Girls wanna have fun

Im öden Ternitz revoltieren zwei Mädels gegen den provinziellen Mief und träumen von Amerika, Freiheit und Liebe. Das Spielfilmdebüt der österreichischen Regisseurin Mirjam Unger ist leider nur zwiespältig.

Ternitz ist die exemplarische Ödnis. Wer überleben will, muß möglichst von hier schnell abhauen. Für die zwei Freundinnen Betty und Lilly (Sonja Romei und Nina Proll) bedeutet die große Freiheit von Kleinstadtmief, desolater Familie und nervigen Dorfjugendlichen Amerika - genauer gesagt, Tennessee - und seine Mythen. Die im örtlichen Hundesalon angestellte Lilly träumt, vom verstorbenen Vater erblich vorbelastet, von Elvis Presley und Rock´n´Roll, die blonde Automechanikerin Betty von einer weißen Harley, endlosen Highways und einem Pamela-Anderson-Busen. Mit unterschiedlichen Strategien verfolgen sie die Erfüllung ihrer farbenprächtigen Phantasien. Lilly sieht die ihre wenigstens ansatzweise im Küchengeräte verkaufenden Imitator des Kings, "El Bresli" (Gerald Votava), personifiziert. Beim Versuch, ihm möglichst nahezukommen, verliebt sich Betty in den farbigen Bühnenarbeiter Bruce (Adé Separa). Als sich Lilly ein persönliches Treffen mit dem hüftwackelnden TV-Star erschwindelt, droht die Freundschaft zu zerbrechen. Doch nach recht unglamourösen Konfrontationen mit der Wirklichkeit von El Bresli, der romantischen Liebe und Busenvergrößerungen (mit Mathieu Carrière in einer solidarischen Gastrolle als Schönheitschirurg) schweißt sie der gemeinsame Traum wieder zusammen.

Der erste abendfüllende Spielfilm von Mirjam Unger weist natürlich Schwächen auf, auf die man sich mit Häme stürzen könnte. Aber gleichzeitig gelingt der 30jährigen Regisseurin und Radiomoderatorin ein nettes, verständig-ironisches Porträt zweier unangepaßter Durchschnitts-Girls, die der miefigen Provinzenge mit einer gewissen Exzentrik und überbordender Phantasie entfliehen. Die kleinen und großen Sehnsüchte, Erwartungen an die Männer, Liebe und Schönheit sowie die Ups and Downs einer richtigen Mädchenfreundschaft funktionieren hier durch liebevolle Details und vor allem die engagierten Hauptdarstellerinnen. Sonja Romei und besonders Nina Proll trösten oft über krasse Einbrüche der Story hinweg.

Denn die größte Schwachstelle ist das mitunter recht krude Drehbuch und seine Sprache, die anscheinend ordinär mit pubertär verwechselt. Die Vorgabe Ungers, einen Popfilm zu drehen, ist ehrgeizig und hierzulande mehr als selten. Und die Grundidee, US-Pop-Mythen in heimische Verhältnisse zu transponieren, funktioniert im Ansatz sogar ganz gut: Landschaften und Wien werden klischeefrei und selbstverständlich eingesetzt, ohne peinliche sozialpornographische Milieustudien. Dazu trägt auch die Arbeit des früheren Fassbinder-Kameramanns Jürgen Jürges bei, mit atmosphärischen Momenten - etwa, wenn Betty und Lilly glückselig in Cowboydress und Kleidchen unter freiem Himmel tanzen. Christof Kurzmann und Fritz Ostermayer unterlegten den Film mit einem schön-stimmigen Soundtrack, und die befreundeten Laiendarsteller liefern recht respektable Leistungen.

Aber Mirjam Unger hat offenbar nicht nur den fantastischen "Heavenly Creatures" von Peter Jackson gesehen und wollte sich daraufhin nicht bloß mit einem netten Girls-Film begnügen, sondern irgendwie einen ultimativen, lässigen Popfilm machen. Und da ist ihr einiges entglitten: bizarres Styling, überdrehte Einfälle, die weder lustig noch jugendlich wirken, eine schwer outrierende Brigit Doll als Mutter und ein Zuviel an allem legen leider einmal mehr die generellen Probleme vieler österreichischer Filme offen. Und die sind nicht auf Geldmangel zurückzuführen (für diesen Streifen gab´s 15 Millionen Schilling), wie grandiose US-Indies mit Mikro-Budgets (z. B. Darren Aronofskys "Pi" oder Robert Rodriguez´ "El Mariachi") beweisen. Die Probleme liegen bei den Stories bzw. einem Sich-Nicht-Beschränken-Können und zu wenig Vertrauen, daß auch kleine Geschichten funktionieren, ohne sie mit Weirdness aufzufetten. Mirjams Ungers Mut, Pop-Elemente und Eigenständigkeit einführen zu wollen, ist okay, letztlich scheitert sie aber an ihrer Unentschiedenheit.

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