Print_Martin Compart - Die Lucifer-Connection

Ein räudiges Rumpeln

Wenn der Hut brennt, kann nur einer helfen: Gill. Ein Mann, ein Name. Und lebender Beweis dafür, daß ein Söldner mitunter mehr Vertrauen zu erwecken vermag als der durchschnittliche EU-Gutmensch.    14.11.2011

Frage: Mögen Sie Katzenkrimis?

Wir auch nicht.

Damit wollen wir jedoch mit keiner Silbe etwas gegen Katzen an sich gesagt haben - sie sind als selbständig-egoistische Wesen dem sabbernd-anbiedernden Befehlsempfänger namens Hund jederzeit vorzuziehen. Doch im obgenannten Subgenre haben wir es zumeist mit possierlich-putzigen und dabei bieder-moralinsauren Angehörigen einer Phantasie-Felidae-Rasse zu tun, die dann in Geschichten umtriebig sind, die eine Schnittmenge aus Pilcher-Schmonzette und politisch korrekter Falter-Bestseller-Liste darstellen. Also Fadesse zum Quadrat.

Doch es geht auch anders.

"The dog gives, the cat is." Das wußte schon der Erfinder des kosmischen Grauens, H.P. Lovecraft. Doch genau das ist auch gleich der Knackpunkt in Martin Comparts Thriller "Die Lucifer-Connection". Da ist eine Katze nämlich nicht … da. Sondern verschwunden. Und der traurige, kleine Bub, der sie nun einmal über alles liebt, wendet sich voller Vertrauen an den Ex-Stasi-Agenten, Ex-Söldner und nunmehrigen Privatdetektiv und Sicherheitsberater Gill. Er - den die pt. Leserschaft vielleicht schon aus Comparts Der Sodom-Kontrakt kennt - nimmt sich des Falls an. Er ist zwar ein harter, äh, Hund, aber beileibe kein Unmensch. Wer sich allerdings an Gills Berserkern beim Sodom-Kontrakt erinnert (bei dem er einen Teil der von Brüssel gedeckten Korruptions- und Kinderschänder-Internationale dorthin geschickt hat, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann), weiß, daß es auch diesmal nicht bei schnurrig-verklärter Soft-Krimi-Schmeichelei bleibt.

Wenn Gill nämlich grantig wird und zuhaut, bleibt üblicherweise nur verbrannte Erde zurück. Und wenn er über versteckte Lagerhallen gewissenloser Tierversuchs-Zulieferer einer vollkommen ethikfreien Pharma-Industrie dann an jene Plätze gelangt, die hinter den Kulissen einer von organisierter Konzern- und Polit-Kriminalität ausgetrommelten und in Wahrheit längst zerschlagenen "Demokratie" angesiedelt sind, darf man sich auf eine von Blut und Beuschel getränkte Reise ins Herz der Finsternis einstellen, bei der sogar Dirty Harry das Handtuch geworfen hätte.

Nicht so Gill. Was mit der Entführung des kleinen schwarzen Kätzchens beginnt, bringt den Protagonisten auf die Spur einer international agierenden Satanistenbande, in der Angehörige mitunter höchster Kreise verkehren. Auch die Dortmunder Polizei ist hinter den Teufelsanbetern her, seit sie ein Massengrab voller getöteter schwarzer Kinder entdeckt hat. Die Spur der Opfer und der kriminellen Hintermänner führt Gill, seinen besten Freund Karibik-Klaus und die Polizei-Kriminalistin Alexa Bloch ins schwarze Herz Afrikas, zu völlig pervertierten Kindersoldaten und Kannibalen.

Im Lauf der Handlung verschlägt es den Ermittler dann auch noch nach London, Wien und in eine Burgruine an der Donau, wo das blutige Treiben seinem Höhepunkt entgegenrast.  Gill schießt sich seinen Weg durch ein Gestrüpp, das nicht zuletzt den ganz normalen Irrsinn beherbergt, den uns die russische Mafia, lobbysierende Beamte und die "Medienkellner" (copyright Compart) der EU als notwendigen Fortschritt einreden. So lange man halt nicht hinter den schmutzigen Vorhang schaut. Gill tut das allerdings.

 

Und Martin Compart sowieso. Und er hat dermaßen viele historische und Hintergrund-Fakten in "Die Lucifer-Connection" einfließen lassen, daß man sich beim Lesen gelegentlich fragt, ob die angedeutete Wirklichkeit nicht noch tausendmal schlimmer ist als das, was man hier als Fiction um die Ohren gehaut bekommt.

Nein, eigentlich fragt man sich das nachher nicht. Dazu ist das Ganze nämlich zu gut recherchiert.

Daß der zum Teil im EVOLVER als Fortsetzungsroman veröffentlichte, jedoch völlig neu überarbeitete Mix aus hardboiled Thriller und Infotainment (ein Sch…-Wort, aber es trifft’s irgendwie) stilistisch gelegentlich etwas rumpelig daher kommt, tut der Lesefreude keinen Abbruch und offenbart Ähnlichkeiten zur musikalischen Herangehensweise der von Compart sehr verehrten Rolling Stones, so ca. ’68-’72, als die Endergebnisse auch immer mehr waren als die Summe ihrer bisweilen scheinbar unzusammenpassenden instrumentalen Einzelteile.

"Räudiges Rumpeln" hat das ein Musikjournalist einmal genannt.

Wie in einem guten Song entwickelt Compart in seinem neuen Roman einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, auch wenn einem beim Lesen aufgrund der Schilderungen des Autors manchmal das Frühstück hochzukommen droht. Und trotz der mitunter forcierten Gewalt- und Ekel-Exzesse haben wir es nie mit einer selbstzweckhaften Nummernrevue zu tun. Gills Wut auf die "die Verhältnisse" überträgt sich auch auf den Leser; und diese Wut läßt sich in einer bewußt gehaltenen Distanzlosigkeit des Autors zu den Geschehnissen ausmachen, die ein wenig an Joe Lansdale oder Jack Ketchum erinnert (jeder von ihnen ebenfalls ein großer Humanist). 

Zudem hat Compart wieder einmal den Beweis erbracht, daß in der sogenannten, vom globalen Obergscheiterltum gern übel beleumundeten Genreliteratur mehr Wahrheiten enthalten sein können als in der subventionierten, inhaltlich und formal meist trostlosen Literaturpreisbelletristik unserer Tage und Breiten.

"Die Lucifer-Connection" ist ein Buch für Menschen, die packend verfaßte Thriller ohne postmodernes Ironie- und Befindlichkeitsgeplänkel schätzen und (dennoch - oder gerade deswegen) auch wissen, wie man beispielsweise "Scholl-Latour" schreibt. 

 

Und (das muß gesagt werden, auch wenn jetzt ein kleiner Spoiler-Alert angeht): Der Katze geht’s gut. 

Thomas Fröhlich

Martin Compart: Die Lucifer-Connection

ØØØØ 1/2

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EVOLVER BOOKS (Ö 2011)

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