Video_The Visit

M. Night Shyamalan kommt zu Besuch ...

... und bringt sich gleich selbst in Bestform mit. Dazu gibt es jede Menge Walnußkekse, Tee und Omas feinen Blaubeerkuchen.    29.02.2016

Wenn Hollywood Anleihen bei den alten großen Erzählstoffen macht, ist es wahrscheinlich, daß daraus unterhaltsame Filme werden. Belege dafür finden sich in Werken wie "Star Wars", "Herr der Ringe" und "Der weiße Hai". Märchen dienen als Struktur für Handlung und Charaktere. Der Held begibt sich auf eine lange Reise, kämpft gegen das Monster und seine eigenen Ängste, besiegt beide und kommt als Erwachsener wieder zurück. Diese Heldenreise ist auch immer als eine innere Reise zu verstehen - die Konfrontation mit den eigenen Unsicherheiten und Schwächen.

In "The Visit" vollzieht ein Geschwisterpaar, Tyler und Rebecca (eigentlich Hänsel und Gretel), diese innere Reise. Es ist kein Zufall, daß es sich um die gleiche Konstellation handelt: der Teenager Tyler, der seiner Schwester mit amateurhaften Rap-Versuchen auf die Nerven geht, und die etwas ältere Rebecca, die ein großes Interesse am Filmemachen, insbesondere am Dokumentarfilm, zu haben scheint. Sie werden von ihrer Mutter zu den Großeltern geschickt, weil die Frau Mama sich mit ihrem neuen Freund endlich einen Luxusurlaub auf einem Kreuzfahrtschiff gönnen will. Das Besondere daran: Wegen eines familiären Zerwürfnisses haben Rebecca und Tyler ihre Großeltern noch nie zuvor gesehen. Aus diesem Umstand zieht der Film seine innere Logik.

Die Kinder reisen alleine mit dem Zug. Rebecca will aus dem Besuch einen Dokumentarfilm für ihre Mutter machen; zugleich schweben ihr die Teilnahme an einem Filmwettbewerb und natürlich der Emmy oder gar der Oscar für den besten Dokumentarfilm vor - und so verpflichtet sie ihren Bruder gleich auf die goldenen Regeln des Filmemachens. Herrlich naiv.

 Tyler und Rebecca werden von den Großeltern wie verabredet am Bahnhof abgeholt, doch etwas Merkwürdiges umgibt die alten Leute von Anfang an. Irgendwas stimmt da nicht. Immer wieder gibt es kleine Momente, in denen die Großeltern sich apathisch und zurückhaltend verhalten. Auf Fragen zu ihrer Tochter reagieren sie mit Schweigen. Das irritiert, denn eigentlich sollten sie sich doch von Herzen über den Besuch freuen - zumal es gut der letzte sein könnte, da die beiden schon sichtbar die 70 überschritten haben. Die Spannung entsteht aus der Naivität, mit der sich die Kinder den beiden älteren Menschen nähern, und deren sonderbarem Verhalten. So rappt Tyler gleich einmal in der Küche seiner Oma etwas vor; Rebecca wiederum versucht jede Regung der Großeltern auf Video einzufangen und ermuntert sie immer wieder zu kleinen Interviews vor der Kamera. Die Gastgeber sind von diesem Verhalten entzückt, bleiben aber dennoch merkwürdig reserviert.

Nach dem ersten Kennenlernen und ein paar Keksen kommt die erste Nacht im Haus der Großeltern; jetzt scheint sich das unterschwellige Gefühl des Zusehers zu bestätigen. Der Großvater gibt den Kindern die Anweisung, nach 21.30 Uhr nicht mehr das Kinderzimmer zu verlassen. Doch der nächtliche Hunger auf Omas leckere Walnußkekse läßt die Besucher schnell wieder darauf vergessen.

 

 

So sehen sie, wie die Oma mitten in der Nacht mit einem Brechanfall durch das Haus läuft. Eklig, aber wohl nichts Außergewöhnliches für eine ältere Dame. Der Großvater erklärt es mit einem Magen-Darm-Infekt. Doch die Ereignisse häufen sich, auch beim Opa, als er sich bei einem Besuch in der Stadt von einem Passanten beobachtet fühlt und ihn scheinbar grundlos attackiert. Tyler und Rebecca fühlen sich immer unwohler in der Gesellschaft ihren Großeltern und sehnen bald das Ende der Woche herbei. Was stimmt nicht mit diesen Leuten? Sind es schlichte Alterserscheinungen? Ist es das gebrochene Verhältnis zur Tochter oder doch etwas ganz anderes? Man möchte am liebsten zurückspulen, um nach versteckten Hinweisen zu suchen, doch das geht im Kino nicht. Hieraus entsteht wiederum Spannung.

Bis zur erschreckenden Auflösung läßt uns Shyamalan im Zwiespalt zwischen Unbehagen und Verständnis für die Unzulänglichkeiten alter Menschen und Hoffnung auf deren Besserung. Es finden sich im Film immer wieder Zitate aus "Psycho" - einen Film, der ebenfalls den Zwiespalt zwischen Schuld, Verurteilung und Verständnis für den Schuldigen sucht.

"The Visit" ist ein gelungenes Werk nach Jahren der filmischen Flops. Shyamalan hat zu seinen filmischen Wurzeln zurückgefunden. Der Horror entsteht in der klaustrophobischen Enge eines Landhauses, zwischen den Akteuren und im Kopf des Zuschauers. Zugleich stellt der Film notwendige Fragen über Familie und den Umgang der Generationen miteinander.

Andreas Stadler

The Visit

ØØØØ

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Universal Pictures (USA 2015)

94 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder engl. OF

Features: Making of, Deleted Scenes u.a.

Regie: M. Night Shyamalan

Darsteller: Olivia DeJonge, Ed Oxenbould , Peter McRobbie u. a.

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The Visit

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