Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Dopplerstrategie
Dr. Trash verordnet: saufen. Muß auch nicht mit Maß und Ziel sein. Hauptsache, Sie werden dabei nicht zu einem dieser Weinexperten, die einem mit ihrem sinnlosen Geplapper und den stinkenden Zigarren den besten Vollrausch verderben können. Setzen Sie daher lieber auf Quantität statt auf Qualität - und suchen Sie sich Ihre Weine nach literarischer Originalität aus.
07.11.2016
Ich bin zwar Doktor, aber nur Hobbymediziner (und eher forensisch orientiert); daher sollten Sie meine gesundheitlichen Ratschläge lieber mit Vorsicht genießen.
Womit das Rechtliche geklärt wäre und ich Ihnen logischerweise sofort einen wichtigen Rat gebe: Sagen Sie JA zum Alkohol! Lassen Sie sich von langweiligen "In Maßen genossen"-Sprüchen nicht vom Saufen abhalten; mit einem kleinen oder größeren Rausch läßt sich die Welt viel besser ertragen als nüchtern. Wäre da nicht der natürliche Feind des "drinking man" (gern auch "woman"): der Weinkenner.
Er trinkt praktisch nur Rotwein - doch bevor er ihn trinkt, redet er darüber. (Manche dürfen tragischerweise sogar darüber schreiben.) Wie gut er sich auskennt, wo der Wein herstammt, welch Jahrgang und Terroir er hat und vor allem: was er kostet. Dann hängt er seine häßliche Nase ins Glas, beurteilt den Geruch, auch wenn ihn keiner danach gefragt hat, spitzt sein Goscherl, rollt den guten Tropfen am Gaumen entlang, plappert noch mehr Schwachsinn daher, trinkt dann endlich ein Sechzehntel ... kurz: es geht nix weiter. Erfolgreich bekämpfen lassen sich solche Wichtigmacher, indem man neben ihnen lautstark einen roten Spritzer bestellt, am besten einen großen, im Bierkrügelglas. Dann wenden sie sich angewidert ab und werden wieder ganz bourgeois, obwohl sie normalerweise "total liberale" Ansichten haben.
Gut so.
Eine weitere Methode, den Weinkenner in den selbstverschuldeten Irrsinn zu treiben, ist das literarische Studium der Etiketten. Seit der Zeit des nur mit einem kleinen Aufkleber versehenen "Dopplers über die Gassn" hat sich ja vieles gebessert; die Flaschen und deren Aufschriften sind schön designt, als wären die Yuppie-Achtziger nie zu Ende gegangen. Um zu beweisen, daß Sie keiner von denen sind, sollten Sie Ihre Weine also nach Etikett und origineller Bezeichnung auswählen. Österreichische Produkte, die arroganterweise nur mit dem Namen des Winzers daherkommen, scheiden da von vornherein aus. Nehmen Sie lieber italienische Rotweine, deren Bezeichnung an schöne Gegenden und Täler erinnert, wo Sie auch schon einmal waren.
Als Akademiker Ihres Vertrauens darf ich Ihnen zum Schluß noch die Weine aus Südafrika empfehlen, wo man sich bei der Namensgebung noch wirklich Mühe zu geben scheint: Freuen Sie sich über das Weingut Stellenrust, rätseln Sie über die Bedeutung von Boekenhoutskloof, genießen Sie Miss Lucy, denken Sie bei Thelema an den guten alten Aleister Crowley - und lassen Sie sich den besten, vielsagendsten Rotweinnamen von allen auf der Zunge zergehen: Allesverloren. Schmeckt übrigens auch nicht schlecht und ist im besseren Supermarkt erhältlich. Prost.
Dr. Trash
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