Stories_Ketzerbriefe: Endlösung der Krankenversorgung

Selektion in der Praxis

Wer den Ärzten Sparvorschriften macht, der spart auch an den Patienten. Wie die Kollegen von den "Ketzerbriefen" wissen, wird die Mär von den rapide ansteigenden Gesundheitskosten zur Abschaffung der ärztlichen Selbständigkeit benützt - heute noch in Deutschland, morgen garantiert auch in Österreich und anderen EU-Ländern.    29.07.2009

Die Demontage unseres Gesundheitswesens tritt nun in ihre Endphase ein. Grundlage ist die seit 35 Jahren scheibchenweise vorangetriebene, systematische Zerstörung unserer früher weltweit zu einer der besten gehörenden Krankenversorgung durch die jeweiligen Regierungen, egal welchen Kartellanstrichs. Da wir über die Zerschlagung dieser von der Arbeiterbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts opferreich erkämpften sozialen Errungenschaften kontinuierlich berichtet haben und eine unverändert zutreffende Analyse dieser Entwicklung in unserer Flugschrift "Von Ehrenberg bis Seehofer" zu finden ist, hier nur zur Erinnerung einige der entscheidenden Stationen:

Seit Ehrenberg (SPD) 1972 den Startschuß zur Aushöhlung des Solidarprinzips der Krankenkassen gegeben hatte, wurde dieses Prinzip durch Einführung und dann stetige Steigerung der Zuzahlungen der Patienten zu Medikamenten, physikalischen Therapien und Heilmitteln, von der einfachen Handgelenksstütze bis hin zum Rollstuhl, durch Gebühren für Klinikbehandlungen, durch Strafzahlungen für Arztbesuche ("Praxisgebühr") etc. sukzessiv zerstört. Gleichzeitig wurden die Kassenbeiträge kontinuierlich bis auf inzwischen 15,2 Prozent des Bruttolohns erhöht.

Seit Seehofers (CDU/CSU) nachfolgenden Gesetzesänderungen ist das Prinzip der Behandlung nach medizinischer Notwendigkeit durch die Einführung einer rigorosen absoluten Ausgabenbegrenzung - geht gespreizt französisierend gleich viel süffiger über die Lippen: "Budgetierung" - sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich aufgehoben.

Dies geschah vor allem durch die Einführung der Fallpauschalen in den Kliniken, durch die im vorhinein für jedes Krankheitsbild starre Geldbeträge festgelegt wurden, die nur noch eine Minimaldiagnostik und -therapie 1) ermöglichen. Auch im ambulanten Bereich kann seither nicht mehr nach Notwendigkeit diagnostiziert und therapiert werden, da hier ebenfalls in allen Bereichen, sei es bei Medikamenten, sei es bei Heil- oder Hilfsmitteln, vorab generell bestimmt wird, wieviel in einem Jahr ausgegeben werden darf. Ärzte, die diesen Betrag überschreiten oder angeblich zu viel Diagnostik durchgeführt oder veranlaßt haben, müssen mit bis zu fünf- und sechsstelligen Regreßforderungen, d. h. existentiellen Strafzahlungen rechnen. Gleichzeitig wurden die ärztlichen Leistungen selbst "budgetiert", was bedeutet, daß Ärzte, die über das festgelegte Limit hinaus Patienten behandeln, dies schlichtweg nicht bezahlt bekommen, also umsonst arbeiten. Bei bestimmten Untersuchungen, die man im Sinne der Patienten erbringt oder veranlaßt, wird man sogar explizit bestraft: z. B. zahlen wir in unserer Gemeinschaftspraxis einfach nur dafür, daß wir auf einer ordentlichen Labordiagnostik für unsere Patienten bestehen, die natürlich deutlich über dem festgesetzten Limit liegt, einen Strafbetrag von mehr als 2500 Euro im Quartal.

Sehr treffend konnte deshalb kürzlich ein staatlich bestellter sogenannter »Gesundheitsökonom«, ein gewisser Prof. Jürgen Wasem, im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse des IQWiG 2) - man vergesse nicht, daß es hierbei um Menschenleben geht! - ausposaunen, daß die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im großen und ganzen schon heute nur noch eine Basisversorgung bietet. All diese orwellsch "Reformen" genannten Demontagemaßnahmen wurden die ganzen Jahre über von immer dem gleichen Propagandamantra, der "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen, begleitet; inzwischen gibt die gleiche Einheitspresse in Nebenspalten da und dort sogar leise grinsend zu, daß es eine solche "Kostenexplosion" ja niemals gegeben hat. Auch im vergangenen Jahr lag - wie seit nunmehr 30 Jahren! - der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt unverändert zwischen 10 und 11 Prozent. Dabei konnte die GKV - zum fünften Mal in Folge - auch 2008 mit einem Plus von 750 Millionen Euro schwarze Zahlen schreiben, die natürlich den Patienten vom Leibe abgespart bzw. abgezwackt worden sind. Wo bleiben die seit Jahren für den Fall der schwarzen Zahlen angekündigten Beitragssenkungen?

Nun, unsere Jungs in Afghanistan und andernorts leben nicht von Luft und Liebe, und auch der Bankenschwindel (siehe KB 151) verschlingt nicht gerade wenige Steuermilliarden. Aber das Ende der Fahnenstange bei der Zerstörung einer humanen Gesundheitsversorgung in diesem Land ist noch keineswegs erreicht. Nachdem schon seit einigen Jahren unsere Kliniken an Privatinvestoren wie die Helios-Kliniken GmbH und die Asklepios-Kliniken GmbH verhökert werden - die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Kranken, die jetzt ja gewinnorientiert "behandelt" werden sollen, liegen auf der Hand -, wird in der derzeitigen Etappe nunmehr die ambulante ärztliche Versorgung grundsätzlich umgekrempelt. Grundlage hierfür bilden die entsprechenden, vor fünf Jahren heimlich durchgepeitschten Gesetzesänderungen (SGB V). Dies sollte man nie vergessen, wenn Regierungsvertreter heute unisono keifen, die Ärzte hätten das aktuelle "Chaos in der ambulanten Versorgung selber verschuldet".

 

Was geschieht gerade im ambulanten medizinischen Bereich? Der gleichgeschalteten Presse ist nur zu entnehmen, daß sich die niedergelassenen Ärzte (vor allem im Süden Deutschlands) gegen massive, z. T. existenzbedrohende Honorarkürzungen wehren. Gleichzeitig sollen Schlagzeilen wie "Ärzte jammern auf hohem Niveau" durch Angeigung von billigem Sozialneid von der Frage, die allerdings nicht nur für Ärzte, sondern durchaus auch für die Patienten interessant ist, ablenken, was denn eigentlich passiert, wenn z. B. mein Hausarzt Pleite macht. Zur Situation: Durch die Einführung eines abermals neuen Abrechnungssystems zum 1. 1. 2009 wurde das Grundhonorar der Ärzte in etlichen Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg) nochmals drastisch gekürzt; je nach Facharztgruppe wurde die Vergütung der Basisversorgung eines Kassenpatienten auf 16 bis 35 Euro pro Quartal reduziert, damit sind annähernd 90 Prozent aller Leistungen abgegolten. Ein Chirurg beispielsweise bekommt 29 Euro im Quartal für die Behandlung eines Patienten (auch wenn der Patient mehrfach den Arzt aufsucht, bleibt es bei diesem Quartalsbetrag - hohes Niveau, wa?), ein Orthopäde bekommt 32 Euro. Für mich als Hausarzt bedeutet das, daß ich, egal wie oft ein Patient kommt, wie viele Hausbesuche ich bei ihm mache, wie oft ich ihm Infusionen anlege, Laboruntersuchungen oder EKGs notwendig werden, in drei Monaten 35 Euro für seine Behandlung bezahlt bekomme. Zusammen mit ganz wenigen, daneben noch separat abrechenbaren Leistungen kann ich mit maximal 44 Euro für diesen Zeitraum pro Patient an Kassenzahlungen rechnen. Natürlich läuft dieses Honorarsystem darauf hinaus, so wenig wie möglich zu behandeln, denn die Bezahlung ist ja die gleiche, ob ich jemandem einmal auf die Schulter klopfe und sage "Das wird schon wieder" oder meiner Pflicht als Arzt wirklich nachkomme. Apropos "hohes Niveau": die genannten Beträge sind mitnichten der tatsächliche Verdienst des Arztes, denn davon müssen ja noch Miete, Personal usw., also Praxisunkosten, beglichen werden. Für mich bleiben als Monatsverdienst bei einem durchschnittlich 10- bis 12stündigen Arbeitstag für die Behandlung eines Kassenpatienten 6,60 Euro übrig. Daß sich auf dieser Basis keine den Namen verdienende Grundversorgung, geschweige denn eine qualitativ hochwertige, dem medizinischen Standard entsprechende medizinische Behandlung durchführen läßt, versteht sich von selbst!

Ein Teil der aktuell aus dem Süden Deutschlands abgezogenen Gelder ist, so wird jedenfalls behauptet, in die neuen Bundesländer geflossen, wo bislang den Ärzten die gleichen Tätigkeiten mit 20 Prozent weniger Honorar als ihren Kollegen im Westen vergütet wurden - ein empörend ungleiches Maß, das jedem bürgerlichen Prinzip Hohn spricht. Die Angleichung der Honorare für gleiche Leistungen ist also selbstverständlich gerecht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt dient sie aber, weil mit ihr die Kürzungen im Süden begründet werden, allein dazu, einen Keil zwischen Ost- und Westärzte zu treiben, um einen gemeinsamen Kampf aller Betroffenen zu verhindern. Die gebeutelten Westärzte, denen in diesem Zusammenhang die angeblichen (oder meinetwegen wirklichen, das ist doch wurscht!) niedrigeren Praxis- und Lebenshaltungskosten im Osten ins Ohr geblasen werden, sollen ihren Frust an den Ostärzten ablassen. Und das Spielchen klappt, einmal mehr hacken sich die Knechte gegenseitig die Augen aus, aber so doof muß man auch sein wollen!

 

Durch diese staatlich verordnete (§ 87 SGB V) - und nicht, wie zu Ablenkungszwecken in der Presse behauptet, durch das "Fehlmanagement" der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verursachte - "Honorarpolitik" (in Wahrheit Raub) stehen viele Praxen heute vor dem finanziellen Aus, zumal demnächst die Vergütungen durch die privaten Krankenkassen, mit der sich viele Praxen derzeit gerade noch über Wasser halten konnten und die von den Honorarkürzungspropagandisten regelmäßig gegen die drohenden Praxispleiten ins Feld geführt werden, an die Honorare der gesetzlichen Kassen angeglichen werden sollen. Die finanzielle Strangulierung der Arztpraxen dient neben der Verbilligung der Patientenversorgung dem einschneidenden Ziel, den Verkauf der ärztlichen Freiberuflichkeit durch Direktverträge mit den Kassen durchzusetzen, während es im Rahmen der bisherigen traditionellen ärztlichen Selbständigkeit Verträge nur zwischen der kassenärztlichen Vereinigung (die hier als eine Art Ärztegewerkschaft fungierte) und den gesetzlichen Krankenkassen gegeben hatte. Die Ärzte sollen erpreßbare Angestellte der Kassen werden.

Dieses obszön so benannte "Einkaufsmodell" planten die Regierenden schon vor mehr als zwei Jahrzehnten (siehe KB 35), seitdem liefen die entsprechenden Vorbereitungen, die nun endgültig umgesetzt werden. Dazu benötigte man gekaufte Verräterorganisationen aus den Reihen der Ärzteschaft, die zu diesem Zweck in den vergangenen Jahren gehätschelt und gepflegt wurden, z. B. darüber, daß man ihnen die Medien zur Verfügung stellte, wo sie zwecks Vertrauensaufbau dies und das gaaanz kritisch äußern durften. Hier sind an erster Stelle der in Nordwürttemberg gegründete, inzwischen bundesweit agierende MEDI-Verband sowie der ebenfalls bundesweit vertretene Hausärzteverband (HÄV) zu nennen. Im Juli 2008 haben diese beiden Ärzteorganisationen heimlich und hinter verschlossenen Türen den Präzedenzfall eines Direktvertrags, den "AOK-Hausarztvertrag" für Baden-Württemberg, mit der "AOK-Gesundheitskasse" 3) abgeschlossen. Als Köder zum Ärztefang dient(e) ein im Vertrag festgeschriebener ökonomischer Vorteil mit einer Honorierung von 70 bis 80 Euro pro Patient im Quartal - man läßt sich also die Endlösung der ärztlichen Selbständigkeit zunächst durchaus etwas kosten.

Der Preis, den Ärzte und Patienten für diesen kurzfristigen Köder - er wird 2,5 Jahre gewährt - bezahlen müssen, ist allerdings hoch. Denn wesentlich an den Verträgen zwischen der Kasse und den Ärzten ist die Kündbarkeit - und damit Erpreßbarkeit - der Ärzte, wenn sie auch nur eine der vielen scheußlichen Bestimmungen, deren Kernstück nichts anderes beinhaltet als die rigorose Pflicht zur "Kosteneinsparung" auf dem Rücken der Patienten, nicht beachten. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AOK, Dr. Christoph Hermann, sagte rundheraus, worum es geht: "Wer sich nicht an die Spielregeln hält, wird eliminiert." Man hat also die "Wahl", zum Rampenmediziner zu verkommen oder auf der Straße zu stehen. Die Ärzte müssen laut Vertrag "wirtschaftlich" arbeiten, so das entsprechend vielgedroschene Wort für die Rampe, an der der Arzt also entscheiden soll, welcher seiner Patienten eine Behandlung bekommt und wer nicht, ganz abgesehen davon, wie diese Behandlung dann aussieht.

Das Vertragswerk verpflichtet ausdrücklich zu Einsparungen bei Medikamenten, Facharztüber- und Klinikeinweisungen etc. ("Allein bei den Arzneien 120 Millionen Euro in Baden-Württemberg, rechnen [sog.] Kenner", laut Stuttgarter Zeitung vom 2. 3. 2009). Die Kommentare der zuständigen AOK-Vertreter hierzu lassen an Offenheit nichts zu wünschen übrig. So gibt Jürgen Graf, ein sogenannter Versorgungsmanager der AOK, unumwunden zu, daß die AOK die höhere Vergütung der Hausärzte natürlich "gegenfinanzieren" müsse. Das solle in erster Linie über die verringerten Verordnungen und Klinikeinweisungen geschehen. (Hier kann sich ja jeder Patient mal fragen, wie oft er in der Vergangenheit eigentlich grundlos im Krankenhaus gelegen hat ...) Dazu werden die Ärzte zur Einhaltung von "Behandlungsleitlinien", in Wahrheit sind es ja "Nichtbehandlungsrichtlinien", verpflichtet, natürlich "evidenz-basiert". 4)

So sollen Analoginsuline für Altersdiabetiker aufgrund der Empfehlungen des IQWiG nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden, weil zu diesen Insulinen "kaum Langzeitstudien" vorlägen und "es mangels Daten keinen Beleg für einen Zusatznutzen" gebe. Analoginsuline sind moderne Insuline, die einen dem Zustand des Gesunden ähnlichen, gleichmäßigen Insulinspiegel bewirken, was ältere und billigere Insuline nicht können. Dadurch werden - wie zahlreiche Studien belegen und in Fachkreisen, z. B. der Deutschen Gesellschaft für Diabetologie, völlig unbestritten ist - nächtliche Unterzuckerungen (Hypoglycämien), die hauptsächlich zu den bei Diabetikern gefürchteten Veränderungen an Gefäßen und Nerven mit all ihren Folgen führen (da faulen z. B. die Füße weg!), um mehr als 50 Prozent verringert. Zur Kostenersparnis sollen jetzt auch den jugendlichen Diabetikern entsprechende kurzwirkende Analoginsuline entzogen werden. Das IQWiG stellt für Altersdiabetiker die Forderung "den Patienten behandeln, nicht den Zuckerwert", was im Klartext bedeutet, daß der Altersdiabetiker außer bei "Symptomen wie Müdigkeit, häufigem Wasserlassen, Juckreiz oder Pilzinfektionen" zukünftig ohne Tabletten auszukommen und infolgedessen kostengünstig früher zu sterben hat. Die Unterschrift unter den entsprechenden Vertrag beinhaltet darüber hinaus eine Blankozustimmung zu weiteren, noch unbekannten, erst in Arbeit befindlichen "Behandlungsleitlinien". Jeder, aber auch jeder Arzt weiß, daß hiermit der Standard der medizinischen Versorgung, soweit davon überhaupt noch geredet werden kann, auf niedrigstes Niveau gedrückt wird. Arbeiten soll das Volk, aber leben ist überflüssiger Luxus - für die Herren gilt das allerdings nicht.

 

Da die Teilnahme an diesem Vertrag sowohl für Ärzte als auch für Patienten "freiwillig" ist, soll der Arzt perfiderweise selbst seine Patienten zum Unterschreiben des Hausarztvertrags überreden, kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, daß der Patient mit seiner Unterschrift z. B. folgendem Satz zustimmt: "Mir [dem Patienten] ist bekannt, daß ich für Aufwände, die durch nicht vertragskonformes Verhalten meinerseits entstehen, haftbar gemacht werden kann." Eine Einschreibung eines Patienten in den Vertrag kann somit nur unter Aufgabe des ärztlichen Gewissens und Mißbrauch des Vertrauens des Patienten zum Arzt bewerkstelligt werden. Damit sich andererseits kein Arzt den geforderten Schweinereien zu Lasten der Patienten entziehen kann, ist er vertraglich verpflichtet, ein spezielles Programm auf seinen Praxiscomputer aufzuspielen, in dessen "Pharmamodul" ihm - knallig grün hervorgehoben - die gewünschte Therapie "vorgeschlagen" wird, die dann am gleichen Tag durch direkte Online-Verbindung zur Kasse von dieser kontrolliert werden kann.

Trotz der Köder-Euro für die Teilnahme an dem Vertrag stieß dieser zum Schreck der andernfalls ordentlich absahnenden Ärztefunktionäre im letzten Jahr zunächst noch auf Ablehnung bei der Mehrheit der Ärzteschaft, es wurden durchaus Stimmen gegen den hinter ihrem Rücken eingefädelten Vertrag laut. Wie ernst es den Herrschenden mit dessen Durchsetzung allerdings war und ist, zeigen die prompten Drohungen mit juristischer Verfolgung jeder Form von Gegenwehr, sei es in Form von Praxisinfos zur Aufklärung der Patienten (z. B. von Kinderärzten, die darin ihr kollektives Nichtbeitreten erklärten), sei es auch nur ein Gedicht über den Vertrag, das z. B. ein Kollege verfaßt und ins Internet gestellt hatte. Jedesmal erhielten die betreffenden Ärzte sofort einen Brief der AOK-"Gesundheitskasse" mit der immer gleichlautenden drohenden Forderung: "... die rechtswidrigen Aussagen künftig in jeglicher Form (Anzeige, Praxisaushängung, Presseartikel, Flyer oder mündliche Äußerung) zu unterlassen ...", andernfalls "behält sich die AOK Baden-Württemberg vor, gegen Sie weitere rechtliche Schritte, die mit erheblichen Kostenfolgen verbunden sind, einzuleiten".

Der weitere Verlauf zeigt bis ins kleinste Detail das abgekartete Spiel zwischen den Akteuren. Pünktlich zu Weihnachten 2008 wurden den Ärzten die neuen, verheerend niedrigen Honorarbescheide der KV auf den Bescherungstisch geknallt. In einer von MEDI und HÄV angestachelten Kampagne geriet die zentrale Vertretung der niedergelassenen Ärzte gegenüber den Kassen, die Kassenärztliche Vereinigung (KV), schlagartig ins Visier, da sie gemäß der Gesetzesvorgabe (§ 87 SGB V) ihre Zustimmung zu dem neuen Honorarsystem gegeben hatte. Der Ruf nach Abschaffung der KV wurde laut und lauter und fiel auf fruchtbaren Boden, da sich diese von uns schon lange treffend als "Judenrat" bezeichnete Organisation (siehe KB 134) als Handlanger der Gegenseite z. B. durch horrende Regreßforderungen gegen viele Ärzte unbeliebt gemacht hatte. Jetzt war die Zeit für die gekauften Neu-Funktionäre, "Neu-Judenrätler" von MEDI und HÄV, gekommen, denn die weihnachtlichen Dumpinghonorare lösten eine Panik unter den Ärzten aus. (Man muß dazu wissen, daß die ärztliche Vergütung ja erst Monate nach ihrer Erbringung ausgezahlt wird, die Unkosten und Leistungen streckt der Arzt vor.)

MEDI und HÄV gebärdeten sich mit ihrem, von ihnen selbst als "Eisbrechervertrag" bezeichneten Machwerk als Retter in der Not. Gleichzeitig organisierten und kanalisierten sie die Proteste der Ärzte gegen die für sie ruinösen Honorarkürzungen. Selbst der Patientenprotest gegen den Kahlschlag in der ambulanten medizinischen Versorgung wurde von ihnen okkupiert - bezeichnenderweise hoben sie hierfür die maximal verachtenswerte Kleinkriminelle und langjährige Sektenhetzerin Renate Hartwig aufs Schild. Die nun folgenden, nach dem Muster amerikanischer Wahlveranstaltungen inszenierten Pseudoproteste mit Rücktrittsdrohungen (z. B. der Bundes-KV) und ähnlichem Schattenboxen bekamen die entsprechende Presseverstärkung und dienten durch die Reduzierung auf die Honorarfrage (die Ärzte denken eben immer an das eine: das Geld) als Ablenkungsmanöver vom zentralen Punkt. So gelang es den Verräterfunktionären, die die Endlösung der Krankenversorgung einleitenden "Direktverträge" als einzige Lösung des "Honorardesasters" darzustellen und anzupreisen.

Die Wirkung auf die Ärzte blieb leider nicht aus, sie sind in ihrer erdrückenden Mehrheit geübt knechtsselig und dummstellerisch. Nach anfänglich völlig berechtigten Unmutsäußerungen darüber, als erpreßbare Helfershelfer der Kassen im Dienste der Herrschenden gegen die Patienten arbeiten zu sollen, hörte man dann zunehmend Sprüche, daß es sich mit so einem Vertrag vielleicht ja doch, eigentlich, möglicherweise ... recht gut leben läßt, als "unfreiwilliger Helfer". (Wie war das nochmal mit der KDR?!) Mittlerweile haben sich die erforderlichen 3000 Ärzte in den baden-württembergischen Vertrag eingeschrieben, in Bayern wurde ein zweiter Vertrag abgeschlossen, und entsprechende Facharztverträge sind in Arbeit; die anderen Bundesländer werden folgen.

Ein Umstand erleichtert(e) es den gekauften Ärztefunktionären, die bei den vereinzelten Aktionen inzwischen immer kindischer agierenden Ärzte in diese Verträge zu treiben, mit denen ihre Selbständigkeit abgeschafft und ein weiteres Etappenziel auf dem Weg zum gehobenen Negerniveau erreicht wird, das zukünftig allen Einwohnern des vom amerikanischen Weltherrn zur Kolonie degradierten Europas, den "white niggers", zugemutet werden soll. Die Ärzte empfanden und empfinden sich mehrheitlich immer noch als etwas "Besseres". Daß sie dafür im Gegensatz zu irgendwelchen Staatslakaien auch Grund hatten, weil sie ähnlich mittelalterlichen Zunfthandwerkern selbständig arbeiteten und von ihrer eigenen Leistung lebten, ist richtig; daß man davon allerdings schon lange nicht mehr reden kann (nehmen wir allein das unbürgerliche Bezahlungsprinzip), ist genauso richtig und nur mit gewollten Tomaten auf den Augen zu übersehen. Die Ärzte wurden bis zum Niedergang des Ostblocks an etwas lockerer Leine geführt - sie zimmerten ja am "Schaufenster des Westens" mit -, und dafür sollten sie sich einbilden (und haben es auch brav getan), daß sie nicht Rädchen im Getriebe der herrschenden Klasse, sondern Teil derselben seien, so eine Art Kleinkapitalist, na auf jeden Fall etwas "Besseres" als diejenigen, die ihre breite Existenz als Ärzteschaft ja überhaupt erst erkämpft haben, die seinerzeit entschlossenen Arbeiter eben, die für den Fall von Krankheit nicht unter der Rampe liegen wollten und dafür einige Opfer gebracht haben. Diese wirklich blöde und elitäre Eitelkeit war das größte subjektive Hindernis des ärztlichen Berufsstandes gegen die Realitätswahrnehmung.

So wurde die wertvolle Zeit, in der eine Gegenwehr gegen die schon lange anvisierte Helotisierung des Volkes möglich gewesen wäre, vergeigt. Da die Ärzte und natürlich auch die meisten Patienten so lange versucht haben, ihre kurzfristigen Rechnungen ohne den Wirt zu machen, zieht dieser die Schlinge unaufhaltsam und immer weiter zu. 2011 wird die Zulassungssperre (d. h. Limitierung von Kassenarztzulassungen für den ambulanten Bereich) abgeschafft werden. Die (amerikanischen) Konzerne stehen in den Startlöchern, um dann weitere "Medizinische Versorgungszentren" (MVZ) mit dem Ziel aus dem Boden zu stampfen, die ambulante medizinische Versorgung unter ihre Kontrolle zu bringen. Um zu sehen, was das bedeutet, reicht ein kurzer Blick zum großen Bruder über den Teich, zum teuersten Gesundheitswesen der Welt, von dem aber nur fünf Prozent der Bevölkerung wirklich profitieren und der Rest freiheitlich verrecken kann. Die Gesundheitsversorgung für das Gros der Bevölkerung in den USA spielt sich (wenn sie überhaupt stattfindet, denn etwa 61 Millionen Amerikaner sind gar nicht oder nur sporadisch versichert) vor allem in MVZs mit angestellten Ärzten ab, die sich bei jeder Diagnostik und jeder Therapie peinlichst genau an Budgets halten müssen, deren Höhe man sich umgekehrt proportional zu den US-Militärausgaben vorstellen muß, also winzig!

Halten sich die dort angestellten Ärzte nicht daran, dann werden sie eben entlassen. "Die Dialyse eines Nierenkranken ist teuer. Nicht jeder will sie jedem bis ins hohe Alter finanzieren" orakelte zukunftsweisend die "Badische Zeitung" (9. 6. 2008) zum Thema - "Priorisierung in der Medizin" heißt das zynisch abwatschend neuerdings. Den Ärzten wird ihre freiwillige Knechtschaft als Helfershelfer der Herrschenden nichts nützen, zu den privilegierten fünf Prozent werden auch sie nicht gehören. Nur der Zusammenschluß der Ärzte mit ihren Patienten mit dem Ziel, das bestehende Kassensystem, das die Beiträge der Patienten gezielt raubt und zweckentfremdet, zu beseitigen und zu den Anfängen der von den Arbeitern Ende des 19. Jahrhunderts erkämpften Sozialversicherungen zurückzukehren, ein Zusammenschluß der Betroffenen zu einer Solidargemeinschaft ohne käufliche Funktionäre, egal welcher Couleur, könnte vielleicht für Patienten und Ärzte eine allerletzte Chance bieten, ihrer Helotisierung etwas entgegenzusetzen.

Ketzerbriefe

aus: Ketzerbriefe Nr. 154

Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag


(erschienen Juli 2009)

 

Text: Eleonora Hoff

 

1) Laut jüngst veröffentlichten Umfrageergebnissen gaben von mehr als 1000 befragten Klinikärzten (Intensivmediziner und Kardiologen) 77 Prozent an, daß sie ihren Patienten bereits sinnvolle Behandlungen aus Kostengründen vorenthalten mußten.

 

2) Bezeichnend für dieses 2004 gegründete Institut mit dem monströsen Namen "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen", das Auftrag des "Gemeinsamen Bundesausschusses" (GBA) und des Bundesgesundheitsministeriums "evidenz-basierte Leitlinien" beurteilen soll, ist das "Wi" im Kürzel. Es bedeutet nichts anderes als Billigmedizin. Das "Q" steht inzwischen für das genaue Gegenteil von Qualität (es handelt sich hier um eine Subreption, also einen Definitionswechsel ohne Angabe). Dieses Institut verschlang 2008 15 Millionen Euro an Kassenbeiträgen, der gleiche Betrag ist für 2009 vorgesehen.

 

3) Die Idee, Krankenkassen in Gesundheitskassen umzubenennen, stammt übrigens nicht zufällig von Julius Streicher, dem Herausgeber des "Stürmer" im 3. Reich.

 

4) Der zentrale Gehalt dieses gestelzt daherkommenden Propagandabegriffs, der seit einigen Jahren die Medizinerpresse durchseucht, beinhaltet die Leugnung der relativen Risikoreduktion (z. B. an Brustkrebs zu erkranken) durch den Einsatz einer entsprechenden Vorsorgeuntersuchung; statt dessen werden die absoluten Zahlen der Untersuchungen, die "umsonst" gemacht werden (sooo viele) müssen, um auch nur einen Krebsfall (sooo wenig) früh zu erkennen (und damit zu heilen!), ausposaunt.

Die zweite Strategie ist die Postulierung künstlicher Untergruppen (rothaarige Bauarbeiter, deutsche Rentner), denen beispielsweise ein bestimmtes Medikament deshalb nicht verordnet werden darf, weil speziell für diese Untergruppe keine Studie existiere, die den Wirksamkeitsnachweis erbringe. Nun, diese billige, von Haß auf die Logik verkrampfte Nachtigall trapst ganz schön laut (siehe dazu KB 103).

 

*****

 

Die aktuelle Ausgabe der Ketzerbriefe" ist das Sonderheft "Kritische Medizin XVI" und enthält einen hervorragenden und ausführlichen Artikel zu den radioaktiv verseuchten Abgereicherten-Uran-Waffen der amerikanischen Weltherrscher sowie der "Diskussion" darüber in Medien, Behörden und Menschenrechtsorganisationen: "Depleted Uranium - der schleichende Tod nach den US-Bomben", verfaßt von Ingo Schuler.

 

Weitere Artikel dieser sehr empfehlenswerten Ausgabe:

* Abrichtung zum Billigmediziner von Judith Funke
* Filmrezension: »Transit« von Ines Abraham
* Kurz und kirchenstaatlich
* Aus dem Tierreich

Links:

Kommentare_

sardo - 12.08.2009 : 12.46
So so, Hypoglykämien verursachen Schädigungen an Gefäßen und Nerven. Das ist schlichtweg falsch!
Und nun Urteile der geneigte Leser selbst über diesen Artikel...
Dracula - 16.08.2009 : 21.14
mag schon sein, dass praktische ärzte budgetprobleme haben bzw sie ihnen gemacht werden, aber was is mit zahnärzten? die sind doch mittlerweile mehr wie wirtschaftliche unternehmen ...
T.T. - 24.11.2009 : 17.43
Was ist denn genau falsch an der Aussage, Herr Doktor? So falsch, dass es Rückschlüsse auf den übrigen Text zulässt.

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