Kolumnen_Miststück der Woche IV/4 - Leserwunsch #14

eRRdeKa: "Schwarz Weiß"

Und weiter geht es mit einem jungen Mann, der vor sich hinmurmelt und dabei dem einen oder anderen Zuhörer aus der Seele spricht. Für alle "Kinder von David Lynch" und für einen Leser wird sich Manfred Prescher nun mit diesem Künstler beschäftigen. Währenddessen dürft, könnt, sollt ihr euch weiterhin Lieder wünschen.    24.11.2014

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

 

Wenn ich von meiner mittelalterlich trutzigen Heimatstadt im Herzen Frankens mit dem Zug Richtung Allgäu fahre - oder zurück von dort durch die Gegend diesele, dann komm´ ich auch an Mering vorbei. Ich bin da aber noch nie, auch nicht zum Beinevertreten, ausgestiegen. Mir reicht es schon, daß ich mal in Buchloe rausmußte, weil die Bahn meinte, ihren Zug in dieser Einöde verenden lassen zu müssen. Doch zurück zu Mering bzw. zu all den Merings, in denen laut Fraktus "all die armen Menschen" (kurz "A.D.A.M.") wohnen. Mering ist praktisch überall. Und überall verrichten die meisten Leute unverrichteter Dinge ihr mehr oder minder seltsames Tagwerk, bevor sie sich in ihre Plattenbaugruft, ihr Gemeidebauwohnklo oder ihre Landhausimitation zurückziehen.

 

So sieht´s, mal durch die pessimistische dunkelgraue Brille betrachtet, eben aus. Doch manchmal blüht unter dem tristen Pflaster tatsächlich der Strand, wie linke Genossen zur Hochzeit der Stadtmagazine meinten. Wenn das geschieht, kommt kreatives Potential zum Vorschein, das man viel eher in Metropolen vermutet, also in  "London, Paris, Budapest, Sonthofen", wie ein Schaufenster des Schuhhändlers Deichmann suggeriert. Und eben nicht in Mering. Aber von dort kommt der ziemlich begabte Raphael Endrass, der sich merkwürdigerweise ERRdeKa nennt und das auch noch so merkwürdig schreibt, daß ich mich mit mir darauf geeinigt habe, ihn der Einfachheit halber als Ottonormalhiphopper in die Tastatur zu rappen. Das klingt zwar ziemlich nach der Supermarktkette Edeka, aber die ist erstens seit Friedrich Liechtenstein ziemlich hip, und zweitens waren wir eben erst eh schon bei Deichmann - "und damit hopp", um es mit Walter Kempowski zu sagen.

Aber wir wollen nicht immer nur schwarzweiß sehen. Die beste Liebespartnerin von allen monierte vor kurzem - und völlig zu Recht -, daß bei mir die Zwischenfarben fehlen würden. Darauf zog ich ein ziemlich hellgrünes Hemd an, das ihr zwar gefiel, aber doch auch zeigte, daß ich wieder einmal vom eigentlichen Thema abgelenkt habe. Schwarzweißdenken ist weit verbreitet, auch Edeka, sorry, Errdeka, kann das sehr gut. Der Schwabe tut es auch noch absichtlich. Mit gleichmäßig lakonischer Stimmer rappt er sich durch Gegensätze - und bleibt dann im Dunkel verhaftet: "Immer wenn der Mond durch mein Fenster scheint/Liege ich wach, bin mit mei´m Kopf allein/Immer wenn der Mond durch mein Fenster scheint/Ewige Nacht, alles färbt sich/Schwarz-Weiß". Der Text ist düster-melancholisch und spricht intelligenten Teenagern aus den nachdenklich-melancholisch vor sich hindrehenden Denkmurmeln: "Und so strahle ich herum, schnappe hier und da Gespräche auf/Die Menschen klagen über ihren verkackten Lebenslauf/Ich muß schlafen, ich will nix wissen/Dann rauch´ ich mich ins Koma mein Gesicht fällt in mein Kissen." Das mit dem Pennen sollte aber im verschlafenen Mering recht gut gehen, all den armen Menschen zum Trotz.

 

Nebenbei erweitert Errdeka noch den Bildungshorizont des Nachwuchses - falls der interessiert genug ist und "nachgockelt" (Harald Schmidt), wer dieser ominöse David Lynch ist. Euch muß ich das natürlich nicht verklickern, ihr habt ja schließlich alle "Twin Peaks" gesehen oder "Mullholland Drive" und euch im vergangenen Jahr Mr. Lynchs wirklich gute CD "The Big Dream" besorgt. Was fehlt noch? Das Album von Errdeka heißt "Paradies", aber wir thematisieren jetzt nicht, daß es dort viel bunter zugehen soll als auf dem schwarzweißen Einkaufsplaneten Deichmann-Edeka. Sonst verpasse ich noch meinen Zug ...

Nächste Woche werde ich hier einen reichlich fränkischen Dancehall-Reggae-Klassiker aus Erlangen besprechen. Den dürft ihr, glaub´ ich, sogar legal hier hören. Na, mal schauen. Bis dahin schaltet doch mal euer Seelenkino auf Farbfilm um, haltet den oder die Liebste(n) fest und seid´s glücklich, Herrgottszeiten noch mal. Und/oder wünscht euch ein Lied, das hier beschrieben werden soll.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

 

 

Manfred Prescher

eRRdeKa: "Schwarz Weiß"

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Enthalten auf der CD "Paradies" (Keine Liebe Records/Groove Attack)

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