Print_A. Peer/E. Uhrmann - Ostseeatem

Melancholisch. Verliebt. Reisend.

Denken Sie hin und wieder über das Baltikum nach? Wir auch nicht. Diese beiden Autoren allerdings schon ... und sie lieben es!

   15.07.2004

Nicht nur in die Länder des Baltikums, auch in deren Bewohnerinnen ist der Ich-Erzähler in Alexander Peers Kurzgeschichten, Erzählungen und Grotesken häufig verliebt - oder zumindest aufgeregt über sie erregt. Atmosphärisch dicht und fernab jeglicher touristischen Verklärung kommen Peers Journalaufzeichnungen ("Über die Neigung, sich in der Ferne zu verlieben") daher. Wenn er schreibt "Außerhalb der Altstadt fängt ein Riga an, das schon gar keinen Grund darstellt, in Riga zu bleiben", da will man schon genauer wissen, warum dem so ist, und leise kitzelt die Reiselust im Bauch. Berührend, ohne im gefährlichen Erinnerungskitsch zu versinken, ist auch seine Erzählung "Meines Großvaters Schoß". In "Vilnius.Nacht" wiederum durchblinzeln witzige Passagen die latente Traurigkeit der Reise, wenn der Autor trocken feststellt, daß jeder seine Kirche habe in Vilnius. Und gebeutelt von religionskritischen Gedanken folgt die Aufforderung: "Sollen sich doch die anderen einen Gott suchen, bei dem man nicht weiß, wie lange seine Gutmütigkeit anhält." Nun denn!

Der Zweitreisende Erwin Uhrmann überzeugt durch sprachliche Verknappung. Ohne Schnörkel oder auch nur ein Wort zuviel gelingt es ihm, die manchmal sehr seltsamen Personen dicht an den Leser zu "bugsieren". Da forscht beispielsweise der Maler Michael ("Die Dehnbarkeit der Trennung") nach seinem (vermeintlichen?) Zwillingsbruder und hört doch auf, "ein Zwilling zu sein". Oder der Ich-Erzähler begibt sich auf die Suche nach der in der Badewanne liegenden und Selbstgespräche führenden Natascha ("Die Synchronität der Einsamkeit") und landet schließlich in Estland. Und zu guter Letzt liefert Uhrmann einen lyrischen Text ("Die Datschas"), der diese melancholisch-verliebte Reise beinahe schon fulminant beendet.

Petra Öllinger

Alexander Peer/Erwin Uhrmann - Ostseeatem

ØØØ


Edition Innsalz (Aspach 2004)

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