Die spektakulärste Liga der Welt legt wieder los! Am Sonntag, den 4. September, begann in den USA die neue Saison der NFL (National Football League). Jedes der 31 Teams hat nur ein Ziel vor Augen: die Superbowl XXXV am 28. Jänner 2001 in Tampa, Florida. Benjamin Mann führt EVOLVER-Leser in die fremde, gewalttätige und äußerst seltsame Welt des US-Sports ein.

Nach dem märchenhaften Superbowl-XXXIV-Sieg von Kurt Warner und seinen St. Louis Rams ist in der National Football League die Welt wieder in Ordnung. Warner, der bereits mit seiner Football-Karriere abgeschlossen hatte und in einem Supermarkt für fünfeinhalb Dollar pro Stunde Gemüse verpackt hatte, konnte sich durch eine ansprechende Leistung in der NFL Europe mit 29 Jahren doch noch als NFL-Spieler empfehlen. Allerdings war er bei den Rams eigentlich nur dritter Quarterback, ohne reale Chance auf einen Einsatz. Als sich in kurzer Zeit beide vor ihm spielende Quarterbacks verletzten, nützte Warner jedoch die Gelegenheit. Mit einer der besten Saisonleistungen der letzten Jahre und etlichen Rekorden brachte der No-name-Quarterback seine Rams in den Football-Himmel.

Warner wurde zum "Most Valuable Player" der 99er-Saison und zum MVP der Superbowl XXXIV gekürt, und sein tränenreiches Interview bei der Superbowl gab dem in Vergessenheit geratenen "American Dream" neue Bedeutung.

Party Time

Die NFL ist die spektakulärste und actionreichste Liga der Welt. Kein Spiel vergeht, bei dem nicht neue Rekorde in punkto Show aufgestellt werden. Allen voran steht natürlich das Endspiel um die begehrte "Vince Lombardi Trophy", die Superbowl. Kein anderes Ereignis auf der Welt hat in den USA derartige Einschaltquoten. Die Gesellschaft in Amerika steht am letzten Sonntag im Jänner jedesmal kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Schon Tage vor dem Spiel sind Bier und Knabbereien in den Supermärkten Mangelware, da während des Spiels ca. zehn Millionen öffentliche und private Game-Partys laufen.

Für die Halbzeitpause werden die besten und teuersten Stars angeheuert, um die Zuseher im Stadion und vor den Fernsehern zu unterhalten. Tonnen von Feuerwerkskörpern werden vor, während und nach dem Spiel in die Luft geschossen. Vor einigen Jahren kam es sogar einmal zu einer Verzögerung des Spielbeginns, da die Rauchschwaden im Stadion so dicht waren, daß weder auf den Rängen noch im Fernsehen etwas zu sehen war. Tja, ein Feuerwerk in einer Halle ist halt nicht unbedingt die beste Idee...

Der Hype um die Superbowl ist unglaublich. Wer einmal in den Wochen vor einer solchen Veranstaltung in Amerika war, wird wissen, was gemeint ist. Sämtliche Fernsehstationen bringen "In Depth Coverage" über das Spiel. Alle nur möglichen Analysen werden besprochen und Statistiken (yup, Amerikaner lieben ihre Game-Stats!) verglichen, zerpflückt und nochmal verglichen. Kostproben gefällig? "In Depth Coverage" bei einer Sendung von ESPN: Zwei Experten diskutieren den Favouriten der Superbowl XXXIV (St. Louis Rams vs. Tennessee Titans im Georgia Dome, Atlanta). Unter anderem wurde in dieser Diskussion Kurt Warners Paßqualität bei folgender Situation analysiert: 3-7 Punkte Vorsprung im 3. Viertel, auf Kunstrasen, in einer Halle. In solchen Situationen ist Kurt Warner einer der besten QBs in der Liga. Dagegen wurde aber eine andere Statistik aufgefahren: Die Defense der Titans ist am besten in der 2. Hälfte des 3. Viertels bei 5-10 Punkten Rückstand, auswärts, auf Kunstrasen, im Freien. Und so geht eine Standard-Superbowl-Coverage bei ESPN ca. zwei Stunden lang.

Doch die wirklichen Superlative stellt während der Superbowl die Wirtschaft auf. Es werden keine Kosten und Mühen gescheut, um mit dem Begriff Superbowl Kohle zu machen. Alles Erdenkliche wird mit dem begehrtesten Begriff des US-Sports gemischt und in den Tagen und Wochen vor und nach dem Ereignis schnell auf den Markt geworfen - egal ob Champion-Flakes, GameDay Frozen Yoghurt, Superbowl-Energiedrinks, Football-Computer-, Video,- Karten- und Brettspiele, Videos mit Spiel-Highlights, Musik-CDs, Trikots, Caps und natürlich das legendäre „I´ve been to Superbowl and all I´ve got is this lousy T-shirt“-T-Shirt. Die Kosten für einen 30sekündigen Werbespot während der Superbowl bewegen sich mittlerweile in astronomischen Höhen um die 100 Millionen Schilling.

Lost Boys and Shooting Stars

Nach den letzten beiden Jahren standen große Fragezeichen hinter der Attraktivität der kommenden NFL-Saisonen. Ein regelrechtes Legendensterben setzte ein, denn mit Dan Marino, John Elway und Steve Young verlor die NFL ihre drei beliebtesten Stars innerhalb von zwei Jahren. Zwar standen mit Ryan Leaf, Peyton Manning und Jake Plummer einige junge Stars in der zweiten Reihe, doch vor allem 1998 war ein schwarzes Jahr für die Youngsters. Leaf und Manning lieferten sich ein heißes Duell um den Titel "schlechtester Rookie-Quarterback aller Zeiten", während Jake Plummer durch seine bestenfalls mittelmäßigen Arizona Cardinals auch nicht gerade zum Top-Star avancierte.



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