Die New Economy ist tot - es lebe die Smart Economy! Die einzigen, denen das Jahr 2000 den vielbeschworenen Weltuntergang gebracht hat, waren dotcom-Unternehmer. Matthias Horx plädiert in seinem Techno-Report "Smart Capitalism" für ein neues System, das nicht auf (Selbst-)Ausbeutung beruht. Im Gegensatz zu anderen Genrebüchern sollte dieses einen bevorzugten Platz im Regal erhalten - meint Christian Haderer.

Wer hat eigentlich den Begriff "New Economy" erfunden? Und wann? 1995, als die Internet-Lawine langsam ins Rollen kam, existierte er noch nicht. Damals gab es nur ein paar Entepreneure, die den Online-Boom über den Horizont wachsen sahen und den Grundstein für das dotcom-Universum legten. Die meisten von ihnen sind heute Geschichte; leise verstorben, von Konzernen inhaliert oder vom Fegefeuer an der Börse bis auf die Knochen verbrannt. Geblieben ist eine vom Blitz der Erkenntnis getroffene "New Economy" - eine Branche, deren Hauptgeschäftsfelder nicht zuletzt im Erfinden von neuen Telekom-Dienstleistungen und dem Kreieren von Berufsbezeichnungen liegen, die mehr an Buchtitel erinnern als ans mittlere Management (wie beispielsweise der "Head of Consulting", der seine Nähe zu Tolkiens "Lord of the Rings" kaum verleugnen kann).

Ist die "New Economy", die sich von der alten Wirtschaftsordnung u. a. durch "eine krasse Mißachtung von Arbeitnehmerrechten" (Zitat: Hans G. Zeger, Obmann der ARGE Daten) und eine erstaunlich hohe Anzahl von Pleitiers unterscheidet, überhaupt ein Wirtschaftsmodell - oder eher eine archetypische Umschreibung für ein sozialökonomisches Phänomen? Wieviel Spaß kann es schon machen, vierzehn Stunden pro Tag mit verhornten Ellenborgen dem Geld nachzurobben?

"Das ist die zweite Revolution. Das, was die Achtundsechziger damals nicht geschafft haben", zitiert Matthias Horx in der Einleitung von "Smart Capitalism" die Senior-Chefin und Content-Managerin eines deutschen Startup-Unternehmens, die auch den Unterschied zwischen der New Economy und der frühen Blumenkraft kennt: "Damals wollte meines Wissens keiner Millionär werden. Die hier wollen es alle. Und spätestens nächstes Jahr werden sie es sein. Reich. Reich und glücklich. Ist das etwa nichts?"

Es war nichts. Ein Jahr später, nach der Wahrheitsfindung an der Börse, ist es beim Versprechen der Glückseligkeit geblieben. Die New Economy hat begonnen, ihre Kinder zu fressen. Sieht so etwa die zweite Revolution aus? Tatsächlich, so Horx, steht eine Art Revolution vor der Tür. Sie kann zwar auch den Reichtum bringen, allerdings ist Reichtum nicht mehr ihr alleiniges Ziel. "Die neue Ökonomie handelte niemals von Garantien, weder von endlos steigenden Aktienkursen noch von unendlich genialischen Unternehmern", schreibt Horx. "Sie war immer - und ist es heute noch - ein Versprechen: ein Versprechen, daß wir das Bedürfnis nach Wettbewerb mit einer sozialen, schöpferischen und menschlichen Komponente versehen können. Das Versprechen, daß wir gute Arbeit leisten können - Arbeit, die eine Bedeutung hat. Das Versprechen, daß wir Wohlstand damit erzeugen können, daß wir die Werte leben, die uns am Herzen liegen."

Der digitale Kapitalismus verwischt die Grenzen zwischen Berufsleben und Privatsphäre. Horx beschreibt den Übergang (unseres Wirtschaftswertesystems) zu einer Wissensökonomie, mit dem Menschen im Mittelpunkt der Mehrwertschöpfung. "Der Wettbewerb um die kreativen Mitarbeiter humanisiert die Strukturen des Kapitalismus und führt mittelfristig zu Unternehmensstrategien, in denen nachhaltiger mit der Ressource Mensch umgegangen wird. Dies erfordert neue Sozialtechniken und neue politische Strukturen. Unser Leben wird komplexer, aber auch anstrengender."

Horx verwebt die modernen Kommunikationstechnologien miteinander (meist ohne ihrem Hype zu verfallen), hinterfragt sie und ordnet ihnen einen neuen Stellenwert in einer zukünftigen Arbeitswelt zu. (So vertritt er beispielsweise auch die richtige Ansicht, das Internet sei lediglich ein "Vernetzungs-Tool", das früher oder später unsichtbar allgegenwärtig sein wird, jedoch nicht das "Massenmedium", als das es gerne angesehen wird). Eine neue Gesellschaft entsteht - mobil, ortsungebunden, multikulturell (möglicherweise sogar trotz der Ereignisse vom 11. September 2001) und autonom. Wissen und Können sind gefragt; nicht unbedingt das Wissen, wie man eine Schraube in die Wand dreht, sondern eher, wie man am besten mit bestimmten Informationen umgeht, mit anderen auf sozialer Ebene interagiert und damit gute Geschäfte anbahnt.



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.