Fortsetzung...

EVOLVER: Was halten Sie von der derzeitigen deutschsprachigen Krimiszene? Gibt es hier irgendwelche Highlights?
Compart: Sicherlich gibt es inzwischen auch ein paar gute österreichische und deutsche Autoren - aber ich lese die fast nie. Das ist wie mit deutschen TV-Serien: Ich verpasse schon mal den einen oder anderen guten "Tatort" (übrigens möglichst nie die Wiener; ich war ein knallharter Fichtl-Fan - geh´ nach Hause, Schimanski!), aber niemals "Nikita" oder "Bugs". Mir ist das Deutsche zu behäbig. Und bei mir liegen so viele Spitzenbücher, die ich gar nicht alle lesen kann, daß ich mir einfach keine Zeit dafür nehme.
Dazu kommt logischerweise auch die Job-Haltung: immer das lesen, was man vielleicht für den deutschen Markt entdecken kann. Irgendwie liest der Lektor immer mit. Übrigens mache ich natürlich auch um bestimmte Angelsachsen einen großen Bogen: Patricia Cornwell, Martha Grimes, Sara Paretsky und wie diese grauenhaften Weiber alle heißen. Gräßlich! Oder Tom Clancy. Da kann ich doch direkt auf die Homepage der CIA gehen. Und damit kein Mißverständnis aufkommt: Val McDermid finde ich großartig; also steckt mich bloß nicht in eine Anti-Frauen- oder Anti-Lesben-Schublade. Patricia Highsmith, mit der ich schon als Jugendlicher einen Briefwechsel hatte (die arme Frau - ich erinnere mich noch daran, wie sie mich flehentlich darum bat, mir bloß Mr. Ripley nicht zu sehr als Vorbild zu nehmen!), ist einer meiner Top-10-All-Time-Autoren.

EVOLVER: Wie stehen Sie eigentlich zur sogenannten "Political Correctness", die ja heutzutage bis zum Exzeß propagiert und gepredigt wird? Gerade die Noir-Romane sind ja zum Großteil alles andere als politisch korrekt.
Compart: Political Correctness ist nichts anderes als der Versuch einer Gehirnwäsche. Das läuft im Prinzip doch auf nichts anderes hinaus, als Denkblockaden zu errichten. Politisch korrekte Literatur kann darum auch nur Propaganda sein. Und wer bestimmt denn überhaupt, was politisch korrekt ist? Doch nur derjenige oder diejenigen, die über genügend Macht verfügen, um ihre Ideologie verbreiten zu lassen. Political Correctness bedeutet, von anderen eine Moral zu verlangen, die den eigenen Machtinteressen dient.
Und genau darum lese ich Noir - und nicht diesen Donna-Leon-Schwachsinn für alleinerziehende Kindergärtnerinnen mit Orgasmusproblemen oder den CIA-Katalog von Clancy für latente Lederschwuchteln. Noir erzählt keine Lügen und verlangt von den Autoren wahre Kunst. Thomas Bernhard, den ich sehr liebe, war ein Noir-Autor. (Elfriede Jelinek ist übrigens ebenfalls eine.) Genau wie Hammett oder Pelecanos hat Bernhard die politischen Lügen durchschaut - und das ist ja auch eine Aufgabe von Noir. Deshalb verkaufen Lansdale oder James auch längst nicht soviel wie Leon oder Elizabeth George.
Um Noir-Autoren zu lesen, braucht es eine halbwegs ausgeformte Intelligenz. Die Körnerfresser und Steiner-Anthroposophen, die sich mit dieser bestätigenden Detektivliteratur etwas Gemütlichkeit in ihre kleinen Gifthäuserln holen, können mit anspruchsvollen Sachen, die eigenständiges Denken voraussetzen, doch gar nichts anfangen. Wenn es nach mir ginge, hätte man als Käufer von "DuMont Noir "vorher einen Test machen müssen. "Tut mir leid, Sie sind für Robert Janes leider nicht geeignet. Suchen Sie sich mal was anderes aus. Dahinten, wo die Leute beim Lesen die Lippen bewegen. Versuchen Sie es nächstes Jahr nochmal."
Sowas ist ökonomisch natürlich nicht machbar. Aber das Buch als letzter Hort der Aufklärung muß aufpassen, daß die Qualität nicht von der Quantität zertrümmert wird.

EVOLVER: Welches sind Ihre Lieblingsfilme und Lieblingsromane - sowohl innerhalb des Genres als auch generell?
Compart: Hmm, die Lieblinge, das ist verdammt schwer zu beantworten... Klar, der übliche Kanon von Hammett und Chandler bis Crumley - aber ihr wollt sicher neue hören. Neben denen, die ich schon genannt habe, stehe ich momentan ziemlich auf Tim Willocks, Marcel Montecino - aber beide machen halt leider zuwenig - und vor allem Cormac McCarthy. Der schreibt zwar keine Krimis, aber "Outer Dark" und "Blood Meridian" sind wohl mit das Schwärzeste, was ich mir vorstellen kann.
Und zu meinen Lieblingsfilmen gehört natürlich alles von Melville, das Original von "Get Carter", "Villain" (der den schönen deutschen Titel "Die alles zur Sau machen" hatte), "Manhunter" (alias "Red Dragon") und "Heat" von Michael Mann; dann noch "A Simple Plan" - obwohl ich Smith´ Buch lieber mochte, aber es war eine gute Umsetzung. Und weiter? "Point Blank", "Long Good Friday", "Goodfellas" (und eigentlich alles, in dem Ray Liotta durchknallt), "Maltese Falcon", "Der Köper meines Feindes", mit Belmondo und von Verneuil - eigentlich fast alle besseren französischen Crime-Filme -, die Don-Johnson-Klassiker "Guilty As Sin", "Hot Spot" und "Double Bang", "The Friends of Eddie Coyle", "Mr. Majestyk" und "Kalter Hauch". Aber man vergißt natürlich immer was...

EVOLVER: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Compart: Na ja, neben dem üblichen für Print und TV ist das vor allem die Gründung des Verlags Strange, den ich zusammen mit Werner Fuchs und FanPro mache; das bindet ungeheuer viele Kräfte, und ich komme kaum zu meinen eigenen Buchprojekten. Aber dort erscheint dann auch "Der Sodom-Kontrakt", mein erster eigener Roman. Ich wollte den zwar woanders machen, aber Werner bestand aus kalkulatorischen Gründen darauf: "Du kriegst keinen Vorschuß, und wenn die Hälfte deiner Feinde und die Hälfte der Wittener (wo das Buch zum Teil spielt) das Buch kaufen, haben wir einen Bestseller", hat er gesagt. Dabei hat der das nicht mal gelesen! Hätte mich mein alter Freund Helmut Wenske (alias Chris Hyde, der Mann, der der Welt "Rock´n´Roll Tripper" schenkte und Hunter S. Thompson bleich aussehen läßt) nicht dauernd genervt, hätte ich das Buch wohl gar nicht mehr rausgebracht. Aber Wenske ist gefährlich, wenn der sich was in den Kopf setzt.