Eine Liebe in Hongkong

Durch Zufälle lernen sich eine Frau und ein Mann im Hongkong der 60er Jahre kennen und lieben: Wong Kar-wais "In the Mood for Love" erzählt von Untreue, Einsamkeit, Sehnsucht und einem Paar, das zusammenzugehören scheint, aber nicht zueinander findet.

Hongkong, 1962. Als Mrs. Chan, Su Lizhen (Maggie Cheung), mit ihrem Mann ein Appartment mietet, zieht zufällig am selben Tag der Journalist und Schriftsteller Chow Mowan (Tony Leung) mit seiner Frau in die Nachbarwohnung ein. Die Ehepartner der beiden sind häufig berufsbedingt verreist. Su Lizhen verbringt die einsamen Tage mit immer gleichen Ritualen: Nach ihrem Job als Sekretärin holt sie Essen aus einem nahen Restaurant und sieht ihren Vermietern beim Mahjong-Spiel zu. Fast täglich trifft sie dabei auf Chow. Die Einförmigkeit und Grußbekanntschaft endet, als er sie zum Essen einlädt und sie sich eingestehen, daß ihre Partner miteinander ein Verhältnis haben. Als sie versuchen, den Grund dafür herauszufinden, um ihre Enttäuschung zu verstehen, schlägt Chow seinerseits eine Affäre vor und versucht, die schöne, junge Frau zu verführen. Bei der anfänglich als Schicksalsgemeinschaft gebildeten Zweisamkeit, bei der man Aussprachen und Abschiede probt, kommen sie sich aber immer näher. Und Chow muß langsam erkennen, daß er sich in sie verliebt hat. Vier Jahre später kehrt er aus Singapur in das Hongkonger Wohnhaus zurück. Alles hat sich verändert, Su Lizhen lebt hier allein mit ihrem Kind. Eine zufällige Begegnung verfehlen sie um Haaresbreite. Am Ende des Films steht Chow in den Tempelruinen von Angkor Wat und flüstert ein Geheimnis, das niemand jemals erfahren darf, in ein Mauerloch.

Wer meint, daß Liebesfilme - und ganz besonders traurige -, sich alle ein wenig ähneln, der irrt bei "In The Mood For Love" gewaltig. Meisterregisseur Wong Kar-wai ("Fallen Angels", "Happy Together") verfährt nämlich ganz untypisch. Er spart das Offensichtliche aus (z. B. sind die betrügenden Eheleute nie zu sehen) und erzählt an scheinbaren Nebensächlichkeiten das, was wir nur selten zu sehen bekommen: die Gefühle zweier Menschen, ihre widersprüchlichen Stimmungen und Empfindungen. In unzähligen, detailreichen Wiederholungen und "Probeszenen", die geschickt immer wieder die Erwartungshaltung des Zusehers unterlaufen, vollzieht sich die Annäherung und beginnende Liebe zwischen Su Lizhen und Chow für Akteure und Publikum gleichermaßen langsam und unmerklich. Und die filmische Reflexion über Treue, Aufrichtigkeit und Enttäuschungen in Beziehungen legt auch Elemente offen, die zugleich absurd und schmerzhaft sind: Umgeben von Treuebrüchen und Erzählungen über Ausschweifungen, bleiben sexuelle Begegnungen zwischen den beiden ein Geheimnis, gibt es letztlich aus den Konventionen keinen für sie akzeptablen Ausweg. Der großartige Verdienst des 1958 in Shanghai geborenen Filmemachers ist es, daß er die an sich kleine, banale Geschichte, die sich auf der Welt tagtäglich so oder ähnlich abspielt, zu etwas exemplarisch Poetischem erhebt und diesem so alltäglichen Leid der Personen Würde verleiht.

Wong Kar-wai, sicher einer der besten Regisseure zur Zeit, dessen bisherige Kultstreifen wie „Fallen Angels“ oder „Happy Together“ eher schnelle, cool gestylte Beziehungsproträts waren, übt sich in „In the Mood for Love“ in ungewohnter Langsamkeit. Die Intimität und traurige Romantik zwischen den Protagonisten teilt sich hauptsächlich über Gesten und Blicke mit und entwickelt eine nachhaltige Faszination, der man sich kaum entziehen kann. Genausowenig wie der filmischen Perfektion, die mit einer Fülle von grandiosen Details eine hoch artifizielle Ästhetik schafft: Einmal mehr zaubert der Ausnahme-Kameramann Christopher Doyle ("Away With Words") poetisch-sinnliche Bilder, wenn Maggie Cheung ("As Tears Go By", "Irma Vep") in eleganten Sixties-Kleidern über Stufen oder durch rotplüschige Korridore schreitet und mit Tony Leung ("Bullet in the Head", "Happy Together"), der für seine Rolle in Cannes die Goldene Palme erhielt, in überbordenden Dekors zum verhaltensten Liebespaar seit langem verschmilzt - unterlegt von einem wunderbaren Soundtrack.

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