Print_Andreas Winterer - Scott Bradley

Commander Bradley gegen das Universum

Die soeben brandneu erschienene Story-Sammlung über das "New Ace in Space" ist Hardcore-SF von der schlimmsten Sorte. Und absolut lesenswert.    14.08.2011

Dort, wo der Weltraum aufhört und auch die guten Sitten Pause machen, irgendwo da draußen, wo die am wenigsten von einer Sonne beschienene Stelle des Universums liegt, dort ist Scott Bradley anzutreffen. Ein wahrer Held der alten Schule, bei dem es Geschützsalven statt Handküsse hagelt und der weiß, daß man nicht immer mit gezogenem Blaster ins Feld stürmen muß, wenn man in gefährlichen Situationen auch ein Mannschaftsmitglied vorausgehen lassen kann. Von denen gibt es dank überzeugender Altersvorsorgeprogramme beim Militär und in der Terrorszene jede Menge, sodaß sich Bradley um Nachschub nicht zu sorgen braucht.

Den vielen Statisten, die durch ein buntes Magnum-Hemd oder einen Lady-Gaga-Kampfpanzer als entbehrlich markiert sind, verdankt Bradley (Untertitel: "... our new Ace in Space!") genaugenommen seine belletristische Existenzberechtigung. In seinem Romanerstling "Cosmo Pollite" ließ Autor Andreas Winterer die Randfiguren des Geschehens nämlich nach Romanheften über die Abenteuer eines gewissen Scott Bradley greifen – und die wurden nun von EVOLVER BOOKS als handliche Anthologie auch in diesem Teil des Weltraums veröffentlicht.

" 'Cosmo Pollite' war ein einigermaßen zahmer Roman. Im ganzen Buch stirbt niemand außer einem Roboter", sagt Winterer: "Bei Scott Bradley wollte ich einmal die Sau herauslassen." Kein Wunder, daß der Protagonist dann auch öfters durch Szenarien schreitet, gegen die ein Kükenschredder wie ein Streichelzoo wirkt. Das Schöne daran ist aber: Alle haben ihren Spaß dabei, vielleicht mit Ausnahme von Magnum und Lady Gaga. Wo sonst kann man durch Blutbäche waten und sich trotzdem sicher sein, daß während aller Schreibarbeiten kein Tier zu Schaden kam (außer es war zum Verzehr geeignet)? Bei Hermann Nitsch hätte ich Bedenken.

 

Die Sau hat der Verfasser also tatsächlich rausgelassen, und dankenswerterweise bei EVOLVER BOOKS und keinem großen Verlag, wo eine solche Sammlung vermutlich auch nicht möglich gewesen wäre, weil sie seitlich an den Sonnensystemen des breiten Geschmacks vorbeisegelt. Im Buch sind insgesamt 21 Missionsberichte enthalten (drei davon von Franz Grieser und Peter Hostermann), nebst Epilog und Prequel, die allesamt mitten in der Handlung beginnen und auch schon wieder aufhören, bevor die Dinge zu einem mehr oder weniger korrekten Ende gebracht werden.

In jeder Geschichte schaut man Scott Bradley ein bißchen über die Schulter, wie er gerade versucht, es dem Universum oder sich selbst recht zu machen. Dadurch sind die einzelnen Episoden genaugenommen nur Ausschnitte aus einem weitaus größeren Handlungsbogen, 21 Geschichten von tausenden, die aber - anders als bei Perry Rhodan und ähnlich kosmischen Handlungsreisenden - nur lose miteinander verknüpft sind.

"Man kann ein Buch wie Scott Bradley nicht wirklich ernst meinen", sagt Winterer. "Fast alle Elemente sind nicht nur überhöht, sondern auch überholt, im Vergleich zu dem, was sich die Science Fiction mittlerweile ausdenkt." Dort sei mittlerweile "alles möglich geworden, wodurch das eigentlich Kreative in der Einschränkung liegt. Beim Film haben wir einen solchen Zustand der Beliebigkeit durch 'Sucker Punch' vielleicht auch erreicht."

 

Der in München lebende Autor ist in mehreren Lagern zu Hause. Neben diversen belletristischen Veröffentlichungen befaßt er sich intensiv mit IT-Themen, betreibt ein Blog und ist auch als Medientrainer sowie Ghost- und Copywriter zu haben.

Die große Themenbandbreite spiegelt sich in den vielen Seitenhieben wieder, mit denen er auch in den Scott-Bradley-Geschichten Aktuelles aufs Korn nimmt. So stolpert man etwa über einen gewissen Donald Rumsfeld oder - schon Jahre her - über Helmut Kohl: "Ich bin mit dem Dicken aufgewachsen und ich wußte, der mußte weg", sagt Winterer. "Da ist es schon irgendwie ein schönes Gefühl, wenn man sich literarisch abreagieren kann." Und auch die Borg aus "Star Trek" fehlen nicht in der tachyonenbeschleunigten Science-Fiction-Revue, die von der Idee her eine der originellsten und ansonsten witzigsten Genre-Veröffentlichungen des Jahres ist. Daran wird sich wohl auch in den kommenden Monaten nichts mehr ändern.

 

 

Im nachfolgenden Video "wInterview" sehen Sie ein Gespräch mit Andreas Winterer, das im Juli 2011 in München aufgezeichnet wurde.

 

Chris Haderer

Andreas Winterer: Scott Bradley

ØØØØ 1/2

... our new Ace in Space!
Blondinen, Blobs & Blaster-Schüsse

Leserbewertung: (bewerten)

Politisch unkorrekte Weltraum-Satiren von Andreas Winterer (mit zusätzlichen Missionsbeschreibungen von Franz Grieser und Peter Hostermann)

 

Evolver Books (Ö 2011)

ca. 220 Seiten, ISBN 978-3950255836

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Kommentare_

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