Der Beginn der Beliebigkeit

Das Label Morr Music scheint beinahe im Wochenrhythmus neue Platten auf den Markt zu werfen. Manchmal fragt man sich, ob man den Vinyl-Kaufrausch vielleicht doch bezähmen hätte sollen - z. B. bei Scheiben wie F. S. Blumms "Mondkuchen".

Auch ein Motto wie das der neuen "Neuen Bescheidenheit " gebietet nicht, alles herauszubringen, was irgendwie nach "Easy Electronica" klingt! Außerdem ist diese Politik doch etwas beliebig, wie man am vorliegenden Tonträger erkennen kann: Frank Schültge alias F. S. Blumm klaut Ideen, wo immer er nur kann. Gut, das machen die anderen auch; nur sind bei denen die Anleihen nicht so einfach nachvollziehbar.

Die Sound-Auswahl Blumms ist ähnlich wie die Adam Butlers (Vert - "9 Types of Ambiguity"): akustische Instrumente, viele viele xylophone Glockenklänge und ambientes Wabern. Der Reiz des Genres Ambient liegt aber nicht unwesentlich auch in der Komposition und dem Spannungsaufbau. Und die Harmoniebögen Blumms sind zwar sehr ordentlich und von großer Klarheit, doch jene gelegentlichen Momente des Aufhorchens reichen einfach nicht, um ein ganzes Album zu füllen.

Wer will schon eine Gebrauchsanleitung durchlesen, um das Epos dann in seiner ganzen Ruhe und Schönheit zu erfassen? Entweder es erschließt sich durch das Hören von selbst oder gar nicht - und hier hat das Experiment einfach nicht funktioniert. Manche Platten tauen erst nach dem dritten oder vierten Hörversuch auf, bei dieser steht das Urteil gleich zu Anfang fest...

F. S. Blumm ist übrigens im deutschen Sprachraum kein Unbekannter, tourt er doch schon seit Jahren mit Autor Christian Berner durch die Landen und vertont Hörspiele für kleine und große Kinder. Die Rebresch-(Berner) und Blumm-CD "Hörcomics" beispielsweise erschien im Mai 2000 auf Plattenmeister.

Auf "Mondkuchen" werden die verschiedenen Stile jedoch zu willkürlich miteinander kombiniert, fast schon wie nach einem bewährtem Rezept. Wenn Beliebigkeit schon auf diese Art gepriesen werden muß, dann sollte sie zumindest gut gespielt sein. Bleierne Improvisation ist hier weder gefragt noch erwünscht. Um als Ambient zu funktionieren, ist Blumms Sound einfach etwas zu dürftig - wenn das die Zukunft des HD-Recording darstellen soll, verkauft lieber gleich eure Powerbooks. Tracknamen wie "Spieluhrsand", "Nachneumittag" oder "Seesucht" lassen überdies auf eine gewisse infantile Ader schließen. Durchnumerieren wäre hier ein sinnvolle Alternative gewesen.

Außerdem sollte sich Morr Music auch langsam eine audiophile werkseitige Qualitätskontrolle sichern (das ist genau das, was das vielzitierte Warp-Label von der Konkurrenz unterscheidet).

Noch ein Aspekt für den Nachhauseweg: Wievel Schmalz und Süßstoff verträgt eigentlich die eigene Elektronik-Sammlung? Und warum sollen sich Erwachsene ständig nur mehr artige Kindermusik anhören?

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