Stories_Plakativ: Die Frau des Anarchisten/Julie & Julia

Anarchie und Küchen-Alltag

In Spanien verdreht eine Frau einem Widerstandskämpfer den Kopf, in den Staaten drehen sich die Köpfe der Frauen eher ums Kochen: die Film-Plakatwand dieser Woche, fundiert analysiert.    01.05.2009

Die Frau des Anarchisten

Was wir sehen: Eine Dame in Rot liegt auf einem Bett, während sich hinter ihr Kampfszenen abspielen. Außerdem sehen wir das Bild eines spazierenden Paars, das eifrig diskutiert. Und drei stilisierte Köpfe - eine Frau zwischen zwei Männern. Dazu der Schriftzug "Die Frau des Anarchisten".

 

Worum es augenscheinlich geht: Eine eher unpolitische Frau verdreht einem kämpferischen Anarchisten den Kopf.

 

Worum es tatsächlich geht: Der Film beruht auf wahren Begebenheiten und spielt im faschistischen Spanien. Manuela (Maria Valverde) ist mit Justo (Juan Diego Botto) verheiratet, der sowohl an der Front als auch durch das gesprochene Wort (per Radio) im Widerstand kämpft. Als er ins Konzentrationslager deportiert wird, muß Manuela sich mit ihrer Tochter Paloma allein durchschlagen. Aber sie gibt die Hoffnung nicht auf, Justo wiederzusehen ...

 

Zum Plakat: Die Bildsprache verläßt sich ganz auf die Schönheit der Frau. Sie liegt lasziv im Bett, stützt ihren Ehemann und schaut vor sich hin - mit leicht geöffnetem Mund und stark geschminkten Lippen. Ganz nach dem Motto sex sells ist auch die Farbgebung gehalten: Rot ist die Farbe der Wahl. Gut, im Film geht es auch um Revolution und Widerstand, also funktioniert das in zweierlei Hinsicht.

Ich finde das Plakat etwas überladen. Was beispielsweise die drei Köpfe in der linken unteren Ecke bedeuten sollen, erschließt sich mir nicht, denn auch aus dem Plot geht nicht hervor, daß Manuela jemals zwischen zwei Männern gestanden hätte. Wenn ich nur das Plakat betrachte, habe ich das Gefühl, daß die politische Aussage im Hintergrund steht und es sich hier vor allem um eine dramatische Liebesgeschichte handelt.

Stärker würde das Plakat auf mich wirken, wenn man sich auf weniger Bildelemente beschränkt hätte. Sicher, das diskutierende, laufende Paar in der rechten unteren Ecke zeigt, daß die beiden auch außerhalb des Bettes eine gemeinsame Basis hatten; aber ist es nötig, dafür ein so plattes Bild zu nutzen?

Ich würde das Plakat anders aufteilen und so den Gegensatz zwischen Liebe und Krieg stärker hervorheben: die liegende Manuela groß im Vordergrund, hinter ihr, deutlich größer, die kämpfenden Widerständler, die (bildlich gesprochen) nicht an ihr vorbeikommen.

Dazu Filmtitel und Mitwirkende - fertig wäre ein schneller zu erfassendes und dramatischeres Plakat, das nicht in so viele Einzelteile zerfällt wie das tatsächlich verwendete.

 

 

Julie & Julia

 

Was wir sehen: zwei Eier, die sich aneinander lehnen. Dazu die Frage "Do you have what it takes?" - etwa: "Hast du, was man braucht?" Außerdem gibt es noch einen Übertitel: "Passion. Ambition. Butter." Lustigerweise ist das quasi 1:1 übersetzbar. Man könnte natürlich auch sagen: Leidenschaft. Ehrgeiz. Butter.

Außerdem scheint noch sehr wichtig zu sein, daß der Film von Nora Ephron (die auch Regie geführt hat) für die Leinwand adaptiert wurde.

Neben diesen zahlreichen Informationen gibt es aber noch mehr Schrift, die uns sagt, daß der Film auf zwei wahren Geschichten basiert und daß Amy Adams und Meryl Streep mitspielen.

 

Worum es augenscheinlich geht: Entweder ist das ein Hausfrauenfilm über 50er-Jahre-Damen, die in der Küche unter großem Konkurrenzdruck stehen - oder es geht um Emanzipation.

 

Worum es tatsächlich geht: Die Regierungsangestellte Julie Powell (Amy Adams) beschließt eines Tages, sich innerhalb eines Jahres durch ein ganzes Kochbuch zu kochen - und zwar durch das von Julia Child (Meryl Streep) verfaßte "Die Kunst des französischen Kochens". Julie befindet sich allerdings ganz und gar nicht in Frankreich, sondern in einer winzigen Küche in Queens, New York. Kann man Frankreich nach Amerika holen, nur durch das Kochen?

 

Zum Plakat: starkes Motiv, schöne Typographie. Trotz des vielen Texts recht übersichtlich. Und, wie ich nach einem Blick vermutet hatte, geht es tatsächlich ums Kochen. Das hat allerdings mehr mit der Kombination aus dem Wort Butter und dem Bild der Eier zu tun, denn natürlich kam mir nach der Frage "Hast du, was man braucht?" in den Sinn, daß man im Deutschen ja sagen kann "Hast du genug Eier, um zu tun, was du tun willst?" - im Englischen würde das "do you have the balls?" bedeuten und ist genauso zweideutig wie im Deutschen.

"Hast du, was man braucht?" läßt also hier zwei Interpretationen zu: zum einen die Frage, ob du genug Kraft und Energie hast, um etwas durchzuziehen, was du dir vorgenommen hast; und zum anderen wortwörtlich, ob du die Zutaten (in diesem Fall Eier) hast, die für die nachzukochenden Rezepte benötigt werden.

Mir hat das Plakat schon auf den ersten Blick gefallen, weil es humorvoll ist und auch die Farbkontraste sehr schön klar sind. Wäre auf dem Bild mehr zu sehen als nur die Eier, wäre es ein hoffnungslos überladenes Plakat - aber hier hat jemand alles richtig gemacht, bravo!

C. Franziska Richter

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