Akzente_Literatursalon im Gemeindebau

Kainsmale und Seelen-Strips

"Literatursalon im Gemeindebau" heißt eine Veranstaltung des Theaters Rabenhof. Große Namen aus der Schreiberzunft - wie Chuck Palahniuk - und unfade Literatur werden so vom 11. September bis zum 5. Dezember in einem Veranstaltungsreigen versammelt.    10.09.2007

Stilecht eröffnet wird der "Literatursalon im Gemeindebau" mit dem amerikanischen Bestseller-Autor Chuck Palahniuk (ja, "Fight Club", aber der Mann hat noch ganz andere verstörende, betörende Bücher geschrieben). In der zuletzt veröffentlichten Versuchsanordnung "Die Kolonie" etwa ließ er eine Gruppe von Möchtegernschriftstellern ihre ganz eigene Hölle erschaffen - und zeigte dabei, daß er in seiner Vorliebe für Splatter und körperliche Verstümmelungen zwar immer extremer, aber auch immer selbstironischer wird. Inszeniert wird Sozialkritik der etwas anderen und garantiert unvergeßlichen Art.

Anlaß für die deutschsprachige Lesung von Johann Nikolussi ist freilich der neue Roman "Das Kainsmal", der nun bei Manhattan erscheint und thematisch sozusagen an "Fight Club" anschließt. Auch hier geht es um einen, der auszog, das Fürchten zu lernen: Buster Casey läßt sich gern beißen und stechen, am liebsten von giftigen Schlangen, Spinnen und Skorpionen - und steigt bald zum Anführer eines todeshungrigen Sekte auf. Erzählt wird das alles originellerweise im "Oral History"-Stil von jenen, die die Tollwutepidemien und das fröhliche Morden halbwegs heil überstanden haben. Wie man eine Palahniuk-Lesung übersteht, wird demnächst EVOLVER-Autor Nikolaus Triantafyllidis berichten.

 

Doch auch österreichische Schriftsteller kommen im Rahmen der Veranstaltung zu Wort bzw. zur Lesung aus aktuellen Neuerscheinungen: nach Robert Menasse ("Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust") etwa Thomas Glavinic mit "Das bin doch ich". Das Buch läßt sich nicht nur als Schlüsselroman über die heimische Literatur- und Kulturszene lesen, sondern stellt diese auch recht ungeniert bloß. Alle Akteure - ob freiwillige (wie der Autor) oder unfreiwillige (wie vermutlich der ganze Rest) - treten unter eigenem Namen auf.

In erster Linie aber dreht es sich um Thomas Glavinic als Thomas Glavinic. Seltbstverliebtheit könnte man dem 1972 geborenen Autor, der zuletzt mit "Die Arbeit der Nacht" reüssierte, dennoch nicht vorwerfen, eher schon einen Talkshow-tauglichen Hang zum Seelen-Striptease. Es geht um zahllose Phobien, die vom vielen Saufen auch nicht gerade besser werden, um Misanthropie, Wehleidigkeit und die ehrgeizige Mutter.

"Wann schreibst denn du mal sowas?" meint letztere, als sie vom - für hiesige Maßstäbe - Mega-Bestseller des Freundes Daniel Kehlmann ("Die Vermessung der Welt") erfährt. Der ist so "freundlich", Glavinic regelmäßig mit den aktuellen Verkaufszahlen seines Buchs zu versorgen. Dabei will der Autor doch einfach reich und berühmt werden und ein langes Leben ohne Hodenkrebs führen. Kann man ihm das verdenken?

Reinhard Ebner

"Literatursalon im Gemeindebau" - das Programm


Dienstag, 11. September, 20 Uhr: Chuck Palahniuk - "Das Kainsmal". Moderation: Bernhard Robben. Deutschsprachige Lesung: Johann Nikolussi

 

Sonntag, 16. September, 20 Uhr: Robert Menasse - "Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust"

 

Mittwoch, 19. September, 20 Uhr: Thomas Glavinic - "Das bin doch ich". Lesung: Thomas Glavinic, Gabriela Hegedüs, maschek, Thomas Maurer, David Schalko, Thomas Gratzer. Moderation: Klaus Nüchtern. DJ: Christoph Möderndorfer

 

Mittwoch, 5. Dezember, 20 Uhr: Ian Rankin - "Im Namen der Toten". Deutschsprachige Lesung: Udo Wachtveitl

 

Alle Veranstaltungen im: Theater Rabenhof (Rabengasse 3, 1030 Wien)

 

(Fotos ©: Palahniuk: Martin Langhorst; Glavinic: Rabenhof/pertramer.at; Rankin: Ian Rankin)

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