Das Beste zum Schluß

Nach nur 13 Episoden geht die "Babylon 5"-Nachfolgeserie "Crusade" vorerst zu Ende, weshalb das bei Warner Home Video erschienene Volume 1.06 der Video-Edition auch drei Episoden enthält anstelle der üblichen zwei.

Das von Regisseur J. Michael Straczynski konzipierte Spin-off beginnt dort, wo "Babylon 5" endet: knapp nach der Verseuchung der Erde durch ein außerirdisches Virus aus dem Waffenarsenal der "Schatten". Nach deren Niederlage in einem interstellaren Krieg (zu besichtigen in der vierten "Babylon 5"-Staffel "No Surrender, No Retreat") wird der tödliche Erreger in einem Rachefeldzug ehemaliger Schatten-Kriegsdiener, der Drakh, in der Erdatmosphäre verteilt. Von da an bleiben den Menschen noch fünf Jahre bis zum Exitus - eine Zeit, die Captain Gideon ("American Gothic"-Horror-Sheriff Gary Cole), Kommandant der Excalibur, nützen soll, um irgendwo im All ein Mittel gegen den Virus zu finden.

Wie die "Babylon"-Serie sollte es "Crusade" eigentlich auf fünf Seasons bringen - ein Plan, den Produzent TNT noch während der Dreharbeiten über den Haufen warf. Bereits vor der amerikanischen Erstausstrahlung wurde die Produktion, nach Fertigstellung der Epsiode "Each Night I Dream of Home" ("Die Entscheidung"), eingestellt. "Babylon 5"- und "Crusade"-Erfinder Straczynski führt den Produktionsstop auf Kompetenzstreitigkeiten zwischen den TNT-Niederlassungen an der Ost- und Westküste zurück, die "völlig unterschiedliche Interessen an dem Projekt hatten". Das allein kann aber nicht ausschlaggebend gewesen sein, denn die ersten Episoden von "Crusade" sind - gemessen an der Vorgängerserie - erbärmlich schlecht. Trotz ausgefeilter Spezialeffekte und einer ausgesuchten Besetzungsliste will in den ersten fünf auf Video erschienenen Volumes keine Stimmung aufkommen - eine banale Handlung mit Hang zur Fadesse und eine ebenso plakative wie seelenlose Zeichnung der Charaktere lassen die Hand recht schnell zur Fernbedienung wandern.

Auf ihrem wöchentlichen Trip benimmt sich die Excalibur ein bißchen wie die USS Enterprise: jede Episode ein neues, in sich abgeschlossenes Abenteuer, bei dem nur der Ansatz einer Rahmenhandlung zu erkennen ist. So wie beispielsweise in "Star Trek: Deep Space Nine" die wechselnden Bedrohungen durch Cardassianer oder das Dominion von einer Vielzahl von Einzelabenteuern in den Hintergrund gedrängt wurden, scheint es sich bei der Suche der Excalibur nach einem Gegenmittel um eine Nebensache zu handeln. Neue Erkenntnisse über das Schatten-Virus gewinnt die Crew erst in Episode 13, die vorerst auch die letzte ist. Doktor Franklin, der ehemalige Leiter des MedLab auf Babylon 5, kommt von der verseuchten Erde an Bord und führt ein Experiment durch. Um die Ausbreitung des Virus im menschlichen Körper studieren zu können, wird ein Freiwilliger mit der Todesseuche infiziert. Das Ergebnis: Das Virus ist nicht biologischen Ursprungs, sondern basiert auf Nanotechnologie (schöne Grüße an die Borg) und ist so intelligent, daß es gezielt mutiert und tötet. Für den Freiwilligen, dessen Lebenserwartung innerhalb weniger Minuten dramatisch geschrumpft ist, geht jedoch ein Herzenswunsch in Erfüllung: er kann zu seiner Geliebten auf die unter Quarantäne stehende Erde heimkehren.

Ein versteckter Hinweis auf das drohende Startverbot für den intergalaktischen Medicopter fand sich bereits im fünften Volume. Da stellt Gideon nämlich fest, daß der Menschheit möglicherweise nur noch wenige Monate bleiben - und nicht fünf Jahre, wie ursprünglich angenommen. Paradoxerweise gehören aber gerade die letzten drei Episoden zu den besten der ganzen Serie - was die schwache Hoffnung schürt, daß sich ein anderer Sender (etwa der Science Fiction Channel) der Serie annehmen und ihr die Chance zur Weiterentwicklung geben könnte. Denn auch "Signs and Portents", die erste Staffel von "Babylon 5", litt unter herben Mangelerscheinungen, die schließlich durch den Austausch der Hauptfigur - Bruce "Tron" Boxleitner ersetzte Michael O´Hare als Kommandant von B5 - erfolgreich ausgeglichen wurden. Als einziger "Crusade"-Video-Release ist das vorliegende Volume 1.06 durchaus auch für ein Publikum interessant, das nicht zum Stammkundenkreis von "Babylon 5" gehörte.

Überraschend witzig ist z. B. die zweite Vol. 1.06-Episode, "Verschwörer" ("Visitors from Down the Street"), eine kleine Hommage an die erfolgreichen "X-Files". In einer im All treibenden Rettungskapsel findet die Excalibur zwei menschenähnliche Wesen: einen Mann und eine Frau, die beide irdische Konfektionsanzüge tragen. Gideon findet heraus, daß es sich bei den Wesen um Regierungsagenten eines fremden Planeten handelt, die einer "Verschwörung des Schweigens" auf die Spur gekommen sind; ihre Regierung will die Existenz außerirdischen Lebens geheimhalten. Menschen sollen die Drahtzieher des Komplotts sein, das auf die Herrschaft über den Heimatplaneten der Fremden abzielt. Mit ihrer Flucht ins All wollen Alien-Mulder und Bug-eye-Scully den finalen Gegenbeweis erbringen.

Erst die Ankunft eines dritten Außerirdischen - The Cigarette-smoking Man - lüftet das Geheimnis. Die Geschichte seines Volkes ist voll von "Bürgerkriegen, die immer dann ausbrachen, wenn unsere Regierung ein Versprechen nicht erfüllt hat. Wenn mein Volk erst einmal jemanden gefunden hat, dem es die Schuld an allem geben kann, dann ist derjenige meistens sehr schnell tot." Als vor mehr als 200 Jahren erstmals irdische Radiosignale aufgefangen wurden, entschloß sich die Regierung, den "Außerirdischen" die Schuld an allem zu geben - und ihre Existenz gleichzeitig abzustreiten. "Seit wir diese Verschwörung kreiert haben, können wir uns entspannen. Wird das Budget gekürzt, waren es die Außerirdischen. Wenn etwas schiefgeht, müssen es die verdammten Außenweltler sein." Und was die außerirdischen Bundesagenten gesehen haben, wird die Legende weiter am Leben erhalten - wie auch ein Beweisphoto, das der Weltraum-Mulder kurz nach seiner Ankunft vor Gideon ausbreitet. Es zeigt den Mt. Rushmore mit den in Fels geschlagenen Porträts amerikanischer Präsidenten aus der Vogelperspektive, aufgenommen von einer unbemannten Raumsonde: "Da die Regierung behauptet, auf anderen Planeten existiere kein Leben, besteht man darauf, daß es sich nicht um Gesichter, sondern um eine optische Täuschung aus Licht und Schatten handelt."

So sieht einer der wenigen guten Momente von "Crusade" aus, der erahnen läßt, daß die Serie durchaus das Potential gehabt hätte, eine über ihre "Babylon 5"-Wurzeln hinausgehende Identität zu entwickeln. Im Internet hat sich bereits eine Fan-Gemeinde formiert, die mit Petitionen und Laser-Briefen die Weiterführung der Serie fordert - eine zweite Chance, wie sie vor fast dreißig Jahren Captain Kirk & Co. trotz Tausenden Bittbriefen verwehrt geblieben war. Abwarten: Der Kreuzzug könnte weitergehen...

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