Hard ohne Core

Zwei gedemütigte Frauen schlagen zurück, schonungslos und brutal. Auf den Straßen in "Baise-moi" läuft der angestrebte konsequente Tabubruch in Sachen Sex und Gewalt aber rasch ins Leere. Schocks allein sind eben nicht alles.

Die Liaison Kunstfilm und Porno ist augenscheinlich recht fruchtbar und ziemlich dauerhaft. In der ersten Welle - neben Filmen wie "Romance" oder "Intimacy" - bildet "Baise-moi" den konsequentesten Höhepunkt: Co-Regie mit der Autorin Virginie Despentes bei der Adaption ihres gleichnamigen Romans führte der Ex-Pornostar Coralie Trinh Thi, in den Hauptrollen agieren zwei Pornodarstellerinnen, und man bedient sich der schundigen Ästhetik und Machart eines Pornos, inklusive sattsam bekannter Hardcore-Details. So weit, so schlecht - weil dies noch dazu ziemlich ungebrochen abläuft.

Dort, wo die Welt am desolatesten, brutalsten und tristesten ist, treffen die Prostituierte Manu (Raffaela Anderson) und die Porno-Aktrice Nadine (Karen Bach) aufeinander. Nach einer Vergewaltigung begeht Nadine im Affekt einen Mord, und die beiden fliehen - mehr zufällig als geplant - gemeinsam. Auf ihrer Autofahrt Richtung Paris pflastern Leichen und blutige Überfälle den Weg der Freundinnen, unterbrochen nur von viel Alkohol, Drogen, wenigen Dialogen und wildem Sex. Bis die amoralischen Ausschweifungen ganz konservativ dem obligaten bitteren Ende zugehen, reiht sich eine total kaputte Station an die andere – zäh und scheinbar endlos.

Dabei quält hier weniger die rohe (sprich schlechte) handwerkliche Qualität, sondern die Abfolge der selbstzweckhaft zur Schau gestellten Tabubrüche, die im wesentlichen immer das Gleiche zeigen: Geschlechtsteile in Großaufnahme, Oralverkehr und Penetrationen im Pornostil, genauso redundant wie langweilig. Zeigen wollten Despentes und Trinh Thi in ihrer Hardcore-Version von "Thelma und Louise" eigentlich, wie "zwei Frauen den Spieß einmal umdrehen", sich nicht von miesen Typen ausbeuten lassen, sondern diese ausbeuten und "sich nehmen, was sie wollen". Mit diesem feministischen Anspruch sind die beiden Regisseusen gescheitert, genauso wie mit der inkonsequenten Motivation ihrer Heldinnen.

Einmal gibt es eine psychologische Untermauerung für den Ausbruch, nämlich die sexuelle Ausbeutung, dann versucht man es wieder mit der Stilisierung zu einem Leben völlig jenseits von Gut und Böse, jeder Moral und Ratio, grundlos und unmotiviert. Dabei bleiben nicht nur die Grenzüberschreitungen klischeehaft und im liebenswürdigsten Fall tolpatschig, sondern auch die Wahl der Mittel ist zweifelhaft. Weil die pornographische Sichtweise eine lupenrein männliche ist, ist eigentlich kein Unterschied im Vorher-Nachher-Sex festzustellen, im Gegenteil: Es präsentiert sich nur eine weitere, wenig radikale Männerphantasie, die noch dazu prima nach der Pornologik funktioniert. Es ist eben schwer einzusehen, wie Frauen Männer mit hartem Sex und exzessiver Fellatio erniedrigen können.

Insofern vermag "Baise-moi" sicher nicht "den Frauen endlich das Recht auf ihre eigene Sexualität zugestehen und es aus dem begrenzten Blickfeld der Männer zu reißen", wie Virginie Despentes das gerne hätte. Man bleibt auf Voyeursniveau, bei punkig untermalten Anarchismusversuchen und zwei recht netten und bemühten Protagonistinnen, die im realen Leben eigentlich ihren Ausstieg aus der Pornobranche planten. Daß diese jetzt ausgerechnet im schnarchfaden Autorenkino Fuß faßt, ist nicht ohne Ironie, aber Marketing-mäßig offenbar clever. Der Erfolg des neuen französischen Genres zieht demnächst internationale Produktionen aus den USA (z. B. von Wayne Wang), Japan, Korea und Spanien nach sich – mit mehr vom gleichen.

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Baise Moi
(Walter Robotka, 12.10.2001 12:30)

Re: Baise Moi
(Hatschi Bratschi, 22.10.2001 19:43)

Re: Re: Baise Moi
(hex tesimal, 25.10.2001 00:12)

Re: Re: Re: Baise Moi
(hatschi bratschi, 15.11.2001 21:08)

Re: Re: Re: Re: Baise Moi
(Anonymer Feigling, 17.11.2001 15:50)