Kino_Hellboy 2 - Die goldene Armee

Rotgedrungen

Der gehörnte rote Katzenfreund mit einer Schwäche für Schokoriegel ist wieder da. Guillermo del Toros Fortsetzung bietet opulentes Fantasy-Kino, bei dem die Schauwerte die Story bisweilen in den Schatten stellen.    13.10.2008

Für Guillermo del Toro scheint es zwei Realitäten zu geben: diejenige, in der wir uns bewegen, und eine andere, die uns zumeist verborgen bleibt, weil wir ihre Hinweise übersehen und ihre Zeichen nicht zu deuten wissen. Fast jeder Film des gebürtigen Mexikaners spielte bislang in irgendeiner Form mit der Demarkationslinie zwischen diesen beiden Welten. "Pans Labyrinth", für den del Toro mit Preisen geradezu überschüttet wurde, perfektionierte den kleinen Grenzverkehr in Form und Inhalt. Noch vor "Pans Labyrinth" überraschte er uns jedoch mit der etwas anderen Comic-Adaption "Hellboy". Der putzige rote Geselle, dessen Schwäche für Schokoriegel und Liebe zu Katzen überliefert sind, eroberte die Sympathien des Publikums im Sturm. Die logische Konsequenz: Del Toro erhielt schon bald grünes Licht für eine rote Fortsetzung.

Hatte es "Red" - so nennen ihn gute Freunde - in seinem ersten Leinwandabenteuer noch mit einem exzentrischen russischen Magier und einer fanatischen Nazi-Mumie zu tun, so macht dieses Mal ein echtes Blaublut Jagd auf unseren Höllenjungen. Elfenprinz Nuada (Luke Goss) ist es leid, den einst von seinem Vater (Roy Dotrice) ausgehandelten Frieden mit den Menschen zu halten. Er betrachtet sich selbst als rechtmäßigen Herrscher über die Welt, was er mit Hilfe der sagenumwobenen "Goldenen Armee" auch unter Beweis stellen will. Um die unbesiegbaren Kämpfer überhaupt zu reaktivieren, muß er allerdings zuerst die drei Teile einer magischen Krone in seinen Besitz bringen. Seine Zwillingsschwester, Prinzessin Nuala (Anna Walton), hält wenig von den Plänen ihres verbitterten Bruders. Schließlich glaubt sie an eine friedliche Koexistenz von Menschen und Elfen.

An dieser Stelle treten Hellboy (Ron Perlman) und seine Mitstreiter vom Bureau of Paranormal Research and Defense, einer geheimen Untereinheit des FBI, auf den Plan. Sie müssen nicht nur die Prinzessin beschützen, sondern auch die Welt vor Nuadas Machtphantasien bewahren. Nach dem Tod von Professor Broom (John Hurt) leitet übergangsweise FBI-Mann Tom Manning (Jeffrey Tambor) die Operationen der Geheimorganisation. Zumindest versucht er es. Tatsächlich tut Hellboy aber das, was er für richtig hält. Erst mit der Ankunft seines neuen Vorgesetzten Johann Krauss (James Dodd), eines deutschen (!) Ektoplasmaspezialisten, der ohne seinen seltsamen Raumanzug einer Gaswolke (!!) ähnelt, kehren Ordnung und Disziplin zurück.

 

Nach dem Erfolg von "Pans Labyrinth" erhielt del Toro einen kreativen Blankoscheck, der es ihm ermöglichte, seine Vision des "Hellboy"-Universums ohne Wenn und Aber umzusetzen. Das sieht man dem Film auch an: Der zweite Teil der Höllenbuben-Saga übertrifft den Vorgänger in seiner visuellen Opulenz um Längen. Bereits die Unmengen an ekligem Getier, seltsamen Kreaturen und deformierten Monstern zeugen mit ihren beinahe mikroskopischen Details von del Toros scheinbar grenzenloser Phantasie. Seien es die nur im Schwarm auftretenden Zahnfeen oder der wahrlich angsteinflößende Engel des Todes - "Hellboy 2" empfiehlt sich als das ultimative Panoptikum skurriler Gestalten.

Sets wie der unter der Brooklyn Bridge verborgene Trollmarkt möchte man sich ob ihrer optischen Brillanz am liebsten als Bild an die Wand hängen. Auch in Sachen Action hat del Toro - salopp gesagt - eine Schippe draufgelegt. Nach den oftmals doch recht ähnlichen und daher monotonen Duellen im ersten "Hellboy" überzeugt "Die goldene Armee" gleich mit einem halben Dutzend unterschiedlicher Kämpfe, deren brachiale Wucht und Rasanz jedem Action-Streifen gut zu Gesicht stehen würde. Insbesondere die eleganten Martial-arts-Techniken des zornigen Elfenprinzen fügen sich mit Hellboys eher rustikalem Kampfstil zu einem perfekt choreographierten Action-Ballett zusammen.

Auch dieser Film ist wieder von del Toros anscheinend pathologischer Faszination für technische Apparaturen als Mechanik und Symbol des Bösen durchzogen. Hatte der Nazi-Schlächter Kroenen im ersten "Hellboy" anstatt eines menschlichen Herzens eine zahnradähnliche Vorrichtung und war der sadistische Stiefvater aus "Pans Labyrinth" geradezu besessen von einer vererbten Taschenuhr, so finden sich dieses Mal mechanische Gimmicks sowohl im Großen (die Bühne des Endkampfs) als auch im Kleinen (die Krone).

Wenngleich die Kenntnis des Vorgängers nicht zwingend erforderlich ist, hilfreich ist sie allemal. Ansonsten dürfte man sich anfangs über so manche Eigenart wie etwa Liz´ (Selma Blair) spontane Selbstentzündung verwundert die Augen reiben. Außerdem gibt es nichts Schöneres, als gute Freunde nach langer Zeit einmal wieder zu treffen. Für den Fischmenschen Abe (Doug Jones) hält die Geschichte sogar eine unerwartete Romanze bereit. In einer der schönsten wie lustigsten Szenen des Films schwelgen er und Hellboy zu Barry Manilows "Can´t Smile Without You" in bierseligem Herzschmerz. Katzenfreund und TV-Junkie Hellboy, der lernen muß, was es heißt, in einer Beziehung den Alltag zu meistern, ist und bleibt der schroffe, obercoole Charmebolzen. Ron Perlmans Präsenz ist unschlagbar und mit Sicherheit ein Garant für den Erfolg des Comic-Franchise.

Schwächen leistet sich der neue Hellboy allerdings auch. Die Story rund um die "Goldene Armee" und den Kampf zwischen Elfen und Menschen erscheint mitunter wie eine Episode aus Tolkiens "Herr der Ringe"-Epos. Dabei wird schnell klar, wieso Peter Jackson den Mexikaner unbedingt als "Hobbit"-Regisseur verpflichten wollte - was die Sache jedoch keineswegs besser macht. Überhaupt hätte del Toro in die Ausarbeitung der Geschichte mehr Herzblut investieren können. Manches wie die Beziehung zwischen Liz und Hellboy endet als Lückenfüller zwischen zwei Action-Sequenzen, weshalb man den Film vom Vorwurf einer nur auf Schauwerte fixierten Inszenierung nicht ganz freisprechen kann.

Marcus Wessel

Hellboy 2 – Die goldene Armee

ØØØ 1/2

(Hellboy II: The Golden Army)

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2008

119 Min.

Regie: Guillermo del Toro

Darsteller: Ron Perlman, Selma Blair, Doug Jones u. a.

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