Musik_Maazel & Fendrich

Lorins Schwanengesang

Nicht jedes Jubiläum hat einen angenehmen Beigeschmack - so wie etwa der unlängst begangene 85. Geburtstag des erst vor kurzem verstorbenen Star-Dirigenten Lorin Maazel, dessen akustisches Vermächtnis aber wenigstens auf CD erhalten ist. Den 60. Geburtstag des noch lebenden Austro-Poppers Rainhard Fendrich begeht sein Label ebenfalls mit neuen Tonträgern.    10.04.2015

Der "Austro-Barde" Rainhard Fendrich ist für viele Musikhörer Geschmackssache - so wie das gesamte Genre, das er mitbegründet hat. Anläßlich seines Sechzigers legte die Universal nun zwei Doppel-CDs mit den wichtigsten/erfolgreichsten Songs aus Fendrichs Lebenswerk auf. Darauf besticht er durch intelligente und lebensnahe Texte, die immer exzellent zur Musik passen. Die stammt zwar nicht immer von ihm, da er oft bekannte (vor allem lateinamerikanische und spanische) Melodien coverte, die er mit seinem Wiener Charme anreicherte. Oft kommt auch Fendrichs Sarkasmus liebenswert zutage; manchmal werden sogar Selbstreflexionen hörbar (wie in "Strada del Sole" oder "Manchmal denk i no an di"). Damit ist diese Jubiläumsausgabe sehr hörenswert - und das nicht nur für Patrioten ("I Am From Austria" darf man sogar zweimal genießen ...).

Zum 85. Geburtstag von Lorin Maazel (und nicht einmal ein Jahr nach seinem Tod) brachte die Sony Giuseppe Verdis Totenmesse heraus, die im Februar 2014 in München mitgeschnitten wurde - also fünf Monate vor dem Abtreten des großen Dirigenten. Hier bewies der Maestro wieder, was Musikfreunde immer schon wußten: daß er in der Kunst- und Musikwelt eine Ausnahmeerscheinung ist und war. Mit seinen bewußt getragenen Tempi zelebrierte Maazel geradezu jeden Takt dieses Werks - als hätte er geahnt, daß die Aufführung eine Art "Schwanengesang" für ihn war. Auch wenn Solisten und Orchester nicht immer mit seinen unerbittlichen Ansprüchen mithalten konnten - Verdis "Messa da Requiem" macht schmerzhaft bewußt, daß man ihn noch lange vermissen wird.

Maazels bewundernswertes Talent wird auch durch die 18-CD-Box der Deutschen Grammophon bewiesen, auf der seine frühen Jahre mit den Berliner Philharmonikern zu hören sind. Das musikalische Angebot reicht hier von Beethoven über Berlioz und Brahms bis hin zu Ravel und Falla. Der Dirigent konnte schon vor 50 Jahren das deutsche Meisterorchester brillant zum Klingen bringen. So gesehen könnte man sagen, daß es bei aller Wertschätzung für Claudio Abbado vielleicht doch ein Fehler der Berliner war, nicht Lorin Maazel als Chefdirigent zu holen. Er wäre immer der würdige Nachfolger Karajans für dieses Orchester gewesen.

Zum Abschluß sei auf die im EVOLVER bereits besprochene Sony-Box von Maazel verwiesen. Mit dieser und der oben erwähnten DG-Ausgabe hat man nicht nur ein superb interpretiertes Konzertrepertoire in höchster Qualität zu Hause, sondern noch dazu das Vermächtnis eines ganz großen Musikers.

Herbert Hiess

Lorin Maazel - The Complete Early Recordings

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18-CD-Box

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div. Solisten

 

Berliner Philharmoniker/Orchestre National de France/Radio Symphonie Orchester Berlin

Lorin Maazel

 

18-CD-Box

 

Deutsche Grammophon/Universal (D 2014)

Links:

Giuseppe Verdi - Messa da Requiem

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Live-Mitschnitt aus München

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Solisten: Anja Harteros, Daniela Barcellona, Wookyung Kim, Georg Zeppenfeld

 

Münchner Philharmoniker/Philharmonischer Chor München

Lorin Maazel

 

Sony Classical (D 2014)

Links:

Zwischen Heute & Gestern/Zwischen Gestern & Heute

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Die ultimative Liedersammlung

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Rainhard Fendrich & div. Duettpartner

 

Universal/Ariola/Sony BMG/Amadeo (Ö 2015)

Links:

Kommentare_

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