Kino_Saint Jacques ... Pilgern auf Französisch

Wallfahrt in den Wahnsinn

In ihrer Komödie erzählt Coline Serreau von neun Pilgern, die auf ihrer Reise mit den Schwierigkeiten des Lebens zu kämpfen haben. Der eigentlich unterhaltsame und lustige Film bleibt aber durch die Stereotypisierung seiner Figuren und Handlung belanglos.
   07.03.2008

Die französische Filmemacherin Coline Serreau drehte 1985 in ihrer Heimat die Komödie "Trois hommes et un couffin" ("Drei Männer und ein Baby") und gab damit Hollywood zu gleich zwei Fortsetzungen Anlaß, zu denen sie selbst auch das Drehbuch schrieb: "Three Men and a Baby" ("Noch drei Männer, noch ein Baby") und "Three Men and a Little Lady" ("Drei Männer und eine kleine Lady") mit Tom Selleck, Steve Guttenberg und Ted Danson - zwei Filme, die weitaus bekannter wurden als das Original. Auch die 2003 von Serreau selbst gedrehte Fortsetzung des Originals, in der die Figuren um 18 Jahre gealtert waren ("18 ans après - 18 Jahre später"), erlangte nicht viel Aufmerksamkeit. 2005 drehte sie dann einen Film, der nichts mit Vätern und Babies zu tun hat, obgleich es auch hier um Menschen und ihre Beziehungen zueinander geht.

"Saint Jacques ... La Mecque" ist der Titel der nun endlich in unseren Kinos gestrandeten Komödie - wobei mit Saint Jacques der spanische Wallfahrtsort Santiago de Compostela gemeint ist und "Mecque" schlicht Mekka bedeutet. Wer jetzt vermutet, es handle sich bei diesem Film um eine Geschichte über Religion und Kirche, liegt damit zwar nicht ganz falsch, aber auch nicht richtig. Obwohl die Story von einer Pilgerfahrt handelt, was zwangsläufig auf irgendeine Weise mit Kirche und Glaube zu tun hat, erzählt Serreau vielmehr von den Schwierigkeiten des Lebens und zwischenmenschlicher Beziehungen.

 

Clara (Muriel Robin), Pierre (Artus de Penguern) und Claude (Jean-Pierre Darroussin) sind zwar Geschwister, halten es aber nur bedingt miteinander aus. Die drei führen ihr Leben fernab der anderen und meiden einander, so gut es geht. Als aber ihre Mutter stirbt, hinterläßt sie in ihrem letzten Willen eine Überraschung. Ihr kleines Vermögen will sie nämlich nicht einfach so hergeben, sondern nur an eine Bedingung geknüpft: Die Geschwister müssen gemeinsam eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela unternehmen. Abgesehen davon, daß die drei einander nicht leiden können, haben sie weder Lust auf Wandern noch auf Konfrontationen mit Religion.

Doch Geld braucht jeder - und so machen sie sich auf den Weg, zusammen mit dem Reiseleiter Guy (Pascal Légitimus) und fünf anderen Pilgern, von denen einer glaubt, auf dem Weg nach Mekka zu sein, und ein anderer nur seiner großen Liebe nachreisen will. Gemeinsam brechen sie zu einer langen und anstrengenden Reise auf, die vorerst von schweren Rucksäcken, Blasen an den Füßen und Hunger geprägt ist. Doch wie das Leben so spielt, schweißen die unangenehmen Erlebnisse die Gruppe zusammen, sodaß nach einiger Zeit sogar die Geschwister zu streiten aufhören.

Serreau unterbricht die geradlinige Geschichte nur durch die surrealistisch angehauchten Träume der Figuren, die deren Gefühle und Gedanken ausdrücken sollen. Der junge Ramzi (Aymen Saidi), der nicht lesen kann, wird im Traum von einem riesigen Buchstaben verfolgt, während die krebskranke Mathilde (Marie Bunel) von ihrem haarlosen Kopf träumt. Abgesehen von diesem kreativen Einfall, der teilweise den Fluß der Story aber auch störend unterbricht, ist der Film eine durchgehende Geschichte ohne viel Getue oder Auf und Ab - und erzählt aufrichtig von den Figuren, deren Charakterschwächen die Regisseurin immer wieder durch Situationskomik und witzige Seitenhiebe ins Humorvolle zu ziehen weiß.

Obwohl es lustige Momente gibt, die Figuren gut gezeichnet sind und die Komödie eigentlich einen guten Gesamteindruck macht, erweckt der Film doch den Eindruck der Belanglosigkeit. Ob es nun an den Problemen der Protagonisten liegt, die einfach schon abgedroschen wirken, weil in Filmen immer wieder dieselben Typen und Motive verwendet werden - die Krebskranke, der Trinker, die Zynische -; oder ob die Geschichte an sich zu geradlinig ist, läßt sich kaum sagen. Wahrscheinlich ist jedoch das Zusammenspiel dieser beiden Elemente für die Alltäglichkeit des Films verantwortlich. "Saint Jacques" ist so zwar eine durchaus unterhaltende Komödie geworden, geht aber in der vielfältigen französischen Filmlandschaft auch leicht unter.

Christa Minkin

Saint Jacques ... Pilgern auf Französisch

ØØØ

(Saint Jacques ... La Mecque)

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F 2005

103 Min.

Regie: Coline Serreau

Darsteller: Muriel Robin, Marie Bunel, Jean-Pierre Darroussin u. a.

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