Die Hippie-Yuppie-Symbiose

Wenn jemand über den "Lebensstil der neuen Elite" schreiben will und sich derselben gleichzeitig via Klappentext zurechnet, glaubt man zu wissen, was einen erwartet. Aber hier übertrifft die Wirklichkeit die kühnsten Erwartungen.

"Bobos", so nennen sich die Vertreter der neuen Elite - wenn man ihrem selbsternannten Sprecher Glauben schenken will. Der Mann heißt David Brooks, ist leitender Redakteur des "Weekly Standard" und verdient zuviel Geld. Das ist nämlich eines der herausragendsten Merkmale des sogenannten "Bohémien bourgeois" - oder kurz Bobo, womit das neue Jahrtausend endlich sein eigenes grausames Wortungetüm hat, bei dem es aufrechten Spießern und überzeugten Bohémiens den Magen umdrehen muß.

Brooks liebt sie innig, die Angehörigen seines Standes, und er beschreibt ihre Verhaltensweisen und Strategien zum Loswerden überschüssiger finanzieller Ressourcen mit entsprechender Akribie. Dabei findet er manchmal sogar zu einer Art Ironie: Das neue Establishment der Bobos hat laut Autor die Gegenkultur der Sechziger mit dem Karrierismus der Achtziger zu einer diese Gegensätze überbrückenden Lebenskultur verbunden. Wie das geht? Mit einer Lebenslüge, an der Henrik Ibsen seine helle Freude gehabt hätte.

In den Vereinigten Staaten ist der neue Verdienstadel gerade dabei, den alten Geldadel aus seinen letzten Nischen zu vertreiben. Herkunft und Vermögen werden von anderen, nicht minder fragwürdigen Kriterien für die Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Elite verdrängt: College- und Universitätsabschluß, Karriere und Beruf der Eltern. Nicht mehr das zählt, was man hat (was der Passierschein zur überkommenen Welt der "White Anglo-Saxon Protestants" war) - sondern das, was man verdient. Gehaltszettel, Sonderboni und Aktienoptionen sind die Erkennungszeichen der Bobos. Das ist unabhängig vom jeweils ausgeübten Beruf: Ob Broker oder Journalist, ob Anwalt oder Künstler - die Höhe der Honorare macht aus einem Underdog einen Angehörigen der Elite.

Die Bobos müssen in einem schier zerreißenden Spannungsfeld bestehen. Sie sind Vertreter einer Elite und wurden doch in einem elitenfeindlichen Geist erzogen, sie leben im Überfluß und sind doch im Grunde ihres Herzens anti-materialistisch eingestellt. Sie gerieren sich als das Anti-Establishment und sind doch dem Establishment zuzurechnen. Man bekommt geradezu Mitleid mit dem Autor und seinen von ihm für Bobos gehaltenen Lesern. Aber wehe, man stellt sich freiwillig ins Abseits: David Brooks hat nur Verachtung für die "paar Trottel, die für ein obszön geringes Salär ihre Intelligenz ausbeuten lassen". Wie gut, daß ich ein Bobo bin!

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Über den Autor:
Das Wichtige zuerst: David Brooks ist Bobo. Nach seinem Coming-out im besprochenen Buch können wir dies guten Gewissens behaupten. Sein durchschnittliches Monatssalär teilt er uns leider nicht mit. Details zu seiner Karriere: Brooks war als Europa-Korrespondent des "Wall Street Journal" tätig und ist heute leitender Redakteur des "Weekly Standard". Außerdem schreibt er für renommierte Blätter wie die "New York Times" oder "Newsweek". Und er verfaßt Bücher, die Tom Wolfe ganz toll findet.