewußt bösartig gelogen, sondern die Bildersprache ist Teil der afro-orientalischen Kultur, die von den Schwarzen nach Amerika verpflanzt wurde. Als meine Frau einmal Urlaub im Libanon machte, fragte sie einen jungen Mann, wie alt denn sein Vater sei. Er antwortete: "Ach, so 80 oder 90 Jahre.“ Gemeint war nur, daß der Vater schon ziemlich alt war; der exakten Altersangabe maß der Befragte absolut keine Bedeutung zu.

Als ich mich 1975 mit Honeyboy Edwards über Robert Johnson unterhielt, war kein konkreter Satz aus ihm herauszubekommen. Angeblich soll Edwards ein Augenzeuge von Roberts Tod gewesen sein. "The devil killed him", meinte er lakonisch. Also wieder nichts fürs Vernehmungsprotokoll ... Der zweite Kandidat war Johnny Shines, mit dem ich mich während seines Wienaufenthalts anfreundete. "He could play anything. Blues, waltzes, polkas, any damn stuff folks liked in those days." Nun wußte ich wenigstens, daß Johnson auch ein kommerzieller Entertainer war. Louisiana Red, der 1935 (!) geboren wurde, behauptet jedesmal, wenn er mich trifft, er besäße ein Bild, auf dem Robert mit einer der ersten elektrischen Gitarren zu sehen ist. Zu Johnsons Blütezeit gab es aber kaum eine Blueskneipe, die über eine Steckdose verfügte. Übrigens war der gute alte Red gerade einmal drei Jahre alt, als der King of the Delta Blues seine letzte Bottle inhalierte.

So schön sich manche Mythen auch anhören oder lesen - man sollte halt einfach nicht alles glauben. Dazu rät:

 

Euer Al Cook

(The White King of the Black Blues)

 

Al Cook

Al Cook im EVOLVER


Unverfälscht, traditionsbewußt und weitab vom Kommerz-, Radio- und Social Media-Mainstream: So wie Al Cook Musik macht, schreibt er auch - und zwar exklusiv im EVOLVER. Lesen Sie hier seine sehr persönliche Einführung in die Welt des authentischen Blues-Genres und seiner Position im populärkulturellen Musikgeschehen.

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