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Schmauchspuren #42

James Bond ist wieder da! Und zwar als - erstaunlicherweise ziemlich gelungener - Roman, bevor er wieder auf Kinoeinsatz geht. Jörg Fauser ist leider immer noch weg, aber sein Werk besteht weiter. Das alles freut unseren Krimifachmann Peter Hiess. So wie ihn manches andere ärgert.    21.01.2015

Peter Hiess

Jeffery Deaver - Carte Blanche

Blanvalet 2012

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Sein Name ist Bond, James "Ich habe einen Schreibtisch beim Geheimdienst und habe in Afghanistan gegen die böse al-Qaida gekämpft" Bond.

Klar, wenn man das so sieht ... Wenn es einen stört, daß 007 aus seiner goldenen Zeit gerissen wurde, als es noch den Kalten Krieg und exzentrische "evil masterminds" gab; wenn man sich daran stößt, daß der Agent mit der Lizenz zum Töten kein ebenso weltgewandter wie sadistischer Playboy mehr ist, sondern ein Schnösel aus gutem Hause, der widerspruchslos für die Neue Weltordnung killt; wenn man sich nicht darüber freuen kann, daß Personal wie M und Q schon wieder ersetzt wurde - ja, dann sollte man bei den frühen Filmen mit Sean Connery (dem einzig wahren Bond) bleiben.

Kann man aber damit leben, daß das erfolgreiche Franchise nicht nur im Kino (aktuell mit Daniel "Putin" Craig), sondern auch literarisch weitergeführt wird, so ist Jeffery Deavers Roman "Carte Blanche" eine eindeutige Empfehlung. Immerhin haben die Erben des Bond-Erfinders Ian Fleming den Lincoln-Rhyme-Erfinder Deaver hochoffiziell zum Schreiben eingeladen. Sein Bond bereist in Sachen Terrorabwehr leinwandfreundlich die Welt, um einen wirklich ekelhaften Gegenspieler zu besiegen. Dabei ist die Ermittlungs- und Detektivarbeit so gut beschrieben, daß man das neue Bond-Abenteuer trotz anfänglicher Vorbehalte gern und in einem Zug durchliest. Und irgendwann feststellt, daß der wahre Feind die Internationale der Abfall-Recycler ist. Wir haben´s immer schon vermutet.

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Elmore Leonard - Dschibuti

Eichborn 2011

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Ebenso Hollywood-kompatibel angelegt ist der Roman "Dschibuti" des Western- und Krimi-Vielschreibers Elmore Leonard, der durch diverse Verfilmungen auch über die Genregrenzen hinaus bekannt wurde. Leider steckte hinter einem der Streifen Quentin Tarantino - und seither scheint Leonard der irrigen Annahme zu unterliegen, daß postmoderne Zitate, Verwirrspiele mit den Erzählebenen und ein flapsiger Stil extracool seien. Falsch. Solche Manierismen führen nur dazu, daß der Meister der sozialen Beobachtung - zumindest in diesem Fall - viel von seiner Coolness verloren hat. Der Roman über eine schöne und naturgemäß Oscar-prämierte Dokumentarfilmerin, die mit ihrem schwarzen Oberchecker eine Doku über somalische Piraten drehen will und dabei superlässige Milliardäre, Models, Terroristen (hört das nie auf?) und Piratenkapitäne kennenlernt, ist einfach nur wirres Zeug. Der Trick, den Plot im Rückblick, bei der Betrachtung der Filmaufnahmen am Laptop, zu erzählen, geht leider nicht auf. Und "Jackie Brown" war übrigens auch Unfug. So.

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Jörg Fauser - Werkausgabe in neun Bänden

Diogenes Tb. im Schuber 2009/2012

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Gar nicht genug und oft genug empfehlen kann man hingegen das Gesamtwerk des deutschen Schriftstellers Jörg Fauser, dessen Todestag sich heuer zum 25. Mal jährt. Fausers Distanz zur unsäglichen 68er-Bewegung fing schon damit an, daß er damals als Junkie in Istanbul lebte (wie er in seinem genialen autobiographischen Roman "Rohstoff" beschreibt). Auch später kochte er lieber sein eigenes Süppchen, schaffte es, den amerikanischen Noir-Roman in eine deutsche Szenerie einzubetten ("Der Schneemann", "Das Schlangenmaul") und schrieb zudem Gedichte sowie Artikel und Essays, die ebenfalls in der neu aufgelegten Werkausgabe enthalten sind. Nicht nur für Krimileser unerläßlich.

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Will Elliott - Intrusion

Piper Tb. 2012

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Problemlos ersparen kann man sich hingegen den Australier Will Elliott und seinen neuen Roman "Intrusion", dessen deutscher Titel nicht nur an "Inception" erinnern soll, sondern der unerklärlicherweise auch noch als Thriller vermarktet wird. Dabei handelt es sich beim Nachfolger des unsympathischen Ebenfalls-nicht-Thrillers "Hölle" um ein Horror-Mystery-Machwerk ohne Hand und Fuß: Ein junger Mann erwacht nach seinem Selbstmordversuch in der Jenseitswelt Nightfall und erlebt dort sinnlose, langweilige Abenteuer mit blödsinnigen Klischeegestalten. Das Spiel mit den Realitäten dürfte daher rühren, daß der Autor selbst den Faden verloren hat. Gewäsch.

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Max Allan Collins - Quarry’s Ex

Hard Case Crime (Titan Books) 2011

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Womit uns als würdiger Abschluß dieser Kolumne die zweite Veröffentlichung der geschätzten Reihe Hard Case Crime im neuen Verlag Titan Books bleibt. Das Format hat sich geändert (Trade Paperback statt traditionelles Taschenbuch), der Fokus auf Pulp-Noir ist geblieben - wie sich auch beim mittlerweile neunten Roman um Max Allan Collins’ Profikiller, "Quarry’s Ex", zeigt. Der Auftragsmörder ohne Vornamen ist darin im Jahr 1980 angelangt und berichtet von den Anfängen seiner Karriere, als er aus Vietnam zurückgekehrt war und seine Frau mit einem anderen erwischte. Mittlerweile ist er darauf spezialisiert, für Geld andere Profikiller auszuschalten. Und dabei trifft er auch auf seine betrügerische Ex: beste Unterhaltung, diesmal ganz ohne Zwang zum postmodernen Zitat. Da kann sich Leonard ein Beispiel nehmen.

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"Schmauchspuren"


... erscheint in gedruckter Form seit 2005 in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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Kommentare_

Xavier LeBo - 22.01.2015 : 00.48
“Da kann sich Leonard ein Beispiel nehmen.” - Tja, wenn er denn noch könnte…

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