Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Pestgruber

Dr. Trash verordnet: Meiden Sie staatlich finanzierte Kunstprojekte, die eh nur den Zweck haben, Ideologie zu vermitteln oder dem Volk hirnlosen Blödsinn vorzusetzen, den es wie des Kaisers neue Kleider nicht mit Namen nennen darf. Setzen Sie lieber auf die Werke kreativer Menschen, die sich A. für Arbeit nicht zu schade sind und B. ein Herz für Trash haben. Der Doc hat nämlich auch ein Herz für sie.    28.04.2017

Ihr treuer Kolumnist hatte vor kurzem das Glück, als Gast beim monatlichen Stammtisch der heimischen Comic-Zeichner anwesend sein zu dürfen. Es ist ja immer eine Freunde, mit "working artists" zusammenzusitzen und das eine oder andere Bier zu trinken - statt sich in Szenetreffs herumzutreiben, wo die ewigen Künstler endlos über ihre Projekte plappern, bis sie (samt Projekten) unter den Tisch fallen.

Nein, diese Comic-Schaffenden zeichnen tatsächlich Comics; manche schaffen es sogar, davon und von diversen anderen Aufträgen zu leben. Und dann taucht dort einer auf - ebenso als Stammtisch-Erstbesucher, so wie der Doc -, der eigentlich Graphik-Designer und Illustrator ist, aber still und heimlich in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen vollständigen, fast 200 Seiten umfassenden Comic getextet und gezeichnet hat. Stefan Gutternigh heißt der sympathische junge Mann, und sein Werk trägt den schönen Titel Pest 1435. Es spielt im optisch und historisch ausgezeichnet recherchierten Wien des Mittelalters, wo neben den üblichen Seuchen auch noch Untote (damals hat ja noch keiner "Zombies" gesagt) ihr grausames Unwesen treiben. Das Ergebnis von Gutternighs jahrelanger einsamer Arbeit ist - nicht nur für ein Erstlingswerk - sehenswert, und man kann seine Entwicklung als Zeichner und Autor darin richtig mitverfolgen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, ist die Kickstarter-Kampagne zur Finanzierung der Produktionskosten leider schon vorbei, dafür können Sie hoffentlich schon bald die gedruckte Ausgabe von Pest 1435 erwerben. Steuern Sie zu diesem Zweck http://4eyes2view.myportfolio.com oder https://www.facebook.com/pest1435 an und unterstützen Sie damit eine gute Idee und einen fleißigen Künstler.

Noch fleißiger dürfte Andreas Gruber sein, der mit seinen Krimis mittlerweile zu den Bestseller-Autoren zählt und seit seinem Wechsel zum Vollzeit-"working writer" noch mehr und noch schneller schreibt (wenn er sich nicht gerade in nächtlichen Marathonsitzungen Trash-Filme und Fernsehserien auf DVD anschaut). In der soeben erschienenen Anthologie Apocalypse Marseille (Luzifer-Verlag) sind 13 Science-Fiction-Stories des Österreichers versammelt, die er seit Beginn seiner schriftstellerischen Karriere verfaßt hat. Da wollen Aliens ihre irdischen "Familien" auf den Heimatplaneten mitnehmen; der Untergang der Titanic wird von Zeitreisenden begleitet; und wir erfahren endlich auch, was damals in Roswell passiert ist. Seinen Horror-Hintergrund kann Gruber auch in diesen utopischen Stories nicht verleugnen - aber genau der gefällt seinen Fans (zu denen sich auch der Doc zählt) halt so gut.

Begrüßen wir also die Apokalypse, damals wie heute.

Dr. Trash

Dr. Trash verordnet

(Illustration © Jörg Vogeltanz)


... erschien in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Links:

Kommentare_

Print
Klaus Ferentschik - Ebenbild

Doppelgänger-Phantasie

In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 42

Du darfst ...

Gute Nachricht für alle Desorientierten und von Relikten der Vergangenheit Geplagten: Unser beliebter Motivationstrainer Peter Hiess zeigt Euch einen Ausweg. Und die erste Beratungseinheit ist noch dazu gratis!  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 41

Gleisträume

Will man sich in den Vororten verorten, dann braucht man auch die praktische Verkehrsverbindung. Der EVOLVER-Stadtkolumnist begrüßt den Herbst mit einer Fahrt ins Grüne - und stimmt dabei ein Lob der Vorortelinie an.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 40

Weana Madln 2.0

Treffen der Giganten: Der "Depeschen"-Kolumnist diskutiert mit dem legendären Dr. Trash die Wiener Weiblichkeit von heute. Und zwar bei einem Doppelliter Gin-Tonic ... weil man sowas nüchtern nicht aushält.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 39

Der Tag der Unruhe

Unser Kolumnist läßt sich von Fernando Pessoa inspirieren und stellt bei seinen Großstadtspaziergängen Beobachtungen an, die von ganz weit draußen kommen. Dort wirkt nämlich selbst das Weihnachtsfest noch richtig friedlich.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 38

Schneller! Schneller!

Wie man hört, trainieren US-Soldaten in Manövern für die Zombie-Apokalypse. In Wien scheint sie bereits ausgebrochen. Der EVOLVER-Experte für urbane Beobachtungen weiß auch, warum.