Heim und Unruheherd

Hood produzieren laut Eigendefinition Doom-Pop. Ein merkwürdiges Prädikat, das aber doch irgendwie genau das trifft, worum es auf "Cold House" geht. Zerbrechlicher Pop zwischen Melancholie und aufkeimender Hoffnung, zwischen kontemplativen Gitarren und leiser Elektronik, zwischen Oxford, Weilheim und Chicago - flüchtige Schönheit für lange Winternächte.

Wenn das, was die kalte Jahreszeit genannt wird, wieder aus den Erdspalten hervorgequollen kommt - dann, wenn das eigene Home zum Castle wird, wenn der Teekessel singt, wenn zusammen wächst, was... ach was. Hier triefen die Widersprüche kübelweise aus dem bewandteppichten Gemäuer - das wissen Sie, und das wissen auch Hood aus dem britischen Leeds. Folgerichtig darf die Band ihre Singles auch gern mit "Home is where it hurts" und ihre Alben mit "Structured Disasters" oder wie im vorliegenden Fall mit "Cold House" betiteln. Tristesse und Verstörung bei der Titelgebung haben uns bereits in Sorge um den Gemütszustand der Brüder Richard und Chris Adams geraten lassen, und in Hoods Musik finden sie ihre konsequente Fortsetzung.

Eines haben die letzten beiden Alben der Oxforder Radioköpfe in ihrer nahezu unheimlichen Massentauglichkeit sicher bewirkt: Querdenkerische Songentwürfe, die unter Ausschöpfung jeglicher verfügbarer Klangquellen musikalische Kategorien sprengen, sind doch nicht nur ein Wunschgedanke der "best of both worlds"-Verteidiger geblieben. Hood sind ein weiterer Beweis dafür. Sie klingen in ihren formbrechendsten Momenten etwa so, als wäre ihr Labelkollege Bill Callahan (Smog) für einen Monat mit Markus Popp (Oval) in einer morschen Holzhütte am Ende der zivilisierten Welt (wo immer das auch sein mag) eingesperrt worden.

Tatsächlich ist "Cold House" alles andere als berechenbar. Manchmal, wie bei "This Is What We Do To Sell Out(s)", geht der molekulare Beatspliss ganz ordentlich mit Hood durch. Einzelne Phoneme huschen hastig durchs Bild, um gleich wieder zu verschwinden oder, wie bei "The Winter Hit Hard", gleich metertief in der Echokammer zu versinken. Manchmal aber wieder, wie bei "Enemy Of Time" oder beim jazzig-minimalistischen "Lines Low To Frozen Ground", formuliert die sanfte Gesangsstimme ganz unverhohlen wunderbare Melodien, für die sich Guided By Voices mittlerweile recht herzlich bedanken würden.

Und weil für Hood das Popuniversum anscheinend nach allen Seiten offensteht, haben sie sich für einige Stücke auch noch Unterstützung von den Avant-Hip-Hoppern cLOUDDEAD (siehe EVOLVER-Rezension) geholt. Die stehen im Universum des Hip Hop ähnlich weit draußen wie Hood im Universum des Indie-Rock, deshalb morpht etwa "You're Worth The World" auch so homogen durch Stile und Stimmungen, als ob es schon immer so gewesen wäre. Hier wächst also doch zusammen, was zusammengehört.

"Cold House" bietet zehn filigrane Kleinode, die anziehen und wieder abstoßen, wieder anziehen und erneut abstoßen usw. So leise und zaghaft, dezent und doch intensiv schwirren sie durch die kalte Hütte, daß einem ganz warm ums Gemüt wird. Verhuscht, verschwommen, ungreifbar, noch da und schon wieder weg, verstörend und betörend, voll von Widersprüchen zwischen Melancholie, Kälte und aufkeimender Hoffnung - keine Innovation ohne Irritation. Es gibt Momente, in denen solche Platten unendlich wertvoll sein können.

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