Kolumnen_Miststück der Woche III/5

Bob Dylan: "Duquesne Whistle"

Wie Männer lieben und welchen Unfug sie anstellen, wenn sie ihr Herz verschenken, das ist eine Kardinalsfrage im Umgang der Geschlechter. Will man sich mit dieser Thematik beschäftigen, kann man stundenlang "Two And A Half Man" schauen - oder Dylan hören.    15.10.2012

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Letzte Woche kündigte ich für heute ein paar Zeilen zu John Cale an. Aber beim barmherzigen Licht der Herbstsonne betrachtet, ist dessen Kunstschmock-Werk so unwichtig wie der berühmte Eimer Schnitzelfett, der irgendwo umkippt. Was uns alle doch viel mehr beschäftigt, ist das große Thema "Liebe". Deshalb werden Schmachtfetzen wie "Love Me Tender" geschrieben, deshalb singt Adele "Skyfall", worüber wir aber erst in der kommenden Ausgabe palavern werden. Und deshalb raunzt sich Bob Dylan durch den Opener seines neuen, 35. Studioalbums "Tempest". Das Lied heißt "Duquesne Whistle", aber das nur am Rande. Den Titel kann eh kein Schwein aussprechen, geschweige denn fehlerfrei in die Tastatur hacken. Außerdem sind Namen sowieso nur Schall und Rauch.

Eines steht allerdings unumstößlich fest: Bob Dylan ist immer dann gut und zeitlos, wenn er sich nicht irgendwelchen gesellschaftlichen Moden, Marotten oder so verpflichtet fühlt. Spricht er von Beziehungen zwischen Mann und Frau, dann werden seine Worte klar, kommen unverschwurbelt und präzise. Religiöse Metaphern und Bilder setzt er dann so ein, daß sie erklären, warum speziell Männlein so sind, wie sie im Umgang mit Weiblein nun mal oft sind. Wann verletzt man die Frau, die man liebt und begehrt? Und durch welche Filter zeigt der Mann seine Liebe? Das sind Fragen, die schon immer eine Rolle spielten und deshalb Stoff für klassische Dramen und Hollywood-Filme abgaben. Nebenbei sei erwähnt, daß es Dylans Spätwerk als repräsentative Doppel-LP gibt, in deren quadratischer Pappverpackung sich auch eine CD-Variante versteckt. Für den Silberling muß man sich scheinbar schon fast schämen.

Am besten nähert man sich dem Song "Duquesne Whistle" über das beeindruckende Video, das ganz offiziell und legal auch im von der GEMA zensierten Deutschland anschaubar ist - und zwar hier.

 

Ganz abgesehen davon, daß der etwas mehr als fünf Minuten lange Streifen sehenswert ist, erzählt er, was Dylan dann mit seinen Worten beschreibt. Gezeigt wird ein junger Mann, der sich ganz offensichtlich in ein hübsches, zaundürres Mädel verliebt. Mit kreativen Ideen und Witz macht er sich für sie zum Affen, was natürlich nicht übermäßig schlimm wäre, wenn sie seine Avancen erwidern würde. Daß sie sich ihm langsam nähert, ahnen wir nur. Eigentlich gibt es dazu für sie nämlich kaum eine Möglichkeit - denn er wird, wenn auch nicht von ihr, immer heftiger für seine Liebe bestraft.

Bevor er am Schluß des Videos durch massive Gewalt aus dem zwischenmenschlichen Verkehr gezogen wird, verhindern finster aussehende Kräfte, daß er sich der Geliebten wirklich zeigen kann. Sie nimmt nur Momente von ihm wahr, aber diese kurzen Sequenzen müssen reichen. Mehr gibt es nicht. Wir erfahren nie, wen oder was die bösen Kräfte symbolisieren. Sicher ist jedenfalls, daß sie mit der Frau nichts zu tun haben. Also sind es die Schatten der eigenen Person, die den jungen Mann in die Schranken weisen wollen. Ob er das Mädchen kriegt, muß ungewiß bleiben. Vielleicht klappt es, vielleicht aber auch nicht. Den Traum von der Liebe gibt der Typ aber bis zum Ende nicht auf.

Während der immer brutaler werdenden Szenen marschiert Bob Dylan mit einer Handvoll männlicher und weiblicher Outlaws durch die Gegend - scheinbar unbeteiligt und losgelöst von der Handlung. Inwieweit er wohl beschreibt, was er als Jungspund selbst erlebt hat? Es wirkt auf jeden Fall so, als erzähle er eine universelle Geschichte mit weitreichendem persönlichen Bezug. Zum Lachen ist das nicht. Wer über "uns" Männer und unseren Teil am Geschlechterchaos lachen will, muß "Two And A Half Man" anschauen oder über sich selber witzeln, was übrigens eine große Kunst ist.

In der kommenden Woche werde ich euch tatsächlich von "Skyfall" erzählen, von James Bond, seinem Schöpfer Ian Fleming und von neuübersetzten Büchern. Und von Adele. Versprochen! Eigentlich wollte ich ja in diese Ausgabe der Kolumne das neue Wort "Wachtelkuh" einbauen, was - wie ihr lesen konntet - nicht geklappt hat. Aber irgendwann kommt der perfekte Zeitpunkt dafür.

 


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER


Manfred Prescher

Bob Dylan - Tempest

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