Witwe im Überlebenskampf

Wieder einmal erscheint mit "Blueprint For A Sunrise" ein neues Album der japanischen Performance-Künstlerin und Musikerin Yoko Ono. Allerdings gibt es darauf wenig Neues, dafür aber umso mehr abgestandene Klischees - und kaum gute Musik.

Yoko Onos Geschichte begann schon einige Zeit vor der Eheschließung mit Beatles-Mastermind John Lennon. Sie wurde 1933 geboren und von ihrem Vater zuerst zum Klavierspielen und dann zum Singen gezwungen, gab beides jedoch ziemlich bald auf und konzentrierte sich auf ihren Wunsch, Komponistin zu werden. Eingeschränkt von ihrer aristokratischen Familie, ging sie nach New York, entdeckte dort die Musik von Schönberg und Webern und schloß sich später der Fluxus-Bewegung an.

In den kommenden Jahren festigte Yoko ihren Status als Avantgarde-Künstlerin mit ihren Bildern und Performances, die immer wieder das Publikum einluden, aktiv an den Events teilzunehmen. Als sie (nach zwei Ehen) John Lennon kennenlernte, begann sie mit ihm gemeinsam ihre ersten Kompositionen aufzunehmen, und die beiden luden wiederholt zu ihren später berühmt gewordenen Bed-ins ein, bei denen sie - im Bett und mit Pyjama bekleidet - mit Journalisten über den Weltfrieden diskutierten.

1969 traten Lennon und Ono zum ersten Mal gemeinsam auf und heirateten noch im selben Jahr. Nach vielen Krisen und Trennungen erblickte im Jahr 1975 Sohn Sean das Licht der Welt; Lennon zog sich aus der Musik zurück und wurde Hausmann und Junkie. Fünf Jahre später und kurz nach neuen musikalischen Releases wurde der Ex-Beatle jedoch vor seinem Haus in New York erschossen.

In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten konzentrierte sich Yoko Ono auf Neuinterpretationen früherer Werke und arbeitete in den Bereichen Installation, Photographie, Film und Musik. 1992 wurde die legendäre "Onobox" - ein 6-CD-Set als Retrospektive ihrer Arbeit als Komponistin - veröffentlicht.

Nun erscheint mit "Blueprint For A Sunrise" ein neues Album der Allround-Künstlerin, das sie selbst als feministisches Manifest verstanden wissen will. Zehn Tracks sind darauf zu finden, und fast alle befassen sich mit ebendiesem Thema. Der Opener "I Want You to Remember Me" ist in zwei Teile aufgesplittert und geht thematisch sofort in medias res. Ein Streit zwischen Mann und Frau wird darauf durchgespielt, wobei der männliche Part durch extreme Aggression gekennzeichnet ist ("You want out? You ungrateful bitch!"), der weibliche durch unterwürfige Ängstlichkeit ("Honey I´m sorry. Don´t be angry.").

Auf "Is This What We Do" werden Mütter und Mutter Erde gleichzeitig als Opfer menschlicher (männlicher?) Härte und Brutalität beklagt. "I´m Not Getting Enough" ist eine Anschuldigung an das Leben selbst, Frau Ono nicht genügend zu bieten. Und auf "Wouldnit" träumt sie davon, ein Star und Held zu sein; doch auch hier schwingt wieder ganz deutlich das Gefühl mit, dies wäre die einzige Möglichkeit, sich gegen die ach so unerträglichen Härten des Lebens behaupten zu können. Onos Feminismus beschränkt sich auf simple Schwarzweiß-Anklagen und wirkt aufgesetzt und anachronistisch.

Musikalisch gibt es auf "Blueprint" nicht viel Neues zu hören. Die prominentesten Musiker sind sicher Onos Sohn Sean Lennon und die New Yorker Avantgarde-Harfinistin Zeena Parkins. Bei den meisten Nummern handelt es sich um äußerst simpel gestrickte Rocksongs, jedoch findet sich auch der eine oder andere Reggae- oder Blues-Track, und ein völlig isoliert dastehendes Vokalexperiment darf natürlich auch nicht fehlen.

Yoko Onos Stimme klingt auf dem neuen Album immer noch so, als hätte sie die englische Sprache gerade eben erlernt (eine Anologie zu Björk, die ihren isländischen Akzent auch mit großer Leidenschaft künstlich am Leben erhält), und singen kann sie leider bis heute nicht. Das wäre an sich noch nicht so schlimm, würde sie es nicht des öfteren trotzdem tun, am katastrophalsten auf der vorletzten Nummer "I Remember Everything", die auch ohne die gesanglichen Schwächen in ihrer ultimativen Kitschigkeit schon unerträglich genug wäre.

Ein musikalisches Highlight hat man sich im Jahr 2001 von Yoko Ono sicherlich ohnehin nicht erwartet; "Blueprint For A Sunrise" übertrifft aber leider die schlimmsten Befürchtungen. Ono-Komplettisten sollten das Werk möglichst ungespielt und schnell archivieren, andere Menschen haben momentan sowieso genug Auswahl an neuen Alben weiblicher Musikerinnen. Und besser als dieses sind sie alle miteinander.

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