| Am 3. Juli 
                          1971 brach Jim Morrison in seiner Pariser Wohnung unter 
                          mysteriösen Umständen auf die andere Seite 
                          durch - Grund genug für die Medien, die dubiose 
                          Causa noch einmal lang und breit wiederzukäuen 
                          und den guten alten Jim einmal mehr als abgehobenes 
                          Sonderexemplar in Sachen Rock´n´Roll darzustellen. 
                          Dieses publizistische Zerrbild schießt eklatant 
                          an den Tatsachen vorbei und geht zu Lasten einiger nicht 
                          minder "absonderlicher" Zeitgenossen, meint 
                          r.evolver ...
 
 Todestage haben 
                          stets etwas Verklärendes, Wehmütiges. Objekte 
                          kollektiver Trauer werden beinahe zärtlich noch 
                          einmal bis auf die Unterhose ausgezogen und danach seziert. 
                          Anschließend hebt eine Meute blutrünstiger 
                          Kulturjournalisten die Leichenteile feinsäuberlich 
                          auf ein Podest, und gleichzeitig scharen sich weinende 
                          Anhänger um die letzte Ruhestätte, die gleich 
                          einem antiken Tempel einen Tag lang jenes Pathos spiegeln 
                          darf, das wenig mit der Realität, dafür aber 
                          umso mehr mit Wunschbildern zu tun hat - und die entsprechen 
                          ja bekanntlich nie den Tatsachen. Wer sich auf Teufel 
                          komm raus selbst den Garaus macht, mit welchen Hilfsmitteln 
                          auch immer, ist nun mal weniger ein Held denn ein Vollidiot. 
                          So steht es geschrieben... Leichenschmaus 
                          for the record industry
 
 Ob in Graceland 
                          oder auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise - 
                          es ist stets das gleiche Bild: Tausende Fans versammeln 
                          sich, um gemeinsam gramgebeugten Hauptes einen Toten 
                          zu beweinen, den keiner der Trauergäste persönlich 
                          kannte. Bei dieser Gelegenheit wird natürlich gern 
                          gefachsimpelt, und so manche Expertise überschattet 
                          das gesellschaftliche Ereignis. Man vergleicht Daten, 
                          reflektiert Gerüchte und begibt sich, wie schon 
                          im Jahr davor, auf die Suche nach brauchbaren Indizien, 
                          um gewagte Thesen zu stützen: Jim Morrison lebt. 
                          Ja, er sitzt irgendwo am Himalaja und häkelt Zierdecken 
                          - instinktiv weiß es jeder, und trotzdem heulen 
                          alle Rotz und Wasser. Angesichts dieses 
                          unsagbaren Leids stellt sich unweigerlich die Frage, 
                          warum Fans derart in die Ferne schweifen, wo doch das 
                          Gute (wie so oft) so nahe läge. Erstens ist selbst 
                          der Tod relativ - für die Plattenindustrie ist 
                          Jim Morrison im Grunde ebensowenig gestorben wie Robbie 
                          Williams -, und zweitens ist der schwarze Prinz mitnichten 
                          der einzige, den, rückblickend betrachtet, die 
                          Aura eines der Welt entrückten Poeten umgibt. Vielen 
                          gelang es halt nur beim besten Willen nicht, sich ins 
                          Nirwana zu saufen oder auf sonstige Weise dorthin zu 
                          katapultieren. Nehmen wir also den Todestag des vermeintlich 
                          irrsinnigsten, poetischsten, stimmgewaltigsten aller 
                          Rock´n´Roll-Barden zum Anlaß, einmal 
                          nicht seiner zu gedenken, sondern vielmehr zweier Zeitgenossen, 
                          auf die die genannten Superlative mindestens ebenso 
                          gut, wenn nicht besser zutreffen. Es ist höchste 
                          Zeit für einen kurzen Sammelnekrolog auf zwei legendäre 
                          Starkstrom-Heroen, die sich dieser Tage wahrscheinlich 
                          gern im Grab umdrehen würden ... wenn sie schon 
                          gestorben wären. Vergessen, 
                          aber leider nicht tot: Syd Barrett Wer erinnert sich 
                          schon beim Klang des fulminanten Pink-Floyd-Titels "Shine 
                          On You Crazy Diamond" an den Namen jenes Musikers, 
                          dem das Lied gewidmet ist? Pink-Floyd-Gründungsmitglied 
                          Syd Barrett erfährt in dem Lied höchste musikalische 
                          Weihen, und vor allem solche, die an sich nur Toten 
                          vorbehalten sind. Vielleicht wäre es für den 
                          buntschimmernden Rohdiamanten Barrett tatsächlich 
                          besser gewesen, nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden 
                          aus der Supergroup den Löffel abzugeben. Fraglos 
                          untermauert ein spektakulärer Abgang den Status 
                          eines Künstlers, und Tausende trauernde Fans könnten 
                          heute ein anbetungswürdiges Objekt mehr aus tiefster 
                          Seele beweinen. 
                          
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