Stories_Halloween Revisited, Pt. 2: Rob Zombie´s Halloween

Aus dem Leben eines Taugenichts

Michael Myers kehrt zurück - an der Hand von Musiker und Regisseur Rob Zombie. In der Hand trägt er diverses Werkzeug zum fröhlichen Menschenabschlachten. Als Reisegepäck schleppt er eine gar schwere Kindheit und ein unschlüssiges Drehbuch mit, das sich nicht zwischen Sozialdrama und Klassiker-Remake entscheiden kann.    24.10.2007

Nach "Halloween - Resurrection" (2002) hatte im Grunde jeder, der auch nur über manche seiner fünf Sinne verfügte, jede Hoffnung auf eine erträgliche Weiterführung der Reihe fahren lassen. Dann entstand das Gerücht, daß Rob Zombie die Fortsetzung übernehmen sollte. Arbeitstitel: "Halloween 9". Zombie hatte ja mit "House Of 1000 Corpses" (2003) und "The Devil´s Rejects" (2005) bereits halbwegs unter Beweis gestellt, daß er ein Splatter- und Gore-Apologet der "klassischen" 70er-Jahre-Schule ist. Schon in seiner Eigenschaft als Sänger, Texter und Konzeptionist seiner Band White Zombie (benannt nach dem gleichnamigen Bela- Lugosi-Film aus dem Jahre 1932) baute er immer wieder Samples aus bekannten und weniger bekannten Horrorfilmen in seine Songs ein.

In seinem Spielfilmdebüt "House Of 1000 Corpses" tobte er sich schließlich so richtig aus - ohne Rücksicht auf Verleiher oder Geldgeber. Das hatte zur Folge, daß ihm ersterer absprang und Zombie erst nach zwei Jahren wieder jemanden auftrieb (Lions Gate), der bereit war, seine rumpelnde Vision eines Horrorfilms in die (US-)Kinos zu bringen. Zu sperrig erschien sein "Leichenhaus", was nicht unbedingt an der Story lag: Zwei Teenager-Pärchen, die durchs dunkle und unergründliche Texas auf der Suche nach knackigen Serienmörderlegenden fahren, gelangen in ein Nest, in dem vor Jahren ein gewisser Dr. Satan sein medizinisch eigenwilliges Unwesen getrieben haben soll. Dort geraten sie an eine zu Beginn noch recht freundliche Familie namens Firefly ...

 

Was folgt, kann man sich denken. Nicht aber das Was, sondern das Wie ist´s, das den Film - je nach Befindlichkeit des Zuschauers - reizvoll oder ärgerlich macht: In einer Mischung aus Fake-Doku, Schwarzweiß-Hommage an 50er-Jahre-B-Movies, ein wenig an Godard erinnernden Nouvelle-Vague-Einsprengseln und den Horrorfilmkonventionen der Siebziger lieferte Rob Zombie seine Interpretation von Horror, die vielen zu zitatefreudig und artifiziell erschien (oder auch zu fahrig). Lustigerweise waren das aber mitunter dieselben Leutchen, die jeden Tarantino-Furz mit ergriffen-belegter Stimme in den siebten Zelluloidhimmel heben. Bei Zombie wirkte das ganze popreferentielle Zeug nämlich ein wenig roher, wackliger ... und ehrlicher als bei diversen Zeitgenossen.

Daß die Multiplex-Meute über derlei Ambitionen auch nicht gerade in Tränen der Freude ausbrach, ist bekannt.

Autorenfilmer Zombie hat auf jeden Fall ein Filmpuzzle hingelegt, das zu hundert Prozent "sein Kind" war. Drehbuch: Rob Zombie; Regie Rob Zombie; Schauspieler aus dem Freundeskreis des Herrn Zombie - mit Sheri Moon auch gleich die zukünftige Mrs. Zombie. Familienwerte in der Horrorvariante sozusagen ... Und mit Karen Black als Mother Firefly gab es dann sogar noch eine Protagonistin aus unzähligen Vorbildern der Zombieschen Film- und Lebenswelt (wir sagen nur: "Easy Rider").

Obwohl das alles nicht gerade mit einem Übermaß an Zuschauer- und Kritikerzuspruch belohnt wurde, beschloß Zombie jetzt erst recht, eine Fortsetzung zu drehen.

"The Devil´s Rejects" erblickte 2005 das Licht der Leinwände. Im Mittelpunkt standen die weiteren Abenteuer der Familie Firefly, diesmal allerdings in komplett veränderter Machart: weniger Horror-, mehr Roadmovie (mit großartigem 70er-Soundtrack), straight inszeniert, ohne die formalen Gimmicks des Debüts. Der Film ist ein stimmiger, beklemmender, von jeglichem aufgesetzten Moralisieren ungetrübter Blick auf den nach Blut, Schmutz und Brachial-Law & Order stinkenden Unterleib der USA, mit mehr oder weniger denselben Darstellern wie in "House Of 1000 Corpses" und unter zusätzlicher Heranziehung von William Forsythe als Sheriff John Wydell, der die Familie jagt.

Gleich zu Beginn des Films umstellt die Polizei das Haus der Fireflys. Der brutal geführte Kampf und die Flucht der Familienmitglieder (unter Zurücklassung von Mother Firefly) stimmen das Publikum auf den Rest des Films ein - und der ist ziemlich räudig, dreckig, mitunter überraschend und immer kompromißlos. Daß die Gesetzeshüter noch psychopathischere Dreckskerle sind als die Gejagten, ist da noch das Naheliegendste - und absolute Normalität im Rob Zombie-Kosmos. Kurzum: eine intelligent inszenierte Tour de force durch White-Trash-Amerika, written and directed by Rob Zombie.

Und dann kam "Halloween"... pardon, "Rob Zombie´s Halloween".

 

Zurück zu den Wurzeln wollte er, Michael Myers wieder richtig schön unheimlich sein lassen und dessen Geschichte inklusive Kindheit neu erzählen.

Aber beginnen wir am Anfang: Michael (Daeg Faerch), ein zehnjähriger Junge, der in der Stadt Haddonfield lebt, wird in der Schule von Mitschülern gequält und vom Freund (William Forsythe) seiner Mutter (Sheri Moon Zombie), die im örtlichen Strip-Club arbeitet, verspottet und geschlagen. Er verbringt die Zeit, die er für sich alleine hat, mit dem Foltern und Töten kleiner Tiere. Gelegentlich zieht er sich auch gern eine Clownsmaske über. Einzig seiner kleinen Schwester bringt er so etwas wie Zärtlichkeit entgegen.

Nach einem üblen Streit in der Schule am 31. Oktober - also zum amerikanischen Feiertag Halloween - spricht Dr. Sam Loomis (Malcolm McDowell) ein ernstes Wort mit Michaels Mutter, zeigt ihr Beweise für die Tiertötungen ihres Sohnes und weist sie darauf hin, daß dies Warnzeichen für Soziopathologie wären. Am selben Tag legt der kleine Michael noch eines drauf: Er erschlägt einen seiner Mitschüler im Wald und bringt am folgenden Abend den ewig versoffenen Freund seiner Mutter, die ältere Schwester Judith und deren Freund um - mit einem für kleine Buben recht großen Küchenmesser. Danach kuschelt er sich zu seiner kleineren Schwester und wiegt sie liebevoll in den Armen.

Michael wird verurteilt, ins Smith Grove Mental Hospital eingewiesen und unter der ärztlichen Obhut von Dr. Loomis in eine nicht gerade geräumige Zelle eingesperrt - gelegentliches Beinevertreten (mit Wächter), Besucheempfangen (mit Mutter) und Therapiesitzungen (mit Dr. Loomis) inklusive. Der Bub, der sich natürlich an nichts erinnern kann und darum bettelt, nach Hause gehen zu dürfen, tötet eines Tages aus heiterem Himmel eine der Krankenschwestern (70er-B-Movie-Starlet Sybil Danning) bei obgenanntem Beinevertreten (ohne Wächter). Seine Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt zu Michael gehalten hat, begeht Selbstmord.

Der Kürbiskopf in spe wächst in der Heilanstalt langsam zu einem muskelbepackten Hünen heran und spricht 15 Jahre lang mit niemandem. Seine Zeit verbringt er damit, Gesichtsmasken herzustellen. Schließlich gibt Dr. Loomis die Therapie auf und schreibt - wie man das heute eben so macht - lieber einen Bestseller über Michael, in dem er ihn als das "absolut Böse" bezeichnet. Am 30. Oktober sitzt der verhaltenskreative junge Herr immer noch in seiner Zelle und arbeitet gerade an seinen Masken, als zwei der Wächter auf die Idee kommen, sich ausgerechnet in Michaels Zelle mit einer Patientin zu vergnügen. Doch vom Sozialisieren hat das Psycherl bekanntlich noch nie viel gehalten. Und am nächsten Tag ist wieder Halloween ...

 

Was bei Sichtung des Spektakels gleich ins Auge fällt, ist Rob Zombies beinahe liebevolle Beschreibung des Myersschen Umfelds. Wieder einmal haben wir es mit einer Zombie-typischen "White Trash"-Story zu tun (written and directed by - wir kennen das). Im Gegensatz zu Carpenters Klassiker lernen die Zuschauer langsam alle Protagonisten kennen, und zwar ausschließlich aus der Sicht des späteren Killers. Zombie begeht auch nicht den Fehler, sämtliche Handlungen des kleinen Michael zu "zerpsychologisieren". Daß wir es hier mit einer extrem unguten Spezies Kind zu tun haben, können auch seine schulischen und familiären Anfeindungen als mögliche Ursachen nicht übertünchen.

Zu Beginn haut filmisch noch alles überraschend gut hin, bis der Streifen nach etwa 35 Minuten tatsächlich zu Rob Zombies "Halloween" wird. Bis dahin war´s nämlich ein ziemlich schlüssiger, hervorragend beobachteter, sozial stimmiger und packend inszenierter Thriller um eine kleine Kröte mit großen Problemen. Für Leute, die sich sowas gern im Kino ansehen, wäre es bis dahin eine echte Empfehlung (und wenn man sich dazu im Vergleich ähnlich gelagerte Sujets aus unseren Landen anschaute, müßte man Zombie für diese Passagen geradezu den Oscar verleihen). Doch dann begibt sich Zombie auf John Carpenter-Terrain - inklusive des musikalischen Original-"Halloween"-Themas - und setzt so ziemlich alles in den Sand.

Im Schnellvorlauf wird das komplette Original nacherzählt, langweilig, spannungslos und ähnlich notwendig wie "Psycho" von Gus van Sant. Erst gegen Ende kommt wieder ein wenig Spannung ins Spiel, doch zu diesem Zeitpunkt befindet man sich als Zuschauer entweder schon im Halbschlaf oder ist längst im benachbarten Beisl verschwunden (bzw. in der Videothek seines Vertrauens - auf der Suche nach dem Original). Die geheimnisvolle Bösartigkeit des Original-Myers ist völlig dahin, da Zombie ihn ja schon zu Beginn entmystifiziert hat - und als Unterschichtenkiller neueren Zuschnitts hapert´s Michael schlichtweg an Glaubwürdigkeit. Rob Zombie hat offensichtlich wieder einmal versucht, verschiedene Geschichten unter einen Hut zu bringen. Was aufgrund formaler Spielereien und der Tatsache, daß Zombie eben seine eigenen Geschichten erzählen konnte, bei "House Of 1000 Corpses" noch wunderbar funktioniert hat, ist bei seinem "Halloween" Flickwerk trotz gelungenem Intro und Cameo-Auftritten von Sybil Danning sowie Udo Kier gründlich danebengegangen.

Daß sein "Halloween" in den USA ein ziemlicher Erfolg war (und am Labor-Day-Wochenende ein Rekordeinspielergebnis von 119,6 Millionen Dollar aufwies), läßt sich nur damit erklären, daß diverse Splatter- und Goreszenen recht anständig inszeniert sind und dem Genrefreund den einen oder anderen Schauwert bieten, so man bereit ist, diese abzuwarten.

Um nicht mißverstanden zu werden: Rob Zombies "Halloween" ist kein durchgehend schlechter Film. Als "Halloween"-Film taugt sein "Halloween" aber leider überhaupt nicht - und es bleibt ihm zu wünschen, daß er das nächste Mal wieder etwas Eigenständiges zubereitet.

Daß er´s kann, hat er ja in der Vergangenheit bewiesen.

Thomas Fröhlich

Halloween

ØØ

alias "Rob Zombie´s Halloween"

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2007

109 Min.

Regie: Rob Zombie

Darsteller: Malcolm McDowell, Brad Dourif, Tyler Mane, Sheri Moon Zombie u. a.

Links:

Kleiner Mann - ganz groß

(Halloween revisited, Pt. I)


Er ist der längstdienende Serienkiller der Filmgeschichte. Angetan mit einer Gesichtsmaske und versehen mit spitzen Gegenständen aller Art, schlitzte sich Michael Myers in die Herzen der Zuseher. Anläßlich Rob Zombies aktueller "Halloween"-Variante erzählt Thomas Fröhlich, was bisher geschah - in der Nacht des Grauens. 

Links:

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