Stories_Rokko´s Adventures im EVOLVER #66

"Wegen mir muß kein Murmeltier sterben!"

Die Austro-Rothaut Waterloo im Gespräch mit Rokko: über Parteibücher, verlogene Prälaten und wie ein Blattl Papier unser Land retten könnte.    13.03.2014

Rokko´s Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.

 

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Wie viele erfolgreiche Musiker hat Österreich? Nicht viele. Waterloo gehört seit Jahrzehnten zu ihnen: Hit-Singles, Millionenverkäufe, der "Eurovision Song Contest", die Winnetou-Rolle bei den Karl-May-Festspielen, ein Platz in Helmut Zenkers "Tohuwabohu", Hundemodeschauen - seine Werkliste verlängert sich bis heute. Lesen Sie hier den ersten Teil von Rokkos Pow-wow mit dem Alpenindianer.

 

 

Ein langer Weg

 

Wir befinden uns noch immer im Untergeschoß. Die Wandregale sind gefüllt mit Platten, CDs und Mastertapes - darunter eines, auf dem zu hören ist, wie Waterloo mit Willie Nelson 1990 den Song "Bridge Over Troubled Water" aufgenommen hat. Das und zahlreiche andere unerwartete Stücke sind bis heute unveröffentlicht geblieben. In einer Ecke steht ein Bücherschrank, darin befinden sich Werke über Indianer, Afrika - und zwei über Jörg Haider. Waterloo ist zwar ein Naturbursch, aber gleich neben den Büchern steht ein Solarium. "Ja, das ist uralt! Das hab ich geschenkt bekommen, und es ist zugedeckt mit einem alten mexikanischen Indianerteppich." Doch er zeigt auf einen Container in einer anderen Ecke, der aussieht wie eine Sauna: "Ich habe da eine Wärmekabine, eine Infrarotkabine, ich will ja nicht krank sein. Ich nehm´ keine Tabletten, maximal eine Murmeltiersalbe für meine Knie, und da gibt es auch Möglichkeiten, die teilweise biologisch-chemisch erzeugt werden - wegen mir muß kein Murmeltier sterben! Selbst da denk´ ich dran! Da schmier´ ich mich ein, da fühl´ ich mich wohl - es funktioniert!"

Fast alles funktioniert für Waterloo, nur ab und zu muß er sich unter die Arme greifen lassen, etwa bei seiner Eigenhaarverpflanzung. "Mit 48, 49 hab ich so einen Haarausfall oben gehabt, einen Kreis - jetzt hab´ ich das gemacht. Das wär´ genau so, wie wenn mir vorne zwei Zähne fehlen würden. Vorher hab´ ich es probiert mit Naturwasserl, das schadet nicht - aber helfen tut´s auch nicht!" lacht Waterloo. Und so kam er zu Moser Medical Eigenhaarverpflanzung, für die er auch auf einem seiner Autos Werbung macht ("Endlich wieder Haare"): "Der nimmt dir am Hinterkopf ein Band raus, da hat der Mann die besten Haare, da gehen sie ihm nie aus. Normalerweise hat man da eine Narkose, aber ich hatte keine, weil das haben sie vergessen. Ich hab´ einen Schmerz gehabt, das kannst du dir nicht vorstellen!" Ob er sich nicht beschwert hat? "Ich hab´ nichts gesagt, weil weißt eh - a Indianer kennt kan Schmerz! Aber mir hat´s die Tränen rausg’haut. Die schneiden die Kopfhaut raus, die skalpieren dich. Und dann stückeln sie das oben hinein, das geht nie mehr wieder raus. Dazu steh´ ich, dafür mach´ ich ja auch Werbung, die haben mir den Jeep monatlich abgezahlt - paßt!"

Waterloos selbstbewußtes Auftreten versetzt sein Umfeld mitunter in Staunen. "Bei Konzerten kommen oft 18-, 19jährige Mädchen daher, die mich fragen, wie alt ich bin. Die können das gar nicht glauben und sagen, daß ihr Vater erst 40 ist, aber schon älter aussieht als ich. Die haben etwas falsch gemacht."

 

Mein Blick streift weiter durch den Raum und bleibt bei einer Urne hängen, auf der "Axel war unser Engel auf Erden" steht. Waterloo folgt meinem Blick und muß mit den Tränen kämpfen. "Das war der Wahnsinn ... Den Hund hab´ ich gekriegt, da hat mich meine zweite Frau rausgeschmissen, weil sie einen anderen kennengelernt hat. Wir hatten drei Kinder, und ich wollte das auch deswegen nicht aufblasen. Ihr Neuer war aus meinem Bereich, den hab´ ich gebracht als Techniker aus Ostdeutschland, und in den hat sie sich verliebt." Waterloo blickt zur Seite und nickt auf ein Regal hin. "Da drin, in dem Safe, da sind ihre Worte niedergeschrieben, so dick, da warte ich schon seit der Scheidung - seit 13 bis 14 Jahren - darauf, das meinem Sohn zu geben, und der kann dann damit zurechtkommen. Ich will da jetzt kein Gift reinbringen, nur er soll lesen, was seine Mutter im Tagebuch geschrieben hat. Und wenn du das liest, dann weißt du alles. Und dann hat sie natürlich furchtbar gelogen, daß ich eine Freundin gehabt hab´. Nachher hab ich natürlich eine gehabt, ich will ja nicht alleine sein. Ich hab´ eine Italienerin kennengelernt, die hat mir den Hund gebracht. Und die war zu jung für mich, 30 Jahre, die Hälfte von mir. Sie hat mich dreimal betrogen, hat einen gehabt in Vorarlberg, irgendeinen Landtagsabgeordneten in Bozen, irgendsoein Gfrast - und ich war der Financier!" Doch das Problem hat sich dann mehr oder weniger von selbst gelöst: "Ich bin froh, daß ein Bekannter von mir, dem ich seine ganzen Küchenkastln gebaut hab, der hat sich in die schon lang verliebt gehabt, was ich nicht wußte. Ich bin zu ihm hin und hab 'Dankschee!' gesagt, daß er die übernimmt, sonst wär´ ich wahrscheinlich länger zusammen gewesen mit der!" prustet Waterloo. "Heut lach´ ich drüber! Mir geht´s gut und ihr sauschlecht! Aber das war ein langer Weg, ein langer Weg."

 

Der einzige Multikulti

 

Mit sich selbst ist Waterloo im reinen; fremden Institutionen aber steht er sehr skeptisch gegenüber - so auch jenen der Religion. "Lügen hab´ ich in allen verschiedenen Glaubensrichtungen erlebt! Ein Prälat hat mich angelogen, als ich ein Stück Grund dazukaufen wollte. Ein halbes Jahr später baut einer hin, ein Rechtsanwalt oder Notar, der viel Geld gehabt hat. Ich geh´ hin zum Prälat, der hat schon eine Glatze bekommen, war glührot im Gesicht: 'Ja, ich weiß, ich habe Sie belogen und betrogen. Der liebe Gott möchte mich strafen.' Sag´ ich: 'Das kommt automatisch.' Und dann bin ich aus der Kirche ausgetreten - aber nicht nur deswegen. Dann seh´ ich Rom, das ganze Gold und was weiß ich was, weil´s mich interessiert. Ich wollte ja an sich Theologie studieren, das hat sich mein Vater aber nicht leisten können. Ich durfte kein Ministrant sein, wegen falschem Parteibuch oder weil ich in Religion nicht gut war oder sonstwas. Jetzt bin ich Pfadfinder geworden, war eh gscheider. Du schickst dein Kind in die Kirche, und es wird mißbraucht, vergewaltigt!" - weswegen man, ehrlich gesagt, dankbar sein muß, nicht als Meßbube dienen zu dürfen.

 

Auch der Politik vertraut Waterloo nur in geringem Maße. Seine Vorstellungen? "Es muß nicht unbedingt eine Monarchie sein, aber eine gute Kombination! Wenn wir die Starfighter und Panzer und das alles verkaufen würden, was ja niemand braucht, dann wären wir innerhalb einer Woche vielleicht sogar das reichste Land auf der ganzen Welt, gleich nach der Schweiz. Wir haben so viel Geld in dem Land, daß es keinen einzigen armen Menschen geben müßte. Für ein gutes Konzept für dieses wunderschöne kleine Land genügt ein Blattl Papier. Wenn wir das alle miteinander machen und zusammenhelfen, sind wir so reich wie keiner auf der ganzen Welt. Es gibt ein paar Gute in der Politik, aber die haben leider keine Chance."

Eine Sache, die Waterloo in der Politik gemacht hat, war auf einer FPÖ-Wahlveranstaltung aufzutreten. Im Internet kursiert ein Video, in dem er sein Lied "Freiheit" neben Strache singt, während Parteimitglieder mit Schildern wie "Österreich zuerst" dazuschunkeln. "Ein Linzer Zeltverleih ruft mich an: 'Gig in Wien, gibt Geld.' ich leb´ ja von dem. Es war einer der größten Zeltverleihe, für die ich schon vorher gespielt hab. Ich fahr´ hin, irrsinnig viele Leute, auf einmal seh´ ich, daß es freiheitlich ist, denk´ mir nichts, ich mach´ ja keine Parteitourneen, wobei ich in den 1970ern eine gemacht hab´ für die SPÖ mit 55 Konzerten, das muß ich schon sagen. Das war für die SPÖ ein Riesenerfolg. Für uns natürlich auch. Strache gibt mir auf jeden Fall die Hand, ich singe zwei Lieder, er hat sich gefreut, ich hab´ mich gefreut. Ich geh´ danach runter, kommt eine türkische Frau her, die hat mich umarmt: 'Waterloo! Ich beachte Sie schon so lange! Ich liebe Sie so! Ich spüre in ganzen Herzen, ich bin eine Frau wahrscheinlich so alt wie Sie!' Ich sage: 'Möge sein! Alter spielt keine Rolle!' 'Ich liebe Sie, ich spüre, Sie sind für uns da!' Sag´ ich: 'Klar bin ich für euch da, sonst wäre ich nicht hierhergekommen.' "

Waterloo ist für alle da. Parteifarben sind kein Ausschlußgrund. "Ich hab Faymann im Parlament angerufen und gesagt: 'Ich gratulier´ dir, weil du gegen die Atomkraftwerke bist! Wenn du mich brauchst - ich bin da für dich!' Ich hab´ aber nicht geschaut, ob er wirklich das rote Parteibuch hat, mir ist das wurscht! Ich sag´ noch einmal: Für mich ist es wichtig, daß es für mich, meine Familie, meine kleine Heimat - das muß klass sein! Und das möchte ich nach außen hin vertreten!"

 

Ob Strache nun zu den oben angesprochenen "Guten in der Politik" gehört, weiß er nicht genau, aber "er hat Ansatzpunkte, die Haider damals schon gehabt habt. Der Haider wollte ja - und das weiß ich ganz sicher - Österreich so herausheben! Zum Nummer-1-Land in Europa machen! Da haben viele die Angst gehabt, daß er vielleicht sogar der Chef wird in der EU. Darum haben sie ja den Knopf gedrückt und pft ... der ist entsorgt worden." Wirklich? "Auf jeden Fall! Der ist entsorgt worden. Jeder fragt mich, seine Frau hält sich zurück. Haider ist ja aus Oberösterreich nach Kärnten runtergezogen, weil´s schön ist. Ich würde auch gern runterziehen, weil Oberösterreich und Salzburg ist ja das beschissenste Wetter schon seit 5000 Jahren! Strache hat gute Ansätze, und eins weiß ich sicher: daß er für Österreich total da ist! Das nehmen ihm auch viele übel, weil sie sagen: 'Wir brauchen ja die Gäste aus dem Ausland.' Da muß man Kompromisse machen. Das mache ich ja auch. Ich bin der einzige Multikulti, der einzig richtige Multikulti! Wenn ich in die Politik geh´, dann find´ ich sicher eine Lösung. Aber die Leute in der Politik haben eigentlich eh alle keine Chance, weil das Rezept, das Geheimnis kommt von ganz woanders her. Da gibt es Ausgangspunkte irgendwo, vielleicht in Amerika, vielleicht in Europa, da kommt das Rezept her, das wird gemacht. Wer sich danach richtet, paßt, und wer nicht, wird aussortiert. Und das ist die Brutalität." Wer dahintersteckt? Die Bilderberger? "Unter Umständen. Man hat viel gelesen, man interessiert sich dafür. Die Illuminatis hat es schon immer gegeben, wird es immer geben. Die großen Geschäftsleute, die gar nicht wissen, wieviel sie haben, die leiten die Strukturen auf unserer Welt. Ich muß wirklich sagen, da spielt es sich furchtbar ab! Die machen das bei den Indianern genauso wie bei uns in Österreich."

 

Zur Fortsetzung ...

Rokko’s Adventures

aus: Rokko´s Adventures #11

(erschienen im Juli 2012)


Text: Rokko

Fotos: Kurt Prinz

Links:

Kommentare_

kleinkariert - 14.03.2014 : 22.37
Murmeltiersalbe also! Ich mag Murmeltiere, es sind liebe murmelige Wesen. Wenn schon, dann würde ich auch die künstlich hergestellte bevorzugen :)
Infrarotwärme finde ich aber rundum super, seit wir unsre Physiotherm haben werde ich, ebenso wie Waterloo, deutlich weniger krank.
Was die Sache mit dem Herrn Strache und dessen "gute" Ansätze angeht, da bin ich allerdings anderer Meinung. Aber das tut ja nichts zur Sache. Interessanter Artikel auf jeden Fall, dankeschön dafür!

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