Editorial_16. 4. 2009: Wort zum Donnerstag

Messer im Rücken

Einst predigte er am Sonntag - und mußte feststellen, daß er sich in einem anderen Jahrhundert wohler fühlt, schon wegen der Gesellschaft: Pater Michael Hass, der EVOLVER-Leser von nun an gelegentlich mit seinem "Wort zum Donnerstag" erbauen wird.    24.04.2009

Ausgerechnet am heiligsten Tag des christlichen Glaubens, an dem wir die Auferstehung unseres Herrn Jesu feiern, wurde ich wieder einmal mit dem Dummen, Bösen und Schamlosen konfrontiert. Man kennt das ja aus der Religionsgeschichte - und hat gelernt, zu widerstehen.

Wie so oft brachte mir eines meiner Schäfchen die "Kronen-Zeitung", die es an Wochenenden für viele Menschen gratis gibt, wie ich höre. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch; ich will hier nichts gegen die "Krone" sagen, der aus blödistischen Kreisen in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen wird, sie mache die Politik in Österreich. (Recht hat sie! Die Politiker selbst tun ja ohnehin nichts anderes, als uns im Laufschritt auf den Abgrund zuzutreiben, wenn aus Brüssel das Kommando "Spring!" erschallt.)

Bei der Lektüre des Blattes stieß mir dennoch der Meßwein sauer auf. Da wurde beispielsweise über eine "Selbsthilfegruppe" berichtet, die nichts Besseres zu tun hat, als durch Lokale in ganz Österreich und vor allem der Wiener Innenstadt zu tingeln, um dort die Einhaltung des Rauchverbots zu kontrollieren und dann Anzeigen zu machen. Wir dürfen damit rechnen, daß die Nikotin-Gestapo wohl auch bald Kinder anwerben wird, die der Behörde melden, ob Papa und Mama sich nach dem Essen eine angezündet haben. Und demnächst wird dann der Glühbirnen-KGB ins Leben gerufen, der mit Hilfe von Freiwilligen gnadenlos Verstöße gegen ein weiteres EU/Ami-Diktaturgesetz (den Unfug mit den Sparlampen) verfolgt.

"Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant?, schrieb schon August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der es wissen mußte. Und dazu paßt auch die "Krone"-Meldung über einen gewissen Florian Klenk, der sich beim "Falter" und anderswo als Aufdeckungsjournalist aufspielt (als ob in Österreich je etwas aufgedeckt würde, was nicht den üblichen Partei- und Gutmenscheninteressen dient) und sich nicht entblödete, in einem Aufsatz in der "Süddeutschen Zeitung" - eine jener Gazetten, die Kaffeehaus-Gscheiterln gern vor der Nase haben, nach dem Motto: "Schau, Mama, ich kann so eine große Zeitung schon ganz allein halten!" - der deutschen Leserschaft vom Besuch Kärntens abzuraten. Warum? Eh klar, BZÖ. Die Demokratie hat wieder einmal nicht so funktioniert, wie Herr Klenk das wollte, also wird Boykott gefordert, am liebsten gleich wie in Kuba oder einst dem Irak, vielleicht bringt man das Gesindel ja so zur Vernunft.

In einem Land, wo Vernaderer-Archive staatlich gefördert, immer neue Sprechverbote erlassen und perfid inszenierte Schauprozesse geführt werden, paßt dieses Lumpentum allerdings perfekt ins Bild. Umso mehr freut es mich, daß meine Vorgesetzten die Inquisition abgeschafft haben. Mit den Ketzerjägern von heute möchte man ja wirklich nicht gemeinsam um vier Uhr früh an die Tür aufmüpfiger Bürger klopfen ...

Pater Michael Hass

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