Stories_ Rokko´s Adventures im EVOLVER #63

Eine kleine DMT-Geschichte

Von Timothy Leary und William S. Burroughs über Alexander von Humboldt bis hin zu den Ausführungen von Dr. Rick Strassman: Daniel Krčál sucht nach den Ursprüngen des Halluzinogens Dimethyltryptamin.    04.02.2014

Rokko´s Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.

 

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Der amerikanische Psychiater Dr. Rick Strassman wollte mit dem Halluzinogen Dimethyltryptamin die psychedelische Forschung wiederbeleben und die menschliche Spiritualität ergründen. Dabei stieß er auf aufregende weiterführende Fragen. Ist die Droge für den Ein- und Austritt unserer Seele verantwortlich? Öffnet sie Portale zu anderen Dimensionen, und gibt es eine Verbindung zu Entführungen durch Außerirdische? Lesen Sie hier den ersten Teil von Daniel Krčáls bewußtseinserweiternder Spurensuche: Dimethyltryptamin - Schlüssel zum Multiversum?

 

 

DMT ist keine wirklich neue Droge. Schon Alexander von Humboldt machte Mitte des 19. Jahrhunderts bei seiner Reise durch Amazonien Bekanntschaft mit DMT-haltigen Schnupfpulvern und Gebräuen. Es gibt unzählige dieser Mischungen, die seit jeher tief in der dortigen Mythenwelt verankert sind. Sie werden von Heilern, Zauberern und Schamanen bei religiösen Zeremonien, Heilverfahren oder zur Divination eingesetzt. Den größten Bekanntheitsgrad im Westen genießt ein Getränk namens Ayahuasca, dessen Hauptzutat eine Liane der Banisteriopsis-Gattung, meist Banisteriopsis caapi, ist. Die MAO-Hemmer-hältigen Inhaltstoffe der Lianen sorgen dafür, daß das DMT der anderen beigemengten Pflanzen nicht abgebaut wird, bevor es die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Auch von den Bewohnern Haitis war schon Anfang des letzten Jahrhunderts bekannt, daß sie eine DMT-haltige Schnupfmixtur namens Cohoba gebrauchten.

Dem kanadischen Chemiker R. Manske gelang 1931 als erstem die Synthese von DMT, jedoch ohne wissenschaftliche Folgen. Erst im Rahmen der nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Psychopharmakologie, die nach allen nur möglichen botanischen und synthetischen bewußtseinsverändernden Substanzen suchte, wuchs zögerlich das Interesse an DMT. Zunächst isolierte es Oswaldo Goncalves 1946 aus einem südamerikanischen Baum. Dann erschien 1955 der erste englischsprachige Artikel, der das Vorhandensein von DMT in psychedelischen Pflanzen behandelte, der Substanz selbst allerdings keinerlei psychoaktive Eigenschaften zuschrieb.

Es war der Ungar Stephen Szára, der - nachdem er als Wissenschaftler im Ostblock von Sandoz kein LSD bekam - zum eigentlichen Pionier der DMT-Forschung wurde. Er entdeckte vor allem, daß DMT oral eingenommen im Magen sofort wieder zerlegt wird, und begann es intramuskulär zu injizieren. Eine bahnbrechende Testreihe begann, die auch im Westen, in den Szára ohnehin später fliehen sollte, Aufmerksamkeit erregte. Interessanterweise erzielten die darauf im Westen und vor allem in den USA durchgeführten Tests keine spektakulären Ergebnisse, und die DMT-Forschung dümpelte etliche Jahre vor sich hin.

Eine rasante Beschleunigung erfuhr sie, als die Substanz Anfang der sechziger Jahre in den Gehirnen von Ratten und Mäusen und wenig später im menschlichen Blut und Urin entdeckt wurde. 1972 fand sie schließlich Nobelpreisträger Julius Axelrod auch im menschlichen Hirngewebe. Wenn körperfremde Psychedelika wie LSD Modellpsychosen verursachten, dann lag es durchaus im Bereich des Möglichen, daß eine körpereigene Substanz der langgesuchte Auslöser von Geisteskrankheiten war. Erste Versuchsgaben von Zirbeldrüsenextrakt an Psychotiker erbrachten positive Resultate, doch genau dann, als man sich auf die genauere Suche nach den exakten Zusammenhängen und einem vermeintlichen Anti-DMT begab, kam es zum oben beschriebenen legistischen Todesstoß für die psychedelische Forschung.

 

DMT und Populärkultur

 

In subkulturellen Kreisen war das Image von DMT durch einen von Timothy Leary kolportierten Horrortrip von William S. Burroughs die längste Zeit ein schlechtes. Später berichtete Leary auch von positiven Erlebnissen, und ein kleiner Konsumentenzirkel konnte sich etablieren. Weil Berufstätige die extrem kurz wirksame Droge auch in der Mittagspause nehmen konnten, hatte DMT lange Zeit den Handelsnamen "Businessman´s Trip".

Zu breiterer gegenkultureller Popularität gelangte DMT ab Mitte der achtziger Jahre durch den Schamanismusforscher und Ethnobotaniker Terence McKenna, der während eines Amazonasaufenthalts mit halluzinogenen Pilzen und DMT in Berührung kam und so zum überzeugten Psychonauten wurde. Er hatte seine DMT-Trips dermaßen kultiviert und perfektioniert, daß er stets in die gleiche DMT-Welt zurückkehren konnte, wo ihn jedes Mal deren seltsame Bewohner freudig empfingen. McKenna hatte einen Namen für sie: sich selbst verwandelnde Maschinenelfen.

Ein anderer zeitgenössischer prominenter Befürworter des Gebrauchs von DMT ist der visionäre Maler Alex Grey, dessen fraktal-fragmentarischen Bilder ein ziemlich gutes Bild davon vermitteln, welche mystischen Dimensionen sich per DMT-Rausch auftun. Etliche Protagonisten der Popkultur - David Byrne, Tool oder die Beastie Boys etwa - haben auf seine Werke zurückgegriffen. Eines seiner Bilder ziert auch den Umschlag von Dr. Strassmans Buch, in dem er die Geschichte seines Versuchs einer Renaissance psychedelischer Forschung mit DMT (und kurze Zeit auch Psilocybin) populärwissenschaftlich zusammengefaßt hat.

 

Die Versuche

 

Dr. Strassmans Suche nach den biologischen Grundlagen spiritueller Erfahrungen erstreckte sich über fünf Jahre und fand an der medizinischen Fakultät der Universität New Mexico in Albuquerque statt. An insgesamt 60 Freiwillige wurden rund 400 Dosen DMT verabreicht. Dabei mußte in einem Vortest erst einmal gemeinsam mit ausgewählten Probanden der psychedelische Schwellenwert der Droge ermittelt werden. Zu geringe Gaben verursachten relativ bedeutungslose Bewußtseinszustände, zu hohe führten dazu, daß nichts an Erinnerungen blieb. Mit einer Dosis von 0,4 mg/kg erreichten die Versuchspersonen durch die Bank beeindruckende Resultate, von denen sie im nachhinein auch berichten konnten.

DMT führt zu extrem kurzen Trips. Nach extrem intensiven 20 bis 30 Minuten ist alles wieder vorbei - wodurch es, verglichen mit anderen Halluzinogenen, relativ einfach und risikolos handzuhaben ist. Eines der Hauptmerkmale eines richtig dosierten DMT-Trips ist eine schier unbeschreibliche Hyperrealität. Dort, wo sich bei anderen Psychedelika die Welt verändert, erwächst bei DMT ein eigenständiger Raum mit eigenwilligen Bewohnern; siehe McKennas Begegnungen mit den Maschinenelfen. Auch DMT-Pionier Stephen Szára berichtete schon 1958 von zwergenähnlichen Gestalten, die im Rausch auftauchten. In einer amerikanischen Studie aus den fünfziger Jahren schildert eine Frau, daß orange Wesen sie auf furchtbarste Art und Weise manipuliert hätten.

Dr. Rick Strassman kannte natürlich diese Komponente der DMT-Erfahrung - und war dennoch von der überproportionalen Häufigkeit überwältigt, mit der die Probanden berichteten, anderen Wesen begegnet zu sein.

Einige Beispiele: Ein Proband stieß auf kichernde Elfen, die ihn in die geometrische Beschaffenheit ihrer Welt einführten. Ein anderer auf ein insektenähnliches Wesen, das ihn aus seinem Kopf heraus in den Weltraum saugte, wo er dann von weiteren Insektenwesen beobachtet wurde. Einer wurde von Maschinenwesen zu einer Weltraumstation geführt, in der es von anderen Wesen nur so wimmelte. Einer begegnete clownhaften Kobolden, die ihm zu verstehen gaben, daß sie ihm ein Geschenk machten, indem sie ihm einen ruhigen, friedlichen Ort schenkten, an den er jederzeit zurückkehren könne. Einer wurde von den Wesen klinisch untersucht. Einer wurde von technologisch überlegenen Wesen auf einem Operationstisch begutachtet. Und einem anderen wieder wurde sogar etwas implantiert.

 

 

Zur Fortsetzung ...

Rokko’s Adventures

aus: Rokko´s Adventures #11

(erschienen im Juli 2012)


Text: Daniel Krčál

Illustrationen: Karin Ziegelwanger

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