Kino_2012

Roland läßt die Sau raus!

In knapp drei Jahren soll die Welt untergehen. Dank Herrn Emmerich und seinem neuen Endzeitstreifen tut sie das im Kino aber schon heute. Auch recht.    10.11.2009

Das Ende ist nah - viel näher, als wir denken. Schon im Jahr 2012 soll es für die Menschheit Doomsday spielen, und was dann passiert, wird selbst die kühnsten Millenniums-Prophezeiungen in den Schatten stellen, wenn man den Botschaften aus Hollywood glaubt. Eine Reihe von Regisseuren, allen voran der aus Sindelfingen in Deutschland stammende Roland Emmerich, malt den drohenden Weltuntergang auf die Leinwand.

Verantwortlich für das drohende Ende der Zivilisation sollen in seinem "2012" gleich mehrere Faktoren sein. Im Schicksalsjahr stehen beispielsweise alle Planeten des Sonnensystems in einer geraden Linie mit dem Zentrum der Milchstraße - ein potentieller Auslöser für verschiedenste esoterische Kernprozesse. Darüber hinaus endet am 21. Dezember 2012 der Maya-Kalender, der über dieses Datum hinaus nicht weitergeführt wurde, der Schlußstrich für eine 5125 Jahre dauernde Zeitepoche. Allerdings sind die Meinungen, wie die Welt über den Jordan gehen wird, durchaus geteilt. Sie reichen von der Prophezeiung, daß die Menschheit auf eine "höhere Stufe" gehoben würde (mit weitgehend letalen Folgen), bis hin zur ökologischen Katastrophe - wobei man mancherorts auch die Meinung vertritt, daß solche Katastrophen notwendig sind, um die Voraussetzungen für die Erfüllung ersterer Prophezeiung zu schaffen. Oder so ähnlich. Auch der vollständige Zusammenbruch der Weltwirtschaft wird für das bald kommende Schicksalsjahr vorausgesagt. Kurzum: Wie man es auch betrachtet, die Welt steht auf keinen Fall mehr lang.


Ein solider Weltuntergang will ordentlich in Szene gesetzt sein, wofür Roland Emmerich immerhin 200 Millionen Dollar ausgeben durfte. Nach "Independence Day" und "The Day After Tomorrow" ist "2012" sein dritter Versuch, die Zivilisation dem Erdboden gleichzumachen. Die Geschichte mit dem Maya-Kalender findet Emmerich zwar "faszinierend", doch er glaubt nicht darin, daß im Jahr 2012 wirklich die Welt untergehen wird. "Am Anfang hatten wir die Idee, die Theorie der Erdkrustenverschiebung von Charles Hapgood zum Hauptthema des Filmes zu machen, die einen Erklärungsansatz zum Entstehen einer Sintflut liefert", sagt Emmerich in einem Interview, das im Buch "Apokalypse 2012" von Kurt-J. Heering und Jo Müller enthalten ist (erschienen im Ueberreuter-Verlag). "Dann haben wir recherchiert und sind auf Bücher gestoßen, die diese Theorie mit den Prophezeiungen der Maya in Zusammenhang bringen. Und da bist du dann ganz schnell beim Jahr 2012."

Der Weltuntergang, den uns der Katastrophenregisseur in Aussicht stellt, hat keine übernatürlichen Wurzeln - auch wenn am Anfang des Filmes solche Assoziationen geschürt werden; so zeigen die ersten Bilder gleich die in einer Linie zum Mittelpunkt der Galaxis stehenden Planeten des Sonnensystems. Laut den Maya wird es außerdem die Kraft der Sonne sein, die den Untergang herbeiführt; bei Emmerich sind es enorme Sonnenstürme und Protuberanzen. Die in den Erdmantel eingedrungenen Neutrinos verwandeln sich "in etwas anderes" und heizen den Erdkern auf, was letztlich zur Instabilität der Erdoberfläche und zum Ausbruch einer Sintflut führt.

 

Als der junge Wissenschaftler Adrian Helmsley (Chiwetel Ejiofor) im Jahr 2009 davon erfährt und den US-Präsidenten von der Gefahr überzeugt, läuft ein internationales Rettungsprogramm an. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit baut man in China Archen, in denen ausgesuchte Personen für eine Milliarde Euro pro Nase den gigantischen Tsunami, der die gesamte Welt unter Wasser setzen soll, überleben können. Den Rest der Menschheit warnt man erst gar nicht, da ohnehin keine Überlebenschancen bestehen - wie etwa für den relativ unbekannten Schriftsteller Jackson Curtis (John Cusack). Der macht bei einem Campingausflug in den Yellowstone-Nationalpark eine interessante Entdeckung: Sein Lieblingssee ist ausgetrocknet und hat sich in ein militärisches Sperrgebiet verwandelt. Im Park stößt Jackson auch auf den exzentrischen Wissenschaftler Charlie Frost (Woody Harrelson), der in seinem Wohnmobil Radiosendungen über den drohenden Weltuntergang produziert. Jackson nimmt ihn zunächst nicht ernst und beginnt ihm erst zu glauben, als Los Angeles durch Erdbeben stückweise zerstört wird. Dann bricht im Nationalpark ein Vulkan aus, und Helmsley wird klar, daß der Weltuntergang schneller kommt als ursprünglich errechnet. Von da an beginnt ein Wettlauf über eine zerstörte Erde nach China, um vor der Sintflut eine der geheimen Archen zu erreichen.


Wie in den meisten seiner Filme versucht Roland Emmerich die Tragödie auf eine menschliche Ebene herunterzubrechen, wofür ihm einige ausgezeichnete Schauspieler zur Verfügung stehen. John Cusack als Science-Fiction-Schriftsteller wirkt allerdings gelegentlich ein wenig unterfordert, da Oscar-verdächtiges Mienenspiel in "2012" eindeutig nicht gefragt ist. Anders als in "The Day After Tomorrow", in dem die drohende Eiszeit neben den Einzelschicksalen mit fortschreitender Handlung mehr und mehr in den Hintergrund tritt, bleibt das Drehbuch von "2012" dicht und fokussiert. Alle Charaktere sind auf die eine oder andere Art miteinander verbunden, auch wenn es nicht alle auf eine rettende Arche schaffen. Anspielungen auf das reale Weltgeschehen kommen nur im Detail auf: So ist der US-Präsident Thomas Wilson ein Schwarzer (Danny Glover) - und er ist es auch, der wegen der verschacherten Rettungsplätze den Moralischen bekommt und die Welt über ihr bevorstehendes Ende aufklärt. Und daß an Bord der Archen eine Frau für Deutschland und andere europäische Staaten spricht, ist hoffentlich kein Versuch, Angela Merkel ein Denkmal zu setzen.

Natürlich lebt der handwerklich solide gestrickte Film nicht von den Schauspielern (die zwar gut besetzt, letztlich aber doch austauschbar sind) allein, sondern erwartungsgemäß von den Effekten. Es gibt so gut wie keine Szene ohne Special-Effects, wobei gelegentlich Logik und Realismus in der Austastlücke verschwinden - wie etwa bei Jacksons Flucht in einem Flugzeug aus Los Angeles: Praktisch in letzter Sekunde, bevor die Stadt im Meer versinkt, rast die Maschine zwischen einstürzenden Neubauten und aufbrechenden Lavaschluchten hindurch, als wäre Godzilla hinter ihr her. Mit den Effekten dringen Emmerich und seine Trickexperte Volker Engel und Marc Weigert in Dimensionen vor, in denen nie ein Deutscher zuvor gewesen ist. Dadurch wird "2012" jedoch auch zum Popcorn-Kino. Er ist rasant und kurzweilig gemacht, aber ein zweites Mal schaut man ihn sich garantiert nicht im Kino an, sondern bestenfalls auf DVD. Oder nach Jahren im Fernsehen.

 

Auch das Ende von "2012" steht natürlich von vornherein fest: Die Welt versinkt unter einer globalen Sintflut. Lediglich ein paar Bergspitzen ragen noch aus dem Wasser, und dazwischen treiben die Archen dem Sonnenaufgang entgegen. Nach Wochen dürfen die Überlebenden erstmals an Deck, um die Luft der neuen Welt zu atmen. Auf die Vorzüge moderner Technik brauchen sie dank der hervorragenden Ausstattung der Archen nicht zu verzichten - selbst funktionierende Satelliten befinden sich noch in der Erdumlaufbahn. Da es sich bei den Archen nicht um Raumfahrzeuge, sondern um Schiffe handelt, wird der nach dem Geldprinzip selektierte Genpool der neuen Menschheit auch wieder an Land gehen, wenn sich die Flut zurückgezogen hat.

Und weil Rom auch nicht an einem Tag niedergebrannt wurde, reicht ein Film natürlich nicht aus, um sowohl Demontage als auch Wiederaufbau der menschlichen Zivilisation zu zeigen. Deshalb soll die Besiedelung der "gereinigten" Erde in einer Fernsehserie fortgeführt werden, verriet Roland Emmerich kürzlich dem US-Blatt "Entertainment Weekly." Einen Namen hat er auch schon dafür: "2013":

An seinen Titeln muß Emmerich wohl noch arbeiten. Die haben nämlich - wie der gute alte Maya-Kalender - ein Ablaufdatum ...

Chris Haderer

2012

ØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2009 (Sony)

92 Min.

Regie: Roland Emmerich

Darsteller: John Cusack, Amanda Peet, Danny Glover u. a.

Links:

Kommentare_

Jace - 17.11.2009 : 16.28
Respekt. Tolles Review. Hat bisher noch kein so langes Review geschafft das ich es zu Ende lese. Deckt sich absolut mit meiner Meinung zum Film, den ich vorgestern "genießen" durfte. Wer hier rein geht sollte das hauptsächlich wegen den Special-Effects tun.
ledshift - 24.11.2009 : 19.19
Buch 2012
Auf unserer Seite gibt es einen Roman zum gratis Download, der sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Film 2012 besitzt. Wem diese Themen interessieren und noch dazu ein bisschen philosophisch angehaucht ist sollte ihn lesen!
Download unter: http://www.ledshift.com/Anthropos.html

Kolumnen
Ausweiskontrolle

Wie wir die NSA verwirrten ...

Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"  

Kolumnen
Ausweiskontrolle

The All American Big Data Online Election Show

Big Data und Social Media halten zusammen wie Pech und Schwefel. Ihnen verdankt Barack Obama seine zweite US-Präsidentschaft.  

Kino
Star Trek - Into Darkness

Phaserschmeichler

Zum zweiten Mal hat Regisseur J. J. Abrams den Motor der "Enterprise" angeworfen und sie auf eine für den Titel "Into Darkness" eigentlich recht gut ausgeleuchtete Reise geschickt. Chris Haderer ist eine Runde mitgeflogen.  

Termine
Festival des gescheiterten Films

Die große Show der tragisch Gescheiterten

Vom 8. bis 15. Februar geht das "Festival des gescheiterten Films" in den Breitenseer Lichtspielen vor Anker. Gezeigt werden Filme, für die es leider keinen kommerziellen Markt zu geben scheint.  

Termine
"Big Brother Awards" 2012

Name them & shame them!

Am 25. Oktober werden im Wiener Rabenhof die 14. "Big Brother Awards" verliehen. Traditionell finden sich unter den Nominierten illustre Namen von Beatrix Karl bis Marie Vassilakou.  

Kino
Die Wand

Bergsee mit Wand

Regisseur Julian Roman Pölsler hat sich an der Verfilmung von Marlen Haushofers "Die Wand" versucht - und ein schön photographiertes Hörbuch abgeliefert.