Manchmal kommen sie wieder  

Mit dem "Armageddon-Zyklus" belebt Peter F. Hamilton das längst totgeglaubte Genre der Weltraumoper wieder, ohne dabei in überkommene Erzählstrukturen zu verfallen.

Es ist schon einige Zeit her, daß William Gibson, Bruce Sterling und die anderen Autoren der "Mirrorshades"-Anthologie Science Fiction wieder salonfähig machten - zumindest für die hippen Leser von "FACE" und anderen Zeitgeistblättern. Die schnellen, technoiden und brutalen Noir-Stories, die "fünf Minuten in der Zukunft" (siehe auch Max Headroom) handelten, schienen für die letzten Jahrzehnte vor 2000 wie geschaffen und brachten eine Menge - nicht immer gute - Nachahmer hervor. Als dann noch Personalcomputer, Internet und digitale Medien aufkamen, hatte man den Eindruck, die Realität müßte sich bemühen, mit der Fiktion mitzuhalten. Doch selbst der härteste Cyberpunk sehnt sich gelegentlich nach einer richtigen "Space-opera", deren Handlung ganze Äonen und Galaxien umspannt. Und an dieser Stelle kommt der britische Autor Peter F. Hamilton ins Spiel, der mit seiner Trilogie "The Reality Dysfunction" ein in jeder Hinsicht gigantisches Werk geschaffen hat. Das beginnt schon mit dem Umfang der Bücher: Die drei Original-Hardcovers sind solche Wälzer, daß sie für die deutsche Fassung in jeweils zwei Taschenbücher mit beinahe 900 Seiten aufgeteilt werden mußten. Doch der "Der Armageddon-Zyklus" hat mehr zu bieten als bloße Quantität. Von den Ideen, die Hamilton in seinen Roman gepackt hat, könnten andere SF-Schriftsteller wahrscheinlich ihr ganzes Leben zehren. Die Galaxis des Jahres 2600, die dem Leser hier präsentiert wird, ist voller Leben - und der Großteil davon ist humanoid. Die Menschheit hat sich auf Hunderte Planeten ausgebreitet, auf denen jede Fraktion ihren eigenen Lebensstil pflegt, von einer nostalgischen Simulation des historischen Großbritannien bis zu fremdartig anmutenden Gesellschaften, die in Symbiose mit ihren intelligenten Maschinen leben. Zwischen den Kolonien gibt es komplexe Handelsbeziehungen und manchmal auch kleinere oder größere Kriege, wodurch in Hamiltons Universum natürlich auch Platz für handlungstragende Abenteurertypen ist. Und ein paar außerirdische Völker und Artefakte uralter Alien-Kulturen tauchen natürlich auch auf... Als auf einem abgelegenen, nach streng kapitalistischen Profitmaximen neubesiedelten Planeten plötzlich eine neue Bedrohung ihr Haupt erhebt, von Menschen Besitz ergreift und sie zu übermächtigen Kampfmaschinen macht, halten die größeren Mächte die Gefahr anfangs für vernachlässigenswert. Aber bald stellt sich heraus, daß viel mehr dahintersteckt: Anscheinend sind die Seelen aller bisher Verstorbenen in einem alptraumhaften Zwischenreich gefangen und sehnen sich danach, wieder in lebendige Menschenkörper zu fahren. Es dauert nicht lange, bis sich die Plage der "Wiedergeborenen" (die übrigens von Al Capone angeführt werden!) auch auf andere Welten ausbreitet und zu einer Bedrohung für die größeren Reiche und Konföderationen wird. Zwischendurch werden wir noch mit einer verrückten Wissenschaftlerin konfrontiert, die nach Jahrzehnten der Gefangenschaft endlich ihre "doomsday machine" auf die Galaxis loslassen will, folgen der Enträtselung uralter Geheimnisse verschwundener Kulturen und begleiten ein junges Mädchen auf ihrer Odyssee zum Heimatplaneten der Menschheit. Daß der Autor es in dieser großangelegten Weltraumoper schafft, niemals altmodisch zu sein, sondern sämtliche modernen SF-Errungenschaften wie Nanotechnologie, Gentechnik und vercyberte Menschengehirne nahtlos in die Handlungsstruktur einzubauen, zeichnet ihn aus - und macht seine Romantrilogie zur lesenswertesten Zukunftsliteratur seit langem.

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Über den Autor:
Peter F. Hamilton wurde 1960 in England geboren und lebt heute in der Ortschaft Rutland Water. Er begann 1987 zu schreiben und verkaufte bereits 1988 der Zeitschrift "Fear" seine erste Kurzgeschichte. Seine Stories wurden auch in der SF-Publikation "Interzone", etlichen Fanzines und den Anthologien "In Dreams" und "New Worlds" veröffentlicht. Vor "Reality Dysfunction" verfaßte er die ziemlich erfolgreiche Greg